Kurze Geschichte des Kosmos

Das Multiversum und seine vielen Erklärungen

Dunkle Materie, aufgenommen vom Hubble Space Teleskop und dem Chandra X-Ray Observatorium. Auf dem Bild sind Sterne zu sehen und eine Art lila-rosafarbenen Nebels.
Dunkle Materie, aufgenommen vom Hubble Space Teleskop und dem Chandra X-Ray Observatorium © dpa / picture alliance / Landov
Von Dirk Lorenzen · 31.05.2018
Bei guter Sicht sind rund 6.000 Sterne am Himmel zu sehen. Das schwarze Nichts zwischen den Sternen reicht mehr als zehn Milliarden Lichtjahre hinaus in den Kosmos. In der Astronomie gibt es bis heute viele Rätsel zu seiner Entstehung und Entwicklung.
Der Kosmos. Unendliche Weiten. In einer klaren Nacht fernab künstlicher Lichtquellen funkeln rund 6000 Sterne am Firmament – dazu vielleicht einige Planeten und der Mond.
Stefan Bauberger:
"Beim Blick auf den Himmel empfinde ich Freude und schon auch ein Staunen."
Selbst eine Galaxie in rund zwei Millionen Lichtjahren Entfernung ist noch mit bloßem Auge als Nebelfleck zu erkennen. Ihr Licht hat sich vor zwei Millionen Jahren auf den Weg gemacht, um jetzt auf unsere Netzhaut zu treffen. Und das schwarze Nichts zwischen den Sternen reicht mehr als zehn Milliarden Lichtjahre hinaus.
"Diese Weite, und dass wir in diesem großen, großen unvorstellbaren Universum, dass wir hier einen Platz haben."
Es gibt kein "hier unten" und "da oben". Unsere Erde ist Teil des gewaltigen Kosmos – wir Menschen leben mittendrin, der Kosmos ist nicht über uns, er hüllt uns ein. Nicht nur Stefan Bauberger, Jesuit, theoretischer Physiker und Professor an der Hochschule für Philosophie in München, staunt, wenn er an den Himmel schaut. Auch die Astronomen wundern sich über Vieles, was sie im Kosmos zu sehen bekommen. Und sie rätseln bis heute, wie dieser Kosmos entstanden ist und wie er sich entwickelt hat.

Der Urknall – wie alles begann

Zitat aus der Genesis:
"Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht."
"Um überhaupt von Schöpfung reden zu können, muss ich erst einmal zulassen, dass ich die Welt in verschiedenen Perspektiven sehen kann. Ich kann sie objektiv betrachten wie es die Naturwissenschaft tut. Ich kann sie aber auch betrachten von meinem eigenen Erleben her."
Was da laut biblischer Genesis noch am ersten Tag der Schöpfung passiert ist, ist eine perfekte Zusammenfassung der Urknall-Theorie, dem heute populärsten Modell zur Entstehung der Welt. Danach war der Kosmos zunächst unvorstellbar heiß. Strahlung, also Licht, wurde zu Materie, die wiederum sofort zerstrahlte. Der Kosmos war ein einziges Lichtinferno. Urblitz wäre der treffendere Begriff. Das Universum dehnte sich rasant aus und kühlte dadurch ab – schon nach wenigen Minuten hatten sich die Elementarteilchen und die einfachsten Atomkerne gebildet. Einige hunderttausend Jahre später waberten nur noch kalte Wolken aus Wasserstoff und Helium durch die finstere Ödnis. Doch einige Zeit später ging dem All wieder ein Licht auf.
Tom Abel:
"Den ersten Stern hat man im Universum wahrscheinlich so ungefähr 50 Millionen Jahre nach dem Urknall. Das ist der allererste. Dann gibt es viele, die später kommen, so circa 100 bis 150 Millionen Jahre nach dem Urknall."
