Kulturpolitik in Landes-Wahlprogrammen

Keine Freiheit für Presse und Kunst bei der AfD

Ein Plakat der Alternative für Deutschland auf einer Litfasssäule
Alternative für Deutschland © dpa/Marc Müller
Von Arno Orzessek · 12.03.2016
Glaubt man den Umfragen, dürfte die Alternative für Deutschland (AfD) an diesem Sonntag in die Landtage von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt einziehen. Koalieren will mit ihr allerdings niemand. Warum, zeigt auch die Kulturpolitik in ihren Wahlprogrammen.
Durch Deutschland muss ein Ruck gehen, und zwar ein tüchtiger Rechtsruck: Auf dieses Ansinnen lassen sich die Landes-Wahlprogramme der AfD im Zweifel verknappen. Was die angestrebte Kehre für Kunst, Wissenschaft, Bildung und Medien bedeuten würde, führt die AfD Sachsen-Anhalt am wortreichsten aus und widmet der "Kulturpolitik" sogar eine eigene Passage.
Die dort geforderte "Pflege der deutschen Leitkultur" dürfte in der sogenannten Mitte der Gesellschaft, die genau darüber ja oft diskutiert hat, kaum Stirnrunzeln hervorrufen. Gäbe es nicht den angriffslustigen Unterpunkt "Identitätsstiftende Kulturpflege statt nichtssagender Unterhaltung!" Hier offenbart die Landes-AfD beides: ihren provinziellen Horizont und ihren Willen zur Zensur.
"Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern. Die Bühnen des Landes Sachsen-Anhalt sollen neben den großen klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen."
Wer künftig über den Identitätsstiftungs-Gehalt der Kunst entscheiden soll, das verschweigt das Programm. Und es verrät auch nicht, mit welchen Repressalien Regisseure zu rechnen hätten, deren Inszenierungen etwa durch liberale Weltläufigkeit oder gar freche Gesellschaftskritik auffallen.
Fest steht, dass sich die AfD selbst im Besitz der korrekten Maßstäbe wähnt und sie deshalb auch den Medien aufnötigen möchte. Das belegt eine familienpolitische Passage im Wahlprogramm für Baden-Württemberg:
"Die AfD will auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einwirken und auch im Bildungsbereich Anstrengungen unternehmen, damit Ehe und Familie positiv dargestellt werden."
Apropos Bildung!
"Deutsche Studiengänge wiedereinführen – Bologna abwickeln!", macht sich die AfD in Sachsen-Anhalt für Magister- und Diplom-Abschlüsse und im Grunde für ein Studium nach Humboldtschem Ideal stark. Womit sie auf der Linie vieler Bologna-Kritiker jeder Couleur liegt.

Es offenbaren sich einige nationalistisch-autoritäre Tendenzen

Auch dass Genderstudien gestrichen werden sollen, ist außerhalb rechts-nationaler Kreise diskutabel. Zumal die AfD den Komplex "Geschlechterfragen" nicht generell tilgen, sondern künftig von jenen Disziplinen behandelt wissen will, die sich schon vor dem Gender-Boom darum gekümmert haben.
In puncto schulischer Erziehung pfeift die Partei auf die neumodische, wenn nicht gleich die gesamte neuzeitliche Pädagogik und fordert, was nicht nur in streng konservativen Zirkeln konsensfähig ist - nämlich: "Tugenden vermitteln!"
"Schule ist auch eine Sozialisationsinstanz. Neben grundlegenden Kulturtechniken müssen deshalb ebenso die klassisch preußischen Tugenden Geradlinigkeit, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnungssinn, Fleiß und Pflichtbewusstsein vermittelt werden."
Dass die sachsen-anhaltinische AfD aber auch bereit ist, wie dunnemals Don Quichotte gegen die immer gleichen Windmühlen zu kämpfen, zeigt ihr Einsatz für Sprachreinheit - der sich keineswegs darin erschöpft, Imamen beim Predigen Deutsch vorzuschreiben.
"Wir wollen weniger Anglizismen und Englisch im öffentlichen Sprachgebrauch [...]. [Denn] Unser Deutsch ist eine der großen Kultursprachen des Abendlandes, die meistgesprochene Sprache in der EU und nach Englisch und Spanisch die meistgelernte Fremdsprache der Welt."
Ach ja. Einen musikalischen Party-Tipp enthält das Wahlprogramm auch, zumindest für alle, die auf Partys gern ums Goldene Kalb Deutschland tanzen:
"Das Singen der Nationalhymne bei feierlichen Anlässen sollte bei uns [...] selbstverständlich sein."
Es wäre billige Polemik, den Landeswahlprogrammen kulturpolitische Gleichschaltungs-Fantasien im braunen Sinne des Wortes anzukreiden. Sehr wohl aber offenbaren sich in den Einzelheiten einige nationalistisch-autoritäre Tendenzen, die auch einen Jarosław Kaczynski oder Recep Tayyip Erdogan schmücken würden.
Wie bedenklich diese Tendenzen sind, entscheidet sich nicht zuletzt an diesem Sonntag an den Wahlurnen. Bis dahin gilt: Präpotente Kraftmeierei war in Deutschland schon immer typisch für politische Parvenüs.
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