Lakonisch Elegant

#60 Grünes Gewölbe − Juwelendiebstahl oder Identitätsverlust?

45:14 Minuten
Eine Illustration zeigt lauter bunte Edelsteine.
Kriegt man die Klunker aus Dresden vielleicht bei "Bares für Rares" verkauft? © imago images / Panthermedia / Bonnie Cocos
28.11.2019
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Ist der Diebstahl im Grünen Gewölbe tatsächlich cool, wie im Film? Oder vielmehr ein "Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen", wie Roland Wöller (CDU) meint? Und: Was lernen wir aus der ganzen Debatte über uns und unsere Kultur?
Im Film, zum Beispiel bei "Über den Dächern von Nizza" mit Cary Grant oder in "Ocean's Eleven" mit George Clooney, sind Diebe Gentlemen mit Stil, Humor und natürlich Sexyness. Beim Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe in Dresden ist auf den Videoaufnahmen, die von der Polizei veröffentlicht wurden, von alledem aber keine Spur. Auch wenn zunächst alles spannend und aufregend klingt, im Fall des Grünen Gewölbes überwiegen Entsetzen und Trauer. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viel Spott und Kritik.

Politisierung des Diebstahls

In der Debatte fällt vor allem auf, wie der Fall von Anfang an politisiert wurde. Kulturministerin Monika Grütters etwa betonte die "identitätsstiftende Wirkung" der Juwelen aus dem Gewölbe. Roland Wöller, Innenminister in Sachsen, spricht von einem "Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen". Andere fragten daraufhin, was die Juwelen von August dem Starken denn mit der Identität von heute lebenden Menschen zu tun haben sollen. In den sozialen Medien gibt es neben dem Drama-Filter, den die CDU auf die Ereignisse legt, deswegen Contra.
Jenseits dieser Polarisierung sieht Kia Vahland, Kunstkritikerin und Redakeurin für Kultur- und Geisteswissenschaften der Süddeutschen Zeitung, sowohl die Äußerungen des sächsischen Innenministers als auch die Häme kritisch. Sie ist spezialisiert auf ältere Kunst und zeigt, dass die Geschichte der Juwelen weit über Sachsen hinaus geht. Ähnlich wie bei anderen Kulturschätzen sieht sie hier vielmehr eine europäische Identität verkörpert.

Film vs. Realität

Stefan Koldehoff ist Kunstexperte beim Deutschlandfunk und unterstützt Christine Watty und Katrin Rönicke dabei, das Ausmaß des Verlustes einzuordnen. Wie häufig passiert so etwas eigentlich und wer könnte dahinter stecken? Sehen wir in Dresden gerade nur die Spitze des Eisbergs? Im Gespräch mit Lakonisch Elegant. Der Kulturpodcast hilft er dabei zu verstehen, was dieser Raub über grundsätzliche Dilemmata in der Kulturpolitik zeigt. Spoiler: Es geht ums Geld und die Frage, was Kunst der Gesellschaft wert ist und ob wir sie auch in Zukunft einfach so für alle zugänglich machen können.
Doch ganz wollen wir den Glanz des Edelganoven nicht aus unserer Sendung verbannen: Zusammen mit Filmredakteur Patrick Wellinski sprechen wir im Filmmuseum Deutsche Kinematek in Berlin über spektakuläre Film-Diebe und wie sie in uns diese Faszination auslösen. Wir blicken ein wenig in die Geschichte des cineastischen Diebes, der meistens gutaussehend, geradezu sexy ist und erzählen anhand von Filmszenen Kunstdiebstähle nach. Dabei liebäugelt der Film-Nerd ein wenig mit dem Original-Plakat von "Der große Gabbo", das gerade in der Ausstellung "Brandspuren" des Museums zu bewundern ist. Würde das nicht auch gut in seine Wohnung passen…?

Einen Versuch wert bei "Bares für Rares"?

Wir nehmen einfach mal den Tweet von Johanna Sprondel beim Wort und fragen Horst Lichter: Kriegt man die Klunker aus Dresden vielleicht bei "Bares für Rares" verkauft? Denn man hört ja dieser Tage ständig, die seien "unverkäuflich" − aber vielleicht kann die Expertise das irgendwie helfen?
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