Tom Abel stammt aus Deutschland und ist seit einigen Jahren Professor am Kavli-Institut für Kosmologie an der Stanford-Universität südlich von San Francisco. Ihn beschäftigt vor allem die Frage, wie aus dem heißen Urbrei das heute so hoch strukturierte Universum geworden ist – mit Planeten, Sternen und Galaxien. Weil noch kein Teleskop so weit hinaus ins All – und damit so weit zurück in die Zeit – blicken kann, um auch die ersten Sterne zu erspähen, versucht Tom Abel mit Modellrechnungen die Vorgänge in der Frühzeit des Kosmos nachzuvollziehen. Wie sich zeigt, hatten es die ersten Sterne im All ganz schön in sich.
Anblick des Sternenhimmels zu Monatsbeginn gegen Mitternacht, zur Monatsmitte gegen 23 Uhr und am Monatsletzten um 22 Uhr
Anblick des Sternenhimmels zu Monatsbeginn gegen Mitternacht, zur Monatsmitte gegen 23 Uhr und am Monatsletzten um 22 Uhr © Stellarium
"Wir sagen oft, die sind wie die Rockstars im Universum. Die leben wirklich nur sehr kurz. Innerhalb von drei Millionen Jahren haben die schon ihr ganzes Gas aufgebraucht, das sie im Innern zu Helium und Sauerstoff verbrannt haben. Und sie sterben dann höchstwahrscheinlich in großen Supernovaexplosionen."
Zum Vergleich: Unsere Sonne ist bereits fünf Milliarden Jahre alt. Kosmos kurios: Lange war es dunkel im All, dann flammten erste Sterne auf und fast unmittelbar danach zuckten überall die Explosionsblitze. Die gerade erst entstandenen, sehr großen und sehr heißen Sterne rissen sich selbst in Stücke – und verteilten die schwereren Elemente im All, ohne die wir heute nicht existieren könnten. Beim Urknall sind nämlich nur die beiden leichtesten Elemente Wasserstoff und Helium entstanden. Doch Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Kalzium, Eisen etc. mussten sich erst im Innern von Sternen bilden – sie sind die Überreste der Kernfusion, mit der Sterne ihre Energie gewinnen.
"In diesem Sinne sind wir alle eigentlich verbunden mit diesen allerersten Sternen. Zum Beispiel bei Ihnen, der kleine Finger, war schon mal in einem dieser allerersten Sterne."
Bis heute tragen wir chemische Elemente in uns, die aus den ersten Sternen im Kosmos stammen – und auch alles andere in unserem Körper, was nicht Wasserstoff oder Helium ist, muss irgendwann in einem Stern entstanden sein. Unsere Erde ist nicht losgelöst vom kosmischen Geschehen, sondern eng mit ihm verwoben. Das Material, dem wir unser Leben verdanken, ist die Asche ausgebrannter Sterne – wir sind buchstäblich Kinder des Weltalls.

Himmlische Schattenwelt: dunkle Materie

Zitat Fritz Zwicky, Schweizer Astronom:
"Um die Geschwindigkeiten der Galaxien im Sternbild Haar der Berenike zu erklären, müsste die mittlere Dichte viele Male größer sein als auf Grund der Beobachtung leuchtender Materie abgeleitet. "
Stefan Bauberger:
"Dann ist es vor allem für mich dieses Phänomen der Feinabstimmung, also dass die Naturkonstanten in unserem Universum und auch die kosmischen Parameter wie Massendichte, dass die gerade so – jetzt rutsche ich schon ins Theologische ab – gerade so eingestellt sind, dass in diesem Universum Leben entstehen kann und dass Menschen entstehen können."
Die Sterne und Galaxien bewegen sich im Weltraum viel schneller als nach der Anziehungskraft der leuchtenden Materie im Kosmos zu erwarten wäre. Die Astronomen rätseln: Entweder stimmt etwas mit der Anziehungskraft nicht, mit der Gravitation – oder, und das meinen die meisten Forscher – es gibt im Universum sehr viel Materie, die in Teleskopen prinzipiell nicht zu sehen ist. Zudem muss sie aus einem mysteriösen Stoff bestehen, staunt Carlos Frenk, Direktor am Institut für Computergestützte Kosmologie im englischen Durham:
"Es gibt im Universum viel mehr Dunkle als sichtbare Materie. Das Material, aus dem wir, die Sonne, die Planeten und alle Sterne bestehen, kommt nur auf wenige Prozent. Zudem wissen wir heute, dass die Dunkle Materie aus einer ganz anderen Sorte Elementarteilchen bestehen muss als jene, aus der wir und alles um uns herum bestehen. Aber wir haben keine Ahnung, wie genau die Dunkle Materie aufgebaut ist. Das ist eines der größten Rätsel der modernen Wissenschaft."
