Kulturgutschutzgesetz

Die Fronten sind verhärtet

Monika Grütters und Peter Raue
Fotomontage: Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Rechtsanwalt Peter Raue liefern sich einen Schlagabtausch. © picture alliance / dpa / Foto: Soeren Stache/M. C. Hurek
Von Christiane Habermalz · 04.11.2015
Ministerin Monika Grütters will mit ihrem Gesetz die Ausfuhr von deutschen Kunstschätzen ins Ausland erschweren und die Einfuhr von geschmuggelten Kulturgütern unterbinden. Ohne Kunstmarkt gibt es aber keine Kunst, hält der Kunsthandel dagegen.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters will drei bestehende Gesetze zu einem zusammenfassen und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits die Einfuhr von geschmuggelten Kulturgütern aus dem Ausland unterbinden, die aus Raubgrabungen oder geplünderten Kulturstätten stammen. Hier hinkt Deutschland in der Tat weit hinter anderen Ländern her. Die derzeitige Gesetzesregelung aus dem Jahr 2007 ist derart lasch, dass Deutschland, wie seit langem von internationalen Experten beklagt, zum Hauptumschlagplatz von geschmuggelten Antiken aus aller Welt geworden ist. Doch der Unmut des Kunsthandels entzündet sich vor allem an der zweiten Zielrichtung des Gesetzes, mit dem Grütters auch die Ausfuhr von deutschen Kunstschätzen ins Ausland erschweren will – dann, wenn es sich um "national wertvolles Kulturgut" handelt.
Kunstwerke ab einem gewissen Wert und Alter – bei Gemälden sind das 70 Jahre und ein Wert von 300.000 Euro – sollen nur noch mit einer staatlichen Ausfuhrgenehmigung außer Landes gebracht werden dürfen. Diese wird in der Regel auch erteilt werden, versichert Grütters – es sei denn, es handelt sich eben um "national wertvolles Kulturgut". Dann wird die Exportgenehmigung verweigert, das heißt, es darf nur noch innerhalb Deutschlands verkauft werden. Der Kunsthandel fürchtet um seine Geschäfte, denn international lässt sich mit Kunstverkäufen weit mehr Geld erzielen als im Inland. Der Berliner Anwalt und Kunstfreund Peter Raue spricht von "Enteignung":
"Was Frau Grütters erreichen will, ist, dass der Staat auf all die Kunstgegenstände, Kulturgüter Zugriff nehmen kann, indem sie diese Arbeiten dem Kulturgutschutzgesetz, scheußliches Wort, unterstellt."
Grütters hält dagegen: Jeder Staat, auch Deutschland, habe das Recht, sein kulturelles Erbe zu bewahren. Es gehe nur um wenige herausragende und identitätsstiftende Kulturschätze wie die Humboldt-Tagebücher oder Handschriften von Goethe. Das Gros der Kunstwerke, darunter die gesamte zeitgenössische Kunst, werde auch weiterhin international frei verkäuflich sein. Handele es sich aber wirklich mal um ein national wertvolles Kulturgut, dann gelte eben auch: Eigentum verpflichtet.
"Da muss dieser Besitzer dann auch wissen, dass manchmal das Interesse der Allgemeinheit, der Öffentlichkeit, der deutschen Bevölkerung mindestens so hoch einzuschätzen ist wie sein eigenes, privates Veräußerungsinteresse."
Schlagabtausch zwischen Ministerin und Kunsthandel
Die Fronten sind verhärtet. Zuletzt lieferte sich die Kulturstaatsministerin einen Schlagabtausch mit dem Kunsthandel im Tagesspiegel: Im Zeitalter der Globalisierung, schreibt Peter Raue, sei "ein Kulturgutschutzgesetz, das glaubt, bestimmten Werken die Bleibepflicht in Deutschland verordnen zu müssen, ein Anachronismus". Grütters antwortet: "Nationale Identität erwächst zuallererst aus dem Kulturleben eines Landes. Gerade angesichts immer rücksichtsloser werdender Märkte muss man mit Kunst anders umgehen als mit Gartenmöbeln oder Bettwäsche".
Dabei ändert sich zunächst einmal nicht viel. Schon jetzt haben die Bundesländer die Möglichkeit, Kulturgut als national wertvoll einzustufen und damit deren Ausfuhr zu verhindern. 2700 Objekte sind bislang in diese "Verzeichnisse national wertvollen Kulturguts" eingetragen, die Entscheidung darüber treffen Sachverständigengremien in den Ländern. Und schon jetzt gilt EU-weit eine Ausfuhrgenehmigungspflicht für Kunstwerke ab einer bestimmten Wert- und Altersgrenze, wenn sie in ein Nicht-EU-Land verkauft werden sollen.
"Was neu dazu kommt ist, dass wir Ausfuhrregeln auch für den europäischen Binnenmarkt formulieren wollen, so wie es fast alle anderen europäischen Nachbarn längst praktizieren."
Damit aber schließt Grütters ein Schlupfloch, das es dem Handel bisher erlaubte, den nationalen Kulturgutschutz zu umgehen. Denn bisher genügte es, bei Verkaufsabsicht das gute Stück nach London oder Madrid zu bringen. Von dort ging es meist ungehindert zu Sotheby’s nach New York. Etliche Kunstschätze aus Privatbesitz, viele aus deutschen Fürstenhäusern, haben so den Weg zu amerikanischen oder asiatischen Sammlern gefunden, und sind damit in der Regel der Öffentlichkeit entzogen.
Ohne Kunstmarkt gibt es keine Kunst, hält der Kunsthandel dagegen. Grütters wolle die knappen Museen wieder in die Lage zu versetzen, bei Kunst mitzubieten, sprich: Qua Gesetz die Preise drücken. Sammler und Kunsthändler sorgen sich vor allem um Eingriffe in die Verkaufsmöglichkeiten von Kunst der klassischen Moderne und der Kunst der Nachkriegszeit. Vor allem, wenn private Leihgaben aus Museen abgezogen würden, so die Sorge, könnte der Staat zuschlagen und die Kunstwerke einfach zu Kulturgut erklären. Viele Sammler würden derzeit ihre Sammlungen noch schnell ins Ausland in Sicherheit bringen, berichtet Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler.
"Diese Reaktion gibt es. Die Spediteure können das im Moment beschrieben, also Sie können ja mal versuchen, zu fragen, ich müsste jetzt etwas nach London bringen wann Sie dann den nächsten Termin bekommen. Und zum anderen ist es so, dass bei uns beim DVDG eben sehr viele Anwälte anrufen, also auch Vermögensverwalter, die eben uns fragen: Was soll ich meinen Kunden denn sagen?"
Weder Liebermanns noch Kirchners stünden im Fokus des Gesetzes, versichert Grütters. Seit Monaten ist sie mit allen Beteiligten im Gespräch. Der Gesetzentwurf, der nun vom Kabinett verabschiedet wurde, enthält bereits zahlreiche Änderungswünsche des Kunsthandels. Der aber ist noch immer nicht zufrieden. Über seinen Anwalt Peter Raue hat er eine 14-seitige Gegenerklärung verfasst. Man sei der Überzeugung, heißt es in der Einleitung, dass "die geplanten Neuregelungen mit dem modernen und dynamischen Kunsthandel des 21. Jahrhunderts so wenig vereinbar sind, wie mit dem Verständnis eines auf Freizügigkeit basierenden vereinten Europas".
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