Kulturhauptstadt Europas 2017 Paphos

Wo Kultur die Teilung überwinden hilft

Wandbild an einem Haus in Paphos. Die Hafenstadt auf der geteilten Insel Zypern trägt gemeinsam mit dem dänischen Aarhus den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2017.
Wandbild an einem Haus in Paphos © picture alliance / dpa / epa / Constantinos Lakros
Von Michael Lehmann · 01.01.2017
Paphos ist gemeinsam mit dem dänischen Aarhus Kulturhauptstadt Europas 2017: Im Südwesten von Zypern erwarten die Besucher antike Schätze. Das Programm im Kulturjahr wird dort auch getragen von der Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der geteilten Insel.
Es sind die Baumaschinen der Neuzeit, die auf Paphos seit Monaten auf diesen einen Termin hinarbeiten - auf den 28. Januar. An diesem Tag wird mit einem Kulturspektakel unter freiem Himmel die offizielle Eröffnungsfeier beginnen. Ganz Europa soll seine Blicke auf die Kulturhauptstadt 2017 richten. Dafür ist viel Geld investiert worden in der bei Zypern-Touristen seit Jahrzehnten sehr beliebten Stadt, die den Titel gemeinsam mit dem dänischen Aarhus trägt. 2017 soll das Jahr werden, in dem Zypern auch Gästen, die das Land noch nicht kennen, all seine Schätze präsentieren kann. Schätze, die sich über Jahrtausende im Einflussgebiet vieler Kulturen entwickelt haben.

Sehenswerte antike Kunstschätze

Dimitri Michailidis, ein Archäologe und besonders erfahrenes Mitglied des Organisationskomitees in Paphos erklärt, warum seine Heimatstadt klassische Griechenland-Touristen, die zum ersten Mal Zypern besuchen, staunen lässt. Ähnlich wie schon die ersten Entdecker des Aphrodite-Heiligtums in Alt-Paphos. Die hatten dieses Heiligtum beim Erkunden aus Unwissenheit zerstört:
"Die Leute haben nach einem Tempel gesucht, nach einem klassischen Tempel wie dem Parthenon. Ihnen war damals nicht klar, dass es solche Anlagen im östlichen Mittelmeerraum gar nicht gab. Das Heiligtum war nach orientalischem Vorbild gebaut worden, als offene Fläche unter freiem Himmel. Während sie also vergeblich nach Überresten eines Tempels gruben, haben sie damit das Heiligtum zerstört, eben weil sie es nicht besser wussten"
Die zweite Hauptattraktion der Insel sind die prächtigen Bodenmosaiken aus römischer Zeit. Über Jahrhunderte waren sie unter der Erde auf einem ziemlich unscheinbaren Grundstück verschüttet:
"Erst zu Beginn der 1960er-Jahre war der damalige türkisch-zyprische Besitzer dieses Grundstücks beim Pflügen auf Mosaiksteine gestoßen. Das Haus dieses Mannes steht heute noch. Darin ist jetzt das Labor, in dem die Mosaiksteine konserviert werden."
Mosaik "Ein Jäger greift mit dem Speer einen Löwen an", Haus des Dionysos, die südliche Porticus, Raum 12, Archäologischer Park, Paphos im griechischen Teil der Insel Zypern
Das Mosaik "Ein Jäger greift mit dem Speer einen Löwen an" im Archäologischen Park von Paphos© picture alliance / dpa / Friedel Gierth

Perspektiven vom Rand Europas

"Wir werden es schaffen":Diese Schilder sind immer wieder im Straßenbild von Paphos zu sehen, der Veranstaltungs-Plan für mehr als 350 Veranstaltungen im Kulturjahr könnte im Prinzip schon ausgehängt werden - aber, hier soll gewollt vieles fließend entstehen und weiterentwickelt werden Nach Paphos, in die Kulturhauptstadt am äußersten Rand Europas, werden Künstler aus Europa und dem Nahen Osten kommen. Ein Konzert der Berliner Philharmoniker soll es geben am 1. Mai. Und ein Ensemble aus Aleppo wird mitten in der Kulturhauptstadt Europas zeigen, wie nahe das Leid eines unbeherrschbaren Kriegs gerade aus zyprischer Perspektive ist.
Ein "Garden of Taste" lädt in der Altstadt von Paphos bereits jetzt schon zu Begegnungen der verschiedenen Kochkulturen und wird die Gäste der Stadt erleben lassen, wie arabische Küche, mediterraner Kochstil und klassisch griechische Elemente sich zu zyprischen Rezepturen verschmolzen haben. Mit oft sehr eigenen persönlichen Noten.
Dimitris Nikolou, der Wirt am Rathausplatz von Paphos, mariniert sein Hühnchen mit Knoblauch, Honig, Basilikum - und Cola! Crossover könnte man diesen Stil nennen, der auf Zypern aber seit Jahrhunderten selbstverständlich ist und Einflüsse der östlichen Nachbarländer spüren lässt, etwa die Spuren von Minze im zyprisch-griechischen Tsatziki.

Große Hoffnung auf eine Wiedervereinigung

Näher als alle anderen Nachbarn sind auch den Menschen in Paphos die Nachbarn im Norden der geteilten Insel. Viel Hoffnung gab und gibt es auf eine Wiedervereinigung mit dem zyprisch-türkischen Teil. Elena Taliotu, die Rechtsanwältin beschreibt, warum der jetzige Zustand eigentlich nicht zum Glanz einer Kulturhauptstadt passt:
"Neulich habe ich zufällig eine türkische Familie getroffen. Die war hierhergefahren, um das Haus ihrer Familie zu sehen. Sie sagten: Alles, was wir brauchen, ist Frieden und ein gutes Zusammenleben. Deshalb hoffe ich, dass die Verhandlungen irgendwann Erfolg haben werden."
Besucher der Kulturhauptstadt 2017 werden bei einem Abstecher in Zyperns Hauptstadt Nikosia über die grüne Linie gehen, in den Nordteil der geteilten Insel: Vielleicht nur auf einen Kaffee, aber ganz bestimmt mit einem sehr persönlichen Eindruck vom stillen Leid der Menschen, die sich auch Jahrzehnte nach Beginn der Teilung nicht an diesen Zustand gewöhnt haben. Und so trägt das Kulturhauptstadtjahr 2017 die vielleicht wichtigste Botschaft aus Paphos in die Welt:
"Wir glauben, dass die Kultur uns einer Lösung näher bringen wird, als die Politik."
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