So wichtig und so schön leuchtende Sterne und Galaxien für uns auch sein mögen – auf den Kosmos insgesamt bezogen spielen sie keine große Rolle. Was die Astronomen in den Teleskopen zu sehen bekommen, ist kaum mehr als die Spitze des Eisbergs. Es klingt paradox: Da gibt es im Universum offenbar einen geheimnisvollen Stoff, den die Forscher noch nie beobachtet haben, von dem sie aber dennoch annehmen, dass er da ist – und zwar nicht in einer Nebenrolle, sondern als die entscheidende Macht im Kosmos.
Wie dieser unsichtbare Architekt den Kosmos prägt, untersucht Volker Springel. Für seine Arbeit am dunklen Geheimnis des Weltalls hat sich der Astrophysiker einen besonders hellen Ort ausgesucht, ein weitläufiges Parkgelände am Hang hinter dem Heidelberger Schloss.
Die Altstadt von Heidelberg, gesehen vom Schloss
Blick auf die Altstadt von Heidelberg, gesehen vom Schloss© picture alliance / dpa / Daniel Kalker
"Wir befinden uns hier vor dem Heidelberger Institut für theoretische Studien. Es ist ein sehr angenehmer Ort zu forschen hier in Heidelberg."
Der Blick reicht weit über das Neckartal. Eine imposante Villa dominiert das sonnige Anwesen, dicht daneben duckt sich ein moderner dreistöckiger Bau aus Glas und fast violetten Klinkersteinen.
"Ich beschäftige mich mit kosmischer Strukturentstehung. Die wird durch die Schwerkraft ausgelöst. Und wir glauben ja, dass die Dunkle Materie die Materie im Universum dominiert und damit auch die Schwerkraft, die Gravitation. Mithin kann man kosmische Strukturentstehung nicht verstehen ohne Dunkle Materie."
Volker Springel und sein Team untersuchen, wie aus dem Einheitsbrei aus Materie und Strahlung kurz nach dem Urknall das heute hoch strukturierte Universum geworden ist.
"Hier sitzt meine Arbeitsgruppe. Die meisten sind gerade beim Kaffeetrinken, da lässt sich auch besser diskutieren."
Die beobachtenden Astronomen machen mit ihren Teleskopen nur Schnappschüsse des Kosmos. Ihre Bilder zeigen, wie das Universum in unterschiedlichen Epochen ausgesehen hat – etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall, vor einigen Milliarden Jahren und heute. Theoretiker wie Volker Springel zeichnen die Entwicklung nach, die zwischen den Bildern liegt. Sie füllen die Lücken, machen aus Standbildern einen Film. Dazu packen sie den Kosmos in den Computer und füllen in einen virtuellen Musterwürfel von einigen hundert Millionen Lichtjahren Kantenlänge die Materie-Mischung, die die Welt bedeutet:
"Es sind so etwa fünf Sechstel dunkle Materie und ein Sechstel normale Materie. Dann haben wir noch die dunkle Energie, eine besonders mysteriöse Komponente: ein Kraftfeld, das zu einer beschleunigten Expansion des Universums führt. Das ist die Mischung, die man braucht, um die großräumige Struktur im Universum zu erklären."
Die Materiemischung ist der kosmische Teig, die Schwerkraft das Backpulver. Bis heute wissen die Astrophysiker zwar nicht, woraus die Dunkle Materie besteht. Die Suche nach den mysteriösen Teilchen blieb bisher erfolglos. Aber die Forscher können mit ihr rechnen, denn die Schwerkraft gilt für jede Form von Materie: für die leuchtende "baryonische" Materie, aus der wir Menschen und alle Dinge um uns herum bestehen – und für die Dunkle Materie.
