Kultur in Uganda

Oase für eine unabhängige Kunstszene

Das Kulturzentrum "32° East“: Hier bekommen junge afrikanische Künstler eine Chance. Die Bibliothek ist in alten Containern untergebracht.
Die Bibliothek des Kulturzentrums in Kampala. © Deutschlandradio/Leonie March
Von Leonie March · 31.12.2015
Mitten in Ugandas Hauptstadt Kampala liegt eine Kultur-Oase: Das Zentrum "32° East" fördert und ermuntert junge afrikanische Künstler, mit ihrer Kunst neue Wege zu beschreiten – jenseits des Mainstreams für den Touristengeschmack. Eine Gratwanderung in dem autokratisch regierten, erzkonservativen Land.
Draußen knattern Boda-bodas vorbei, die Motorrad-Taxis, die Ugandas Hauptstadt Kampala prägen. Roter Staub hängt wie eine Wolke über den teils ungepflasterten, holprigen Straßen und den unzähligen, windschiefen Marktständen. Aasfressende Marabu-Störche bevölkern die dreckigen Kanäle und sitzen wie düstere Gestalten auf den Dächern.
In dieser Umgebung wirkt das Kulturzentrum "32° East" fast wie aus einer anderen Welt: Der Innenhof ist grün, aufgeräumt und ruhig. Eine Oase mitten im Chaos der Millionenmetropole. Eine Zuflucht vor der alltäglichen Reizüberflutung. Und ein Freiraum für Künstler, sagt Mitgründerin und Co-Direktorin Rocca Gutteridge.
"Es ist eine der wenigen nicht kommerziellen, international geförderten und nicht-staatlichen Einrichtungen. Hier in Kampala produzieren viele Künstler in erster Linie Werke, die sich gut an Touristen verkaufen lassen. Wir wollen ihnen einen Raum bieten, um zeitgenössische Kunst wirklich zu erforschen. Losgelöst von finanziellen Zwängen. Hier können sie mit neuen Techniken, Ideen, Konzepten und Theorien
Die gebürtige Engländerin folgt einem Pfad an einem Backsteinbau mit Ateliers und Ausstellungsräumen vorbei zu zwei übereinandergestapelten Schiffscontainern. Im unteren befindet sich die kleine, aber gut sortierte Bibliothek: Bücher, Zeitschriften und Filme über zeitgenössische Kunst.
Internationale Kunst verirrt sich selten nach Uganda
Sie ist wie ein Fenster in die Welt – denn kaum eine internationale Ausstellung verirrt sich nach Uganda, erzählt Ian Mwesiga. Der 25-Jährige Maler ist oft hier, um zu lesen, kostenlos im Internet zu surfen und sich mit anderen Künstlern auszutauschen. An der Wand hängt eines seiner expressionistischen Selbstportraits. Das sichtbare Ergebnis des Artist-in-Residence-Programms.
"Ich wollte mich von den akademischen Formeln und den starren Vorgaben des Kunststudiums lösen, bei dem ich nie die Chance hatte, mich wirklich künstlerisch auszudrücken. Ich wollte herausfinden, wer ich als Künstler bin. Ich habe die Augen geschlossen, mein Gesicht mit den Fingern erforscht und diese Eindrücke auf die Leinwand gebracht.
Zunächst war es nicht einfach auch Spontanität und Gefühle zuzulassen. Denn an der Uni hatte man uns eingebläut, wie wichtig natürliche Proportionen bei einem Portrait sind. Aber am Ende fühlte ich mich immer wohler mit meiner neuen ausdrucksstarken Arbeit."
Neue Perspektiven
Um neue Perspektiven geht es auch im Raum nebenan, bei einem Workshop. Mit dabei sind Künstler aus anderen Ländern Ostafrikas, die an einem Austauschprogramm von "32° East" teilnehmen. Rocca Gutteridge setzt sich auf eine kleine Bank am Rand und hört interessiert zu.
"Jedes Jahr arbeiten wir mit mindestens drei Künstlern aus Kenia, Tansania, Ruanda oder Äthiopien, um eine ostafrikanische Debatte anzustoßen. Diese Netzwerke wirken nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Die Kunstwelt begreift langsam, wie spannend diese Region ist. Außerdem laden wir jedes Jahr ein bis zwei internationale Künstler ein.
Natürlich ist das nicht viel. Aber die Gespräche und die Kollisionen der verschiedenen Kulturen führen zu intensiven, interessanten und teils schwierigen Debatten. Zum Beispiel darüber welche Art Kunst hier entsteht, aus welchen Gründen und für welches Publikum."
Es geht um die Abhängigkeit der Kulturszene von internationalen Geldern. Um die Wahrnehmung Afrikas, die sich auch in der Kunst wiederspiegelt. Um kulturelle Identität und die Rolle von Künstlern in ihren Heimatländern.
"Es gibt mittlerweile ein paar Künstler hier in Uganda, die sich mit gesellschaftlichen und politischen Themen beschäftigen. Aber es ist ein schwieriger Balanceakt. Zum einen ist solche Kunst hier schwer verkäuflich und zum anderen darf man die Geschichte des Landes nicht vergessen: Es gab eine Zeit, in der es sehr gefährlich war, solche Kunst zu schaffen.
Es braucht Mut für eine solches Projekt
Viele schrecken bis heute davor zurück. Es braucht also Zeit und Einfühlungsvermögen. Wir befinden uns in einem Prozess, in dem die Grenzen dessen ausgelotet werden, was durch Kunst gesagt werden kann und was nicht."
Diese Gratwanderung braucht Mut. Bürgerkrieg und Diktatur sind zwