Kunsthandel ist kein krimineller Markt

René Allonge im Gespräch mit Gabi Wuttke · 27.01.2012
Im Kunstfälscher-Fall Beltracchi habe es gewisse Sorgfaltspflichtverletzungen gegeben, gesteht der Berliner Kriminalhauptkommissar René Allonge. Aus diesen Fehlern müsse man lernen und dem Kunsthandel eine Chance geben, in Zukunft für einen sicheren Kunsthandel zu sorgen.
Gabi Wuttke: "Kunstkriminalität und Kunstrestitution" - das ist das Motto des Kunstsachverständigentages, der heute in Berlin stattfindet, zum 13. Mal und zum ersten, seit die milden Urteile im größten Kunstfälscherprozess Deutschlands gefällt und die weiteren Ermittlungen gegen Galeristen und Kunstexperten damit eingestellt wurden.

Den ersten Vortrag heute Vormittag wird Kriminalhauptkommissar René Allonge halten. Er hat im Beltracchi-Fall für das Landeskriminalamt Berlin ermittelt und war so frustriert darüber, dass die Verurteilten sofort auf freien Fuß kamen, dass er der Verkündung im Oktober in Köln fern blieb. Jetzt ist er am Telefon. Guten Morgen, Herr Allonge.

René Allonge: Schönen guten Morgen.

Wuttke: Werden Sie den Kunstsachverständigen, die organisiert sind in einem Verband, heute erklären, wie gut entwickelt die Kriminaltechnik bei Kunstdelikten ist, oder werden Sie vorsorglich allen ein bisschen ins Gewissen reden?

Allonge: Es wird in erster Linie in meinem Vortrag darum gehen, die Arbeit der Dienststelle hier im Landeskriminalamt Berlin für Kunstkriminalität darzustellen, einige Fälle zu präsentieren und natürlich auch über einige Versäumnisse und Mängel im Kunsthandel zu sprechen.

Wuttke: Das heißt, welche Mängel genau werden Sie ansprechen?

Allonge: Wir sehen natürlich rückblickend, wenn wir solche Ermittlungen führen, dass gewisse Sachen vielleicht einer anderen Sorgfalt bedurft hätten, und das haben wir auch im Fall Beltracchi gesehen. Da gab es gewisse Sorgfaltspflichtverletzungen, die wir feststellen mussten. Und es gilt, daraus, aus diesen Fehlern zu lernen und auch dem Handel eine Chance zu geben, in Zukunft es besser zu machen und für einen sicheren Kunsthandel zu sorgen.

Wuttke: Sie haben durch Ihre Arbeit in der Abteilung Kunstdelikte dazu beigetragen, dass auch festgestellt werden konnte, was nun eigentlich eine Fälschung ist. Vielleicht lassen Sie uns einfach mal ein bisschen in Ihre Arbeit hineinsehen. Sie haben ein Bild vor sich - wie überprüfen Sie, ob es echt ist oder eine Fälschung?

Allonge: In erster Linie verschaffen wir uns erst mal einen objektiven Eindruck von den Werken. Dabei geht es um gewisses Abprüfen von Plausibilitäten, welchen Zustand hat dieses Werk, riecht es vielleicht noch nach Farbe, hat es ein Craquelé.

Wuttke: Was ist das?

Allonge: Das sind gewisse Erscheinungen auf der Leinwandoberfläche, sogenannte Rissbildungen in den oberen Malschichten, und die bilden sich halt nach gewissen Zeiten aus auf den Werken, entstehen durch Deformationen der Leinwände, und das sehen wir insbesondere bei älteren Werken, auch bedingt durch Farbaustrocknungen werden diese Zustände hervorgerufen. Das heißt also, ein expressionistisches Werk von beispielsweise Pechstein sollte schon gewisse Alterungsspuren haben, und nach denen suchen wir.

Wir vergleichen, ob dieser Zustand halt plausibel ist zu dem, was uns gesagt wird auch zur Herkunft dieses Werkes, und werden dann aber auch recht schnell mit den Experten, zum Beispiel den Verfassern der Wertverzeichnisse, Kontakt aufnehmen, denn von dort bekommen wir meistens die verbindliche Auskunft, es könnte sich um ein authentisches Werk handeln, oder hier sind gewisse Zweifel angebracht.