"Wir sehen hier eine Computersimulation der Entstehung der Milchstraßengalaxie. Das hat angefangen kurz nach dem Urknall, oben rechts sehen Sie die Zeitskala. Wir sind jetzt 310, 320, 340 Millionen Jahre nach dem Urknall. Der Film wird über 13,5 Milliarden Jahre laufen, das ist natürlich ein extrem beschleunigter Film. Das Ganze dauert für uns nur noch zwei Minuten, bis die Milchstraße dann entstanden ist."
Die Milchstraße über der Glocknergruppe in den Alpen.
Die Milchstraße über der Glocknergruppe in den Alpen.© imago/Eibner Europa
Auf dem Bildschirm vor Volker Springel vollzieht sich rasant die kosmische Entwicklung. Der ursprüngliche Einheitsbrei, eine Art himmlische Ursuppe, formt wie von Geisterhand ein feines Netz voll roter, gelber, grüner und blauer Strukturen – die Farben geben an, wie viel Energie in ihnen steckt.
"Wir sehen die sehr feine filigrane Struktur der Dunklen Materie am Anfang. Es entstehen zunächst kleine Klümpchen aus Dunkler Materie, die weitere Massen anziehen aus ihrer Umgebung. Die verschmelzen miteinander und bilden in der Mitte diese Protogalaxie, der Kern einer Galaxie, die später die Milchstraße sein wird. Wir sehen, dass es ein sehr dynamischer Prozess ist. Es entsteht jetzt diese kollektive Wolke aus Dunkler Materie, in deren Zentrum die Sterne entstehen."
In den Rechnern der Astronomen läuft kein fantasievolles Computerspiel. Es ist die möglichst genaue Simulation der kosmischen Entwicklung. Am Ende der Berechnung hat sich tatsächlich ein Universum gebildet, das dem ähnelt, das wir Nacht für Nacht am Sternenhimmel wahrnehmen. Ohne Dunkle Materie gäbe es keine Milchstraße, keine Sonne, keine Erde – keinen Menschen.

Schneller, immer schneller – die Ausdehnung des Kosmos

Zitat Arthur Eddington:
"Wir verstehen nicht, warum all die anderen Galaxien vor uns fliehen als wären wir die Pestbeule im Kosmos."
Stefan Bauberger:
"Schon winzige Abweichungen zum Beispiel von der Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung oder der starken Wechselwirkung ‑ und es gibt noch mindestens drei andere solche Parameter, je nachdem, wie man zählt ‑ schon winzige Abweichungen hätten zu einem Kosmos geführt, in dem kein Leben hätte entstehen können."
Auch wenn den Forschern das meiste im All verborgen bleibt: Sie stochern nicht völlig im Nebel, denn zumindest einige Etappen der kosmischen Entwicklung sind gut zu beobachten, erläutert Joachim Wambsganß, Direktor des Zentrums für Astronomie an der Universität Heidelberg:
"Die Astronomen haben durch vielerlei Messungen in den letzten 70 oder 80 Jahren eine Menge über das Universum als Ganzes in Erfahrung gebracht. Das fing schon damit an, als man in den 20er-Jahren erkannt hat, dass sich die Galaxien von uns entfernen. Daraus hat man dann abgeleitet, dass das Universum expandiert."
Bis 1929 hatten die meisten Astronomen das Weltall für völlig unbewegt und ewig gleich aussehend gehalten. Doch dann zeigte sich, dass sich die Galaxien von uns fort bewegen – und zwar umso schneller, je weiter sie entfernt sind. Doch tatsächlich spiegelt die Bewegung der Galaxien nur die Ausdehnung des Kosmos wider – und damit war klar, dass das All mal einen Anfang gehabt muss, bei dem alle Materie und Strahlung auf sehr engem Raum komprimiert war: die Idee des Urknalls war geboren.
"In den letzten Jahren hat es nun aber eine Reihe von Entdeckungen gegeben, die darauf hindeuten, dass sich die Ausdehnung nicht nur nicht abbremst, sondern sogar noch beschleunigt wird, dass durch eine Art negativen Druck alle Materie im Weltall noch voneinander abgestoßen wird."
