Kunst gegen Alltagsrassismus

Provokante Shirts gegen Ausgrenzung

Ein Graffiti "Stop Rassismus" am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg
Berlin zeigt gerne Flagge gegen Rassismus - hier in einem Graffiti am Kottbusser Tor. Der Alltag von Schwarzen ist dennoch von Ausgrenzung geprägt. © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Martin Böttcher · 29.04.2017
Berlin inszeniert sich gern als weltoffen und liberal. Aber auch in Szenevierteln erleben beispielsweise schwarze Schwule alltäglich Ausgrenzungen. Der Künstler Isaiah Lopaz reagiert mit provokanten Shirts darauf, die den Rassismus zurückspiegeln.
Es ist kompliziert mit Isaiah Lopaz und der Stadt, in der er seit zehn Jahren lebt. Isaiah ist 37 Jahre alt, kommt ursprünglich aus Los Angeles, hat schon in Amsterdam gewohnt – und merkte von Anfang an, dass Berlin ein bisschen anders ist: Schwarz und schwul, da glaubten viele Leute schnell, alles Wichtige über ihn zu wissen. Und ließen Sätze ab, die nicht abgelassen werden sollten, im Supermarkt, auf der Straße, in Beziehungen. Sätze wie: "Du bist wirklich schön, obwohl Du schwarz bist. Wo kommst Du denn wirklich her? Und wann gehst Du dorthin zurück? Hey, wo gibt es Drogen?"
Berlin, die große, ach so moderne Spielwiese, in der sich jeder austoben kann, ohne dass sich andere daran stören? Nicht für Isaiah Lopaz, wie er sagt:
"Berlin ist Teil einer Nation mit einer rassistischen Kolonialvergangenheit. Das klingt für mich nicht nach wunderbarer Utopie! Ich frage mich auch, für wen diese Stadt offen und liberal ist. Hier werden Menschen systematisch ausgegrenzt und an den Rand gedrängt, wo sie dieses Gefühl von Weltoffenheit und Freiheit nicht auskosten können."

Provokant gegen Alltagsrassismus

Aber was tun angesichts der nicht abreißenden rassistischen und homophoben Beleidigungen? Der Künstler in Isaiah Lopaz ging die Sache offensiv an. Aus der langen Liste an blöden Sprüchen nahm er die, die keiner großen Erklärung bedurften – und druckte sie auf T-Shirts: "You have no culture because you come from slaves / I never had sex with a black guy before!"
Sätze, schwarz auf weiß, die durch die einfachen großen Buchstaben so hart und so dumm wirken, wie sie zum Teil gemeint waren. Lopaz lässt sich mit den Shirts in der Stadt fotografieren und packt sie auf sein Blog "Him Noir". Ohne eine Miene zu verziehen, sieht er in die Kamera. Auf einem Shirt steht nur ein einzelnes Wort: Das N-Wort.
Isaiah Lopaz dazu: "Es ist nicht schön und auch nicht glamourös, sich so fotografieren zu lassen. Ich versuche da auch nicht, attraktiv zu sein, ich stehe einfach nur irgendwo in der Stadt rum und lasse meine Erfahrungen mit der Kamera festhalten."

Wer Dreads hat, gilt als Drogendealer

Isaiahs beste Freunde leben in Berlin, Das hält ihn hier. Vor einiger Zeit hat er sich aber auch seine Dreadlocks abgeschnitten, um nicht mehr als Drogendealer verdächtigt zu werden. Weil es funktioniert hat – er wird nicht mehr nach Drogen gefragt, jedenfalls nicht mehr so oft – auch ein Akt der Befreiung. So wie die Kunstaktion mit den Shirts.
"Die Bilder lassen mich nicht glauben, ich könnte diese rassistischen Vorfälle kontrollieren. Aber sie erinnern mich daran, wie lächerlich es ist, dass ich so ausgegrenzt werde. Und das wegen eines willkürlichen Konstrukts, an dem Menschen seit Jahrhunderten festhalten und andem sie wohl noch lange festhalten werden, nachdem meine Knochen längst zu Staub zerfallen sind."

Ein Projekt für die Black Community

Isaiah Lopaz hat Wellen geschlagen mit seinem Kunstprojekt. Vielleicht auch deshalb, weil er die Beleidigungen nicht benutzt, um daraus Profit zu schlagen: die Shirts gibt es nicht zu kaufen. Er hat den Alltagsrassismus, der ihm entgegenschlägt, zunächst heruntergeschluckt, jetzt hält er ihm den Spiegel vor – und zieht aus den Reaktionen das Gefühl der Selbstermächtigung. In der Black Community weit über Berlin heraus, so erzählt er, seien diese Reaktionen sehr positiv. Und die der weißen Mehrheitsgesellschaft?
"Ich habe auf mein Projekt sehr viele und sehr unterschiedliche Reaktionen von Weißen bekommen. Aber ganz ehrlich: die interessieren mich nicht so. Ich mache das nämlich für meine Leute, für meine Communities."
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