Kurz und kritisch

22.07.2012
Landolf Scherzer begibt sich auf die Spuren des chinesischen Wirtschaftswunders. In "Shangrila meines Herzens" beschreibt Gelongma Lama Palmo ihren Weg zur buddhistischen Priesterin. Zudem berichtet der koreanisch-stämmige Autor Martin Hyun wie er ein guter Deutscher wurde.
Madame Zhou und der Fahrradfriseur. Landolf Scherzer auf den Spuren des chinesischen Wunders, Aufbau Verlag Berlin.

An diesem Tische sitze China, erfuhr Landolf Scherzer bei einem Essen von seinen Gesprächspartnern: einem Unternehmer, einem taoistischen Abt, einem traditionellen Heiler und einem Mitglied der Kommunistischen Partei. Mit Wanderarbeitern, Bauern, Dienstmädchen oder Fahrradfriseuren müsse er dagegen nicht reden, um Chinas Aufstieg zur Wirtschaftsmacht zu verstehen.


Dabei zeigt sich der erfolgreiche Mittelstand durchaus stolz darauf, selbst aus einfachen Verhältnissen zu stammen, auch dann, wenn es Mao war, der intellektuelle Eltern zwangsweise in Fabriken oder aufs Feld geschickt hatte.

Der Schriftsteller notierte den gut gemeinten Rat, aber folgte ihm nicht, nutzte für seine Reportage all die Kontakte, die ihm Pekinger Freunde im Bekanntenkreis vermittelten. Dabei werde er nur Interessantes über Deutsche in China erfahren, zweifelten seine einheimischen Interviewpartner, um sogleich zu empfehlen, Chinesen am besten in Deutschland zu befragen, sollte er ehrliche Antworten hören wollen.

Allen, denen er seine immer gleichen Fragen stellte, war gemeinsam, dass sie sich für das Reich der Mitte einen harmonischen Wandel wünschten, Respekt der Menschen voreinander und weniger soziale Ungleichheit.

Shangrila meines Herzens. Gelongma Lama Palmo über ihren Weg zur buddhistischen Priesterin, Verlag Rütten&Loening Berlin.

Sie ist in Wien aufgewachsen, katholisch erzogen, arbeitete als Journalistin und Fotografin, entdeckte für sich den buddhistischen Glauben, entsagte Beruf und Familie - und aus Sabine Januschke wurde die Nonne und Priesterin Gelongma Lama Palmo, die ein religiöses Zentrum in Österreich leitet.


Obschon sie selbst Kleidung und Namen erkennbar gewechselt hat, hält sie es nicht für geboten, mit der spirituellen Tradition auch gleich die Kultur einer Region zu übernehmen, in der eine Religion entstanden ist. Sie wirbt dafür, sich als Europäer, als Deutsche, Österreicher oder Französin den Buddhismus zu erschließen.

Denn es ginge nicht darum, das Äußere zu ändern, sondern die innere Einstellung, um zu finden, was man suche. Sie beschreibt ihren Weg dahin, der sie durch viele Klöster Indiens und Nepals führte, und von ihr eine andauernde Selbstanalyse, intensives Studium und diszipliniertes Training verlangte.

Der Pfad Buddhas sei kein Kuschelkurs. Und Esoterik ist ihr fremd. Da sich religiöses Empfinden nur schwer vermitteln lässt, gewinnt sie durch die Art, wie sie erzählt. Kurz und prägnant beispielsweise charakterisiert sie die Weltreligionen: der Islam sei der Weg zum Frieden, das Christentum zur Nächstenliebe, das Judentum zur Einheit des Menschen mit Gott und der Buddhismus zur Herzensessenz.

Ohne Fleiß kein Reis. Martin Hyun berichtet, wie er ein guter Deutscher wurde, btb-Verlag München.

Martin Hyun hat koreanische Eltern. Und weil sein Vater nur gebrochen Deutsch spricht, schickte ihn die Familie eines Tages in die Volkshochschule. Doch dort belegte er lieber einen Kurs für Türkisch, um sich mit seinem Nachbarn verständigen zu können.

Als schlauen Fuchs, aber vor allem als streng schildert der Politologe und Eishockeyspieler seinen Vater, der seine Kinder wie kleine Soldaten über den Bildungsweg getrieben habe. Solche Erinnerungen lassen ihn zugleich fragen, welche Chancen denn für Migrantenkinder auf den fordernden Appell "Bildung, Bildung, Bildung" folgten. Kaum welche, antwortet er. Stattdessen würden sie diskriminiert.

Witzig, freundlich, zugleich tiefgründig und zuweilen scharf formuliert, spult er seine Erfahrungen mit der Integration ab. Harmlos wirkt noch, dass Kollegen von ihm wissen wollen, ob er sich über den Besuch des chinesischen Präsidenten freue.

Ernster wird es, sobald er sich ob seines Aussehens am Eingang des Bundestages schärfer kontrolliert sieht, im Bewerbungsgespräch für eine Stelle im öffentlichen Dienst nach seiner Loyalität gefragt wird, oder der Studienabschluss, den er als Deutscher im Ausland erworben hat, hierzulande nicht anerkannt werden soll.

Seinem Vater übrigens würde er ein Bundesverdienstkreuz verleihen - als rigorosem Vertreter der Integration.
Cover: Landolf Scherzer: "Madame Zhou und der Fahrradfriseur"
Cover Landolf Scherzer: "Madame Zhou und der Fahrradfriseur"© Aufbau Verlag Berlin
Cover: Gelongma Lama Palmo: "Shangrila meines Herzens"
Cover: Gelongma Lama Palmo: "Shangrila meines Herzens"© Verlag Rütten&Loening Berlin
Cover: Martin Hyun: "Ohne Fleiß kein Reis"
Cover: Martin Hyun: "Ohne Fleiß kein Reis"© btb-Verlag München