Die Astronomen hatten erwartet, dass die gegenseitige Anziehung der Materie, der sichtbaren wie der Dunklen, dafür sorgen müsste, dass sich die Bewegung der Galaxien langsam abbremst – so wie ein nach oben geworfener Stein von der Erdanziehung angehalten wird und wieder zurückfällt. Doch die Experten wurden erneut völlig überrascht und rätseln nun, was den Kosmos immer schneller expandieren lässt.
"Dies wird unter dem Begriff Dunkle Energie zusammengefasst. Das ist physikalisch vielleicht nicht ganz korrekt, aber es ist schon ein griffiger Name, den hat die Astronomengemeinde gleich übernommen."
Der größte Teil des Kosmos bleibt verborgen – egal ob man abends mit bloßem Auge an den Himmel blickt oder mit einem Großteleskop in der Atacama-Wüste ferne Galaxien beobachtet. Die Dunkle Materie steuert mit ihrer Anziehungskraft den Großteil des kosmischen Geschehens, die Dunkle Energie peitscht das Universum nun immer schneller auseinander. Die Forscher brauchen dringend eine gute Idee, räumt Bruno Leibundgut ein, der 1998 als junger Forscher an der mittlerweile mit einem Nobelpreis ausgezeichneten Entdeckung der Dunklen Energie beteiligt war.
Ein Teleskop
Ein Teleskop© Imago | UPI Photo
"Diese Dunkle Energie kommt zusätzlich zur Dunklen Materie hinzu, die schon vorher postuliert war, und für die die Physik eigentlich auch noch keine Erklärung hat. Jetzt haben wir auch noch die Dunkle Energie! Dunkle Energie und Dunkle Materie zusammen entsprechen so etwa 95 Prozent des Universums. Und die Physik hat keine Erklärung für – beide."
Beim Wort "beide" blitzt ein verschmitztes Lächeln auf. Wirklich klar ist in der Kosmologie also nicht viel: Das Universum scheint sich seit seiner Entstehung im Urknall vor etwa 14 Milliarden Jahren auszudehnen – und zwar immer schneller. Aus dem heißen Brei aus Materie und Strahlung unmittelbar nach dem Urknall ist heute ein Universum voller Galaxien, Sterne und Planeten geworden. Vieles andere bleibt buchstäblich im Dunklen. Doch dies muss einen nicht verzweifeln lassen. Denn der ebenso bunte wie geheimnisvolle Mix aus Dunkler Energie, sichtbarer und Dunkler Materie hat offenkundig ein wunderbares Universum entstehen lassen.

Sonnen und Erden soweit das Auge reicht

Zitat von Giordano Bruno:
"Einzig ist also der Himmel, der unermessliche Raum. In ihm sind zahlreiche Sterne, Sonnen und Erden sichtbar und müssen unzählige andre vernünftigerweise angenommen werden. Es gibt nicht eine einzige Welt, eine einzige Erde, eine einzige Sonne, sondern so viele Welten, wie wir leuchtende Funken über uns sehen."
Stefan Bauberger:
"Das ist natürlich eine interessante Frage, wie stehen wir als Menschen im Kosmos? Sind wir nur ein kleines zufälliges Ereignis, das da auch noch irgendwie herum wuselt auf irgend so einem verloren Planeten? Oder haben wir doch eine Signifikanz, eine Bedeutung in diesem ganzen Großen des Kosmos."
Giordano Bruno postulierte schon 1584 in seinem legendären Werk "Zwiegespräch vom unendlichen All und den Welten", dass die Sterne am Himmel nichts anderes als ferne Sonnen seien – umgeben von Planeten. Für diese fast gespenstisch moderne Ansicht wurde er 1600 auf dem Scheiterhaufen in Rom verbrannt. Heute faszinieren uns ferne Planeten im All – und mögliches Leben auf diesen Exoplaneten. Mittlerweile sind rund 4000 von ihnen bekannt. Diese Planeten sind etwas ganz Normales, allerdings nur mit Mühe zu beobachten:
Ansgar Reiners:
"Die Planeten werden nur angestrahlt von diesen Sternen. Sie sind wesentlich dunkler als die Sterne selbst leuchten. Deswegen sieht man da eigentlich gar nichts mehr von. Sie werden vollkommen vom Stern überstrahlt."
