Lakonisch Elegant

#67 "Wenn der Osten ruft" - Neue und alte Narrative aus der Zone

48:42 Minuten
Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostsee. Insel Rügen, Lancken-Granitz, Landschaft bei Neu Reddevitz. Im Vordergrund Wald und hinten Acker, Wiesen und das Meer.
Leere Landschaft in Mecklenburg Vorpommern © laif/Toma Babovic
Von Christine Watty und Johannes Nichelmann  · 23.01.2020
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Drei Jahrzehnte sind seit Mauerfall und Wiedervereinigung ins Land gegangen. In dieser Zeit hat sich der Journalismus aus und über Ostdeutschland verändert. Welche Narrative bedienen "die Medien", wenn sie heute über "den Osten" sprechen?
"Endlos Weite, menschenleere Landschaften. Der Osten Deutschlands." So beginnt der Filmemacher Broka Herrmann seine "37 Grad"-Doku "Wenn der Osten ruft" aus dem Januar 2020 im ZDF. Im Kulturpodcast erzählt er: "Ich konnte es kaum glauben, dass junge Leute, die ursprünglich im Osten geboren wurden, die dann irgendwo in England, Schweiz, Westdeutschland, ihre Karrieren vorbereitet haben, dass die wieder zurückwollen."
Die Kritik an seinem Film: Es werde pauschal über "den Osten" geurteilt. Die Tageszeitung bedauert, dass "die Doku stellenweise klischeebeladen" sei. Im Kulturpodcast erklärt Herrmann seine Intention und antwortet auf den Vorwurf, den Osten zu undifferenziert darzustellen.

Jeder Osten ist anders

Dass es "den Osten" nicht gibt, erläutert Silke Hasselmann. Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beispielsweise hätten teilweise ein Problem damit, sich als Ostdeutsche zu begreifen, und sehen sich vielmehr als Mitteldeutsche. Hasselmann ist die Landeskorrespondentin des Deutschlandradios in Mecklenburg-Vorpommern. Sie ist bemüht, mehr von Land und Leuten zu zeigen als irgendwas zwischen Ostseefolklore und Rechtsradikalismus. Wie das geht, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, Dinge zu beschönigen, erläutert sie im Interview.
"Das ist natürlich so. Wenn man über den Osten redet, fängt man mit den negativen Dingen an. Erst im zweiten Satz kommt man darauf, was daraus alles tolles entstehen kann", sagt der 28-jährige Journalist Josa Mania-Schlegel. Momentan berichtet er für die "Zeit im Osten". Diese Beilage der Wochenzeitung "Die Zeit" erscheint ausschließlich in den Bundesländern auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Der Leipziger erklärt, warum dies aus Sicht der Redaktion vonnöten sei, und geht auf die Kritik ein, dass die dort verhandelten Themen ja auch für Menschen im Sauerland oder dem Schwarzwald von Interesse sein könnten.

Zeitungen für den Osten

Die Kommunikationswissenschaftlerin Mandy Tröger hat zur Presselandschaft in Ostdeutschland selbst geforscht. Sie berichtet davon, dass sehr viele Versuche Ostdeutscher Bürgerinnen und Bürger, zu Beginn der Transformation eigene Zeitungen und Zeitschriften zu gründen, aus wirtschaftlichen Gründen und einer damals wachsenden Marktmarkt von Verlagen aus dem Westen fehlgeschlagen seien. Sie wünscht sich, dass in überregionalen Medien mehr Journalistinnen und Journalisten eine Stimme bekämen, die aus dem Osten kommen. "Und nicht dem Narrativ zu folgen, der Osten ist so anders, und den Stereotypen zu folgen, die man noch aus der Vor- und Nachwendezeit hat."

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