Dennoch heißt dieses Urteil, was ja erst mal nur auf stilistische Gegebenheiten basiert, nicht automatisch, dass es auch wirklich eine Fälschung ist. Oftmals bedarf es dann auch noch einer naturwissenschaftlichen Untersuchung, und dazu sind wir hier auch im Hause bei uns in der Kriminaltechnik sehr gut aufgestellt und wir haben darüber hinaus hier in Berlin das renommierte Rathgen-Forschungslabor, in dem also auch Bilder aus der Sammlung Jägers untersucht wurden.

Wuttke: Aber ich darf Sie trotzdem mal ganz persönlich fragen: Das was Kunstexperten im Fall Beltracchi nicht wahrgenommen haben, wenn sie denn eine Fälschung zum Original erklärten - Ihnen fiel das ziemlich schnell auf, dass da was nicht stimmen kann?

Allonge: Rückblickend ist es immer einfacher, über diese Umstände zu urteilen. Wir haben natürlich eine Gesamtheit gesehen. Irgendwann setzten sich mehrere Puzzle zusammen und wir haben also einen sehr großen Überblick über das Gesamtwerk erhalten, was der Fälscher Beltracchi und seine Gehilfen auf den Markt gebracht haben. Und wenn man diese Sachen nebeneinanderlegt, dann erkennt man auch sehr schnell, wo die Mängel lagen und die Versäumnisse.

Wuttke: Die Angeklagten in Köln haben ja zu Protokoll gegeben, der Kunstmarkt sei so verdorben, dass es ihnen leicht gemacht wurde. Würden Sie da tendenziell zumindest mitgehen?

Allonge: Nein, das würde ich nicht. Das ist eine einseitige Sichtweise der Verurteilten, die man auch gerne vorbringt, um, sage ich mal, den Handel allgemein in eine schlechte Stimmung und in ein schlechtes Licht zu setzen. Wir können nicht per se sagen und auch durch unsere Arbeit nicht per se feststellen, dass der Kunsthandel allgemein ein krimineller Markt ist. Es ist natürlich so, dass am Markt ein Bedarf ist an Werken, und der muss irgendwie gestillt werden. Das Geld ist da und die Leute wollen ihr Geld auch bevorzugt in Kunst investieren und erhoffen sich natürlich auch Gewinne daraus, und da liegt genau die Gefahr in diesem ganzen Handel im Moment.

Wuttke: Drei Monate nach dem Urteil, Herr Allonge - denken Sie immer noch daran, dass weitere Fälschungen ja im Umlauf sind, oder blicken Sie inzwischen voraus, wie so ein Fall in der Zukunft unmöglich gemacht werden kann?

Allonge: Wir erfahren natürlich auch nach Abschluss solcher Ermittlungen und nach der Verurteilung immer wieder von Werken, wo also auch die Vermutung naheliegt, dass die aus der Hand des Fälschers Wolfgang Beltracchi sind. Wir gehen diesen Hinweisen natürlich nach und werden das den Justizbehörden vorlegen und dort wird die Entscheidung getroffen, ob diese Fälle, die uns jetzt noch bekannt werden, auch weiterverfolgt werden.

Wuttke: Das heißt, in gewisser Weise wird also weiter ermittelt im Fall Beltracchi?

Allonge: Es wird zwangsläufig weiterermittelt, denn wenn uns jemand als Ermittlungsbehörde in Kenntnis davon setzt, dass hier ein strafbarer Vorgang, also möglicherweise das in Verkehr bringen weiterer Fälschungen durch die Verurteilten erfolgte, dann müssen wir weiterermitteln. Das ist unser gesetzlicher Auftrag und das machen wir auch.

Wuttke: Kunstkriminalität - Thema auf dem heutigen Kunstsachverständigentag in Berlin. Referent wird René Allonge sein, der im Fall Beltracchi für das Landeskriminalamt Berlin als Kriminalhauptkommissar ermittelte. Herr Allonge, ich danke Ihnen sehr, für Ihre weitere Arbeit viel Erfolg.

Allonge: Herzlichen Dank.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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