Ansgar Reiners, Astronomieprofessor an der Universität Göttingen, und seine Kollegen weltweit sehen zwar zahllose Sterne am Himmel, aber die Planeten direkt neben den Sternen blieben bis vor wenigen Jahren immer verborgen – so wie es unmöglich ist, aus großer Entfernung eine Mücke zu erkennen, die um ein Flutlicht schwirrt. Aber die Forscher haben sich eine clevere Methode überlegt, die Exoplaneten indirekt zu entdecken – der Schlüssel ist die Bewegung des Sterns.
"Der Stern bewegt sich ein kleines bisschen deshalb, weil der Planet ihn umkreist. Das bedeutet, dass auch der Stern sich dadurch ein kleines bisschen bewegt. Das können wir im Licht in einer kleinen Farbveränderung erkennen und diese Farbveränderung verrät uns, wie schwer der Planet ist."
Die Planetensuche wird in nicht allzu ferner Zukunft endgültig zur Lebenssuche. Da auch Ansgar Reiners und seine Kollegen nicht wissen, wie das Leben auf fernen Welten aussieht, setzen sie notgedrungen darauf, dass Leben an anderen Orten der Milchstraße ähnlich abläuft wie bei uns.
Die Raumsonde Juno vor dem Planeten Jupiter
Mit Raumsonden - wie hier der Sonde Juno - wird nach Leben im All gesucht. © Grafik NASA
"Eine Sache, die das Leben auf der Erde verrät, ist sicherlich Chlorophyll. Wenn sie irgend etwas Grünes auf einem anderen Planeten sehen, können sie davon ausgehen, dass da Pflanzen wachsen. Vielleicht wächst da aber auch irgendein Stoff, der lila ist oder so etwas, was wir auf der Erde nicht kennen. Wasser ist eines der Merkmale, nach dem gesucht wird. Kohlendioxid ist eine Spur, nach der gesucht wird, Sauerstoff ist ein Element, nach dem gesucht wird – eben alles Analogien aus unserer Atmosphäre."
Es wird noch mindestens 15 Jahre dauern, bis die Astronomen Teleskope zur Verfügung haben, um Atmosphäre und Oberfläche eines Exoplaneten zu untersuchen – und auch dann bräuchte man sehr, sehr viel Glück, tatsächlich einen belebten Planeten zu finden. So eine Entdeckung wäre ein epochaler Durchbruch – nicht nur rein naturwissenschaftlich. Der Jesuit, Physiker und Philosoph Stefan Bauberger:
"Dieses andere Leben, zumindest wenn es fühlendes Leben ist - interessanterweise sucht man immer nach intelligentem Leben, als ob Intelligenz das Maß aller Dinge wäre, ich würde sagen, fühlendes Leben ist viel wertvoller, da muss man mal darüber nachdenken, was sind eigentlich unsere Werte, die wir da hinein legen. Zumindest wenn es fühlendes Leben wäre oder überhaupt Leben, fände ich das wahnsinnig faszinierend. Und das wäre für mich eher noch ein Grund zu sagen, irgendwie ist es im Kosmos auch angelegt, dass eben Leben entstehen kann."
Selbst wenn sich eines Tages Leben im All fände, so wäre der Kontakt doch äußerst mühsam – allein schon wegen des großen Abstandes. Viele Sterne am Nachthimmel sind zwar nur einige Dutzend Lichtjahre entfernt – Leben auf ihren möglichen jedoch Planeten wäre schon so weit weg, dass oft mehr als ein Menschenleben verginge, um auf einen Funkspruch oder ein Lichtsignal eine Antwort zu bekommen. Der Kosmos mag vor Leben nur so wimmeln – doch auf der Erde sind wir wegen der gigantischen Distanzen auf uns allein gestellt.

Die Suche nach Gott und der große Zweifel

Zitat von Jabow Zeldovich:
"Kosmologen irren oft, doch nie quält sie ein Zweifel."
