Kultursymposium Weimar

Welche Moral brauchen Maschinen?

50:40 Minuten
Eine Grafik, die Datenströme darstellt.
Auf dem Kultursymposium Weimar ging es dieses Jahr vor allem um Künstliche Intelligenz. © Kultursymposium Weimar / Marco Buetikofer / Lotte Effinger
Moderation: Vera Linß und Marcus Richter · 22.06.2019
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Künstliche Intelligenz wird ständig zur einflussreichsten Technologie erklärt. Doch noch immer weiß kaum jemand, welche Intelligenz damit gemeint ist und welche Moral diese haben wird. Eine Breitband-Sondersendung vom Kultursymposium Weimar.
Dass Künstliche Intelligenz eine der Technologien sein wird, die auf die jetzige und zukünftige Gesellschaft einen enormen, vielleicht sogar den größten Einfluss haben werden, darüber ist sich mittlerweile der Großteil der ExpertInnen einig. Doch damit hört es auch schon auf: So ist nicht einmal geklärt, welcher Begriff der Intelligenz hinter der Künstlichen Intelligenz liegt.
Genau deswegen ist es auch so schwierig, schon jetzt über die Probleme zu sprechen, vor die uns Künstliche Intelligenz stellen wird, wie zum Beispiel bei der algorithmischen Entscheidungsfindung. Wo muss wie eingegriffen werden, um vor allem ethische Grundsätze einzuhalten – und welche eigentlich?
An welchen Punkten hat die aktuelle Debatte Substanz und wo dient sie als Feigenblatt, um sich vor der eigenen Verantwortlichkeit zu drücken?
Darüber haben Vera Linß und Marcus Richter am 20.06.2019 auf dem Kultursymposium Weimar mit Gästen diskutiert.

Redebedarf über KI

Julia Schneider ist Beraterin der KI-Szene und arbeitet unter anderem mit dem Verband der Exoskelett-Industrie. Aber sie ist auch, zusammen mit Lena Kadriye Ziyal, Co-Autorin des Comics "We Need to Talk, AI - A Comic Essay on Artificial Intelligence".

Julia Schneider: "Uns ging es darum eine breite Debatte anzustoßen. Denn Technologie ist nie neutral. Technologie ist immer eingebettet in gesellschaftlichen Kontext und deswegen sind verschiedene Sichtweisen darauf sehr wichtig. Comics sind ein guter Weg komplexe Dinge zu erklären."

Sie ist außerdem der Meinung, dass es staatliche Regulierung braucht, um ethische Grundsätze für KIs zu etablieren.

Wirtschaft und KI

Timo Daum ist Hochschullehrer in den Bereichen Online, Medien und Digitale Ökonomie, hat Physik studiert und zwei Jahrzehnte in der IT-Branche gearbeitet. In seinen Büchern hat er sich mit der Dynamik des digitalen Kapitalismus auseinandergesetzt und mit der Rolle, die Künstliche Intelligenz darin spielt. Er beschreibt darin nicht die Technologie an sich, sondern als Teil des kapitalistischen Wirtschaftssystems.

Timo Daum: "Ich sehe eine Parallele zum Frühkapitalismus, also, eine neue Phase ist gerade erst angebrochen und die Staaten, die Politik sind notorisch überfordert mit dieser Entwicklung und den Versuchen, sie irgendwie zu kanalisieren."

Kunst, Musik und Künstliche Intelligenz

Andreas Dzialocha hat Musik, Medienphilosophie, Informatik und Kunstgeschichte studiert. Er ist Musiker und Softwareentwickler. Und unter anderem Mitglied der AI Unit, ein Netzwerk für Kunstprojekte, die maschinelles Lernen einsetzen.

Andreas Dzialocha: "Künstliche Intelligenz funktioniert dann gut, wenn Daten relativ gleichartig sind. Nicht-Normativität findet deshalb weniger statt. Und so ähnlich ist das auch in der Musik: Johann Sebastian Bach funktioniert hervorragend, lässt sich gut von einer KI erlernen, Wagner ist schwieriger. Auch wenn er weit davon entfernt war, queer zu sein."

Nathalie Weidenfeld ist Kultur- und Filmwissenschaftlerin und lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München amerikanische Filmtheorie. Sie ist Co-Autorin des Buches "Digitaler Humanismus. Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz". Hier beschäftigt sie sich mit den kulturellen Obsessionen und Ängsten, die wir mit KI verbinden und fragt, wie sich diese visuell und narrativ in der Fiktion widerspiegelt.

Nathalie Weidenfeld: "Ich hätte nie gedacht, dass eine Literatur- und Filmwissenschaftlerin vor Literatur und Film warnen würde, aber das möchte ich tun. Denn diese Bilder haben eine große Macht, sie sind nicht nur Ausdruck von den Ängsten die wir haben, sondern sie wirken auch wieder auf uns zurück und schüren Ängste und auch Hoffnungen."

Die Moderaoren Vera Linß und Marcus Richter sitzen vor Filmplakaten im Weimarer Kino Lichthaus.
Die Moderatoren Vera Linß und Marcus Richter auf dem Kultursymposium Weimar.© Jana Wuttke

Das Kultursymposium Weimar

Das Kultursymposium Weimar ist eine Veranstaltungsreihe des Goethe-Instituts, in der globale Gesellschaftsfragen mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Disziplinen aus aller Welt diskutiert werden.
Für drei Tage kommen auf dem Kultursymposium Weimar jeweils mehr als 300 Teilnehmende aus der ganzen Welt zusammen, darunter VertreterIinnen von Wissenschaft, Kultur, Politik, Wirtschaft, Journalismus und Publizistik. Die diesjährige Ausgabe trug den Titel "Die Route wird neu berechnet".
Deutschlandfunk Kultur war Medienpartner des Kultursymposiums Weimar.

Team

Moderation: Vera Linß und Marcus Richter
Redaktion: Vera Linß, Marcus Richter, Jana Wuttke
Web: Jochen Dreier
Musik: Ausschnitte aus KI-Kompositionen und KI-Musik von Andreas Dzialocha, der AI Unit und den Dresdner Sinfonikern
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