Freitag, 29. März 2024

Archiv

Philae-Landemission
"Ich bin ein Optimist"

Seine größte Angst sei, dass sich der Philae-Lander beim Auftreffen auf den Kometen überschlagen könnte, sagte der für die Landemission verantwortliche Forscher Stephan Ulamec vor ihrer spannenden Schlussphase. Denn an der Flugbahn des Landemoduls könne man nach seiner Abtrennung von der Rosetta-Sonde nichts mehr korrigieren.

Stephan Ulamec im Gespräch mit Ralf Krauter | 12.11.2014
    Der Projektleiter von der Landeeinheit "Philae", Stephan Ulamec, sitzt in Weßling (Bayern) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) neben einer Versuchsanordnung mit der die Harpune von "Philae" getestet werden soll.
    Der Projektleiter von der Landeeinheit "Philae", Stephan Ulamec. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Ralf Krauter: Wir wollen den Mann zu Wort kommen lassen, der für die Philae-Landung auf dem Kometen "Tschuri" verantwortlich ist. Er heißt Dr. Stephan Ulamec, arbeitet beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, und hat sein halbes Berufsleben mit der Vorbereitung dieser Mission verbracht. Heute nun soll er "Philae heil auf "Agilkia" aufzusetzen, dem etwa kilometergroßen Landeplatz auf dem sonnenbeschienen Kopf des badeentenförmigen Kometen. Neben flachem Terrain finden sich im Zielgebiet allerdings auch haushohe Eisbrocken, sowie 200 Meter hohe Steilhänge. Ich habe Stephan Ulamec deshalb vor der Sendung gefragt: Warum haben Sie und ihre Leute genau diesen Landeplatz gewählt?
    Stephan Ulamec: Wir haben diesen Platz gewählt, weil er, obwohl es auch dort Trümmerbrocken gibt und Kliffs, wie Sie sagen, immer noch relativ flach ist. Auf dem ganzen Kometen gibt es kein wirklich flaches Terrain, das eben so einen ganzen Quadratkilometer keine Brocken hätte oder keine Kliffs oder Gletscherspalten hätte.
    Abgesehen jetzt wirklich von der Flachheit des Terrains waren wichtige Parameter bei der Auswahl auch die Beleuchtung. Wir wollen natürlich an einem Ort landen, der eher auf der Sommerhemisphäre ist, dass wir also mehr Tagesperiode, mehr beleuchtete Zeit haben als bei dunkler Nacht, was vor allem für den Langzeitbetrieb mit Solargenerator wichtig ist.
    Ein anderes wichtiges Kriterium war das Abstiegsszenario selbst. Man kann auf so einem badeentenförmigen Körper, wie Sie sagen, nicht überall gleich gut landen. Am Kopf können wir mit einer relativ kurzen Abstiegszeit, in dem Fall etwa sieben Stunden, landen. Das wäre bei einigen anderen Gegenden auch nicht so gegangen oder man hätte längere Abstiegsszenarien gebraucht. Und auf manchen Gegenden kann man überhaupt nicht landen, etwa in der Nacken-/Halsregion von dieser Ente, um beim Analogon zu bleiben.
    Krauter: Haben Sie nach dem Abtrennen von Philae von der Muttersonde überhaupt noch irgendwelche Steuer- und Eingriffsmöglichkeiten auf das, was die Landesonde macht?
    Ulamec: Man kann den Lander nach wie vor kommandieren. Man kann Kommandos schicken. Wir bekommen auch Telemetrie, also House-Keeping-Daten nennt man das - wie geht es dem Lander, welche Temperatur, wie sind die Ströme, wie sind die einzelnen Einheiten, sind sie eingeschaltet? Da kann man kommandieren. Was man wirklich nicht kann, ist, die Bahn noch einmal korrigieren. Wenn der Lander abgetrennt ist, dann fällt er wirklich, dann muss man eben hoffen, dass er wirklich in einem Gebiet innerhalb dieser Landeellipse landet, das schön flach ist. Da kann man nichts mehr korrigieren.
    Philae ist mit "Gehgeschwindigkeit" unterwegs
    Krauter: Das heißt dann aber auch, wenn da dann ein Brocken oder ein Kliff im Weg wäre, dann könnten Sie nichts machen, dann würde der einfach dagegen fliegen und zerschellen?
    Ulamec: Er würde nicht zerschellen, weil die Geschwindigkeit ist ja gering, ist mehr so Gehgeschwindigkeit. Aber er könnte beim Auftreffen sich überschlagen. Und das wäre schlimm genug, vor allem, wenn er dann eben irgendwie mit den Beinen nach oben und der Antenne nach unten am Boden zu liegen käme, dann könnten wir nicht mehr mit dem Lander kommunizieren. Und das wäre doch das Ende der Mission.
    Krauter: Wie schätzen Sie persönlich die Chancen auf einen kontrollierten Touchdown ein?
    Ulamec: Ich bin ein Optimist. Ich hoffe natürlich schon, dass wir gut landen, und ich bin auch zuversichtlich. Aber ich bin auch Realist, und man muss eben sehen, dass durchaus man mit der Möglichkeit rechnen muss, dass wir eben Pech haben und auf einem dieser Brocken mit einem Bein landen oder genau durch Zufall einfach Pech haben, an so einem steilen Abhang, und dass die Mission nicht glückt. Das ist ein Risiko, damit muss man auch rechnen.
    Krauter: Und wie real ist die Gefahr, dass nach einem erfolgreichen Touchdown der Lander vielleicht doch einfach nur abprallt und wieder unkontrolliert ins All abdriftet?
    Ulamec: Nun, wir haben sehr viel unternommen, um genau dieses Abprallen zu verhindern. Wir haben einen Dämpfungsmechanismus im Landebein, wir haben zwei Ankerharpunen, die feuern ein Kaltgassystem beim Touchdown selbst. Wir haben zusätzlich noch so Eisschrauben in den Füßen. Ich glaube, wir haben da sehr viel unternommen, um genau dieses Abprallen zu vermeiden, das ja auch bei weichem Kometenmaterial gar nicht so kritisch wäre wie beim harten und festem Eis. Ich persönlich habe ein bisschen mehr Angst wirklich vorm Überschlagen, wenn wir Pech haben und genau auf einem Brocken landen oder an so einem Kliff.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.