Kulturgutschutzgesetz

Was hat es gebracht?

Restaurator Detlef Gösche (l) und Techniker Michael Mehlhorn nehmen am 20.07.2015 das Baselitz-Bild "Blick aus dem Fenster" in den Kunstsammlungen Chemnitz (Sachsen) von der Wand.
Zwei Männer hängen Bilder von Georg Baselitz in den Kunstsammlungen Chemnitz ab. Der Maler hatte Leihgaben vor dem Hintergrund des Kulturgutschutzgesetzes aus deutschen Museen abgezogen. © Jan Woitas / picture-alliance / dpa
Von Christine Habermalz · 11.10.2017
Das Kulturgutschutzgesetz soll das nationale Kulturerbe schützen und dem illegalen Handel von Raubgütern Einhalt gebieten. Aber hat das heftig umstrittene Gesetz diese Ziele erreicht?
"Gucken Sie sich um, Sie sehen hier keine Aktenberge, auch bei meiner Mitarbeiterin nicht, wir sind hier nicht zusammengebrochen."
Die Verwaltungsjuristin Liane Rybczyk ist in der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa zuständig für den Kulturgutschutz. Ganze 68 Ausfuhrgenehmigungen für Kunstwerke in den Binnenmarkt habe sie im vergangenen Jahr bearbeitet. Auch die Ängste des Handels vor langen Bearbeitungszeiten seien unbegründet gewesen, sagt Rybczyk.
"Wenn jetzt alles richtig und vollständig ausgefüllt ist, wenn alle Unterlagen da sind, macht das meine Mitarbeiterin in 10 bis 15 Minuten. Teilweise sitzen die Boten hier vor der Tür und warten darauf, dass sie es mitnehmen können."
Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters bestätigt: Die befürchtete Antragsflut ist ausgeblieben. Statt Zehntausenden von Ausfuhranträgen, wie vom Kunsthandel vorhergesagt, seien gerade mal 688 eingegangen – bundesweit. Auch die Befürchtung, der Staat werde nun in großem Umfang auf privaten Kunstbesitz zugreifen, sei nicht eingetreten.
"Wir haben alle gefragt, es hat nur einen einzigen Fall von einer Eintragung eines national wertvollen Kulturgutes gegeben im vergangenen Jahr, und das auf Bitten des Besitzers selber."

Kurz vorher ins Ausland gebracht?

Mit den neuen Ausfuhrkontrollen wollte Kulturstaatsministerin herausragende national wertvolle Kulturgüter besser vor Abwanderung ins Ausland bewahren – dann, wenn sie identitätsstiftend für Deutschland oder seine Regionen sind. Der Kunsthandel warnte: Zahlreiche Sammler würde ihre Werke noch vor Inkrafttreten des Gesetzes ins Ausland bringen, in Sicherheit vor dem Zugriff des Staates. Nur ein Gerücht?
"Nein, das ist kein Gerücht. Das ist wirklich so passiert, und das hat auch dem deutschen Auktionsstandort sicherlich geschadet."
sagt Robert Ketterer. Er ist der Inhaber des größten deutschen Auktionshauses, Ketterer Kunst in München. Die Debatte um das Gesetz habe viele Sammler verunsichert. Als Folge fehle jetzt spürbar die Ware auf dem hochpreisigen Markt. Allerdings räumt er auch ein:
"Also das Gesetz gibt es seit einem Jahr jetzt, und wir haben nach wie vor keinerlei Probleme gehabt, irgendwelche Objekte, auch hochpreisige Objekte ins Ausland zu bringen. Also diese Angst ist komplett unbegründet gewesen."
Mehr Kopfzerbrechen als die Ausfuhrgenehmigungen bereiten dem Handel jetzt die erhöhten Sorgfaltspflichten, die ihm das Gesetz auferlegt. Und zwar bei der Einfuhr von Kunstwerken. Grütters will das nicht gelten lassen. Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bei der Provenienz müsse auch im Interesse der Auktionshäuser und Galerien liegen. Was ist aber mit dem zweiten Teil des Gesetzes, mit dem Grütters den illegalen Handel mit archäologischen Kunstschätzen aus Raubgrabungen in aller Welt unterbinden wollte? Lange war es in Deutschland einfach, mit Antiken ohne jeden Herkunftsnachweis Handel zu treiben. Als Provenienz genügte die Angabe, das gute Stück stamme aus einer alten deutschen Privatsammlung. Denn erst 2007 war Deutschland der UNESCO-Konvention gegen illegalen Handel mit Kulturgütern von 1970 beigetreten.

Ernüchterung bei Zoll und Polizei

Seit einem Jahr gelten nun strenge Einfuhrregelungen. Archäologische Kunstschätze dürfen nur noch mit einer Ausfuhrerlaubnis des Herkunftslandes eingeführt werden. Doch bei Zoll und Polizei hat sich Ernüchterung breitgemacht. Kriminalhauptkommissar Eckhard Laufer vom Hessischen Landeskriminalamt in Wiesbaden, einer der wichtigsten Polizeiexperten auf dem Gebiet der Kulturgutkriminalität:
"Problematisch ist nach wie vor, ich rede hier explizit von archäologischen Objekten, die sich bereits in Deutschland befinden und dann in Verkehr gebracht werden, hier haben wir einen Status Quo der sich fortsetzt, insofern, dass wir vorher schon immer wieder Dokumente oder Nachweise vorgelegt bekommen haben, die bei einer genauen Prüfung nicht wiederspiegeln, dass sie aus dem Herkunftsland tatsächlich legal ausgeführt worden sind."
Denn weil das Gesetz nicht rückwirkend gilt, muss ein Händler nur nachweisen, dass seine Ware schon vor dem Tag des Inkrafttreten des Gesetzes, dem 6. August 2016, in Deutschland gewesen ist. Dann hat das Herkunftsland keinen Rückgabeanspruch, auch wenn das Kulturgut illegal außer Landes gebracht wurde. Besonders kritisch sehen die Ermittlungsbehörden die Tatsache, dass als Nachweis dafür, dass das Objekt schon vor dem Stichtag in Deutschland gewesen ist, eine eidesstattliche Erklärung genügt – für kriminelle Schmuggler kaum eine ernstzunehmende Hürde. Diese Möglichkeit war noch auf den letzten Metern durch einzelne Bundesländer, insbesondere Hessen mit seinem wichtigen Kunsthandels- und Auktionsstandort Frankfurt ins Gesetz gebracht worden.

Das gesamte Manuskript als PDF-Datei.

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