Stefan Bauberger:
"Wenn ich da hinaus blicke auf die Sterne und genauso, wenn ich in der Natur bin und Natur erlebe, da ist eine größere Wirklichkeit dahinter, aber das ist nur eine Metapher, oder mit dabei, die grundlegender ist als alles das. Und das ist die Wirklichkeit Gottes, so würde ich das ausdrücken."
Der russische Kosmologe Jakow Zeldovich ging mit seiner Zunft hart ins Gericht. Viele Theorien passten offensichtlich kaum zu den Daten, wurden aber dennoch munter weiter verfolgt. Mehr als 30 Jahre nach seinem Tod ist diese Kritik noch sehr aktuell – denn inzwischen hat so manche Theorie ihr Eigenleben entwickelt.
Joe Silk, renommierter Kosmologe an der Universität Oxford, räumt etwa ein, er habe durchaus schlaflose Nächte.
"Der Grund für die Schlaflosigkeit ist, dass wir die bizarren Eigenschaften des Universums mit Dunkler Materie und Dunkler Energie nur mit einer Theorie erklären können, die zugleich eine riesige Anzahl anderer Universen postuliert. Man spricht vom Multiversum. Mit dieser Inflations-Theorie stellen sich aber Fragen, die mit heutiger Physik nicht zu erklären sind, sondern wohl eher mit Metaphysik zu tun haben."
Ein Labyrinth aus einer mannshohen Hecke.
Die Kosmologie ist wie ein Labyrinth: Die Forscher müssen Umwege gehen - und das Ziel ist nicht sichtbar.© picture alliance / ZB / Matthias Hiekel
Nach der "Inflationstheorie" hat sich das Universum für einen winzigen Sekundenbruchteil nach dem Urknall unglaublich schnell aufgebläht, bevor die Ausdehnung im "normalen" Tempo weiter ging. Damit lassen sich recht gut die Anfänge des Universums und sein großräumiger Aufbau erklären. Doch während des Aufblähens müssten zahllose Paralleluniversen aufgeplatzt sein – es gibt demnach nicht nur ein Universum, sondern fast unendlich viele, ein jedes mit etwas anderen Eigenschaften. Dieses Modell ist so flexibel, manche sagen: beliebig, dass es sich an praktisch jede Beobachtung anpassen lässt. Doch damit führt die Inflation weniger zum Staunen als vielmehr zum Kopf-Schütteln. Joachim Wambsganß von der Uni Heidelberg:
"Nach den Wissenschaftsphilosophen ist eine wissenschaftliche Theorie dann eine gute, wenn sie falsifizierbar ist und natürlich auch durch Messungen bestätigt werden kann, also verifizierbar ist. Wenn eine Theorie sagt, ich kann alles erklären und egal, was ihr mit euren Instrumenten messen werdet, ich kann das in mein Modell einpassen, dann hat sie für mich keine große Aussagekraft."
Doch egal welche Schwächen auch immer die inflationäre Urknalltheorie aufweist. Bis heute ist sie das Beste, was die Forscher ersonnen haben. Keine andere Theorie führt die Beobachtungen im Kosmos so gut zusammen – oder anders formuliert: Alle anderen Theorien sind noch viel schlechter. Die Kosmologie ist wie ein riesiges Labyrinth: Es geht fast nie geradeaus. Oft müssen die Forscher Umwege gehen und niemand weiß, ob und wo die Irr-Wege ein Ende haben. Erweist sich auch die bisherige Theorie bald als Sackgasse? Andreas Tammann aus Basel, einer der erfahrensten Kosmologen unserer Zeit, empfiehlt angesichts der steten Mühen, das Universum zu verstehen, etwas mehr Demut:
"Letztlich, glaube ich persönlich, wird man das Universum überhaupt nie verstehen können. Der Urknall selber, mit dem das Universum anfing, wird letztlich immer eine Hypothese bleiben und wir werden auch zum Beispiel nie die Frage beurteilen können, ob das Universum endlich oder unendlich ist. Es gibt also Fragen, von denen ich glaube, die uns für immer verweigert sind."
Und selbst wenn der Urknall einmal verstanden wäre – dann blieben noch die Fragen, was - oder wer - ihn ausgelöst hat. Warum es ihn gegeben hat – und was davor war ...
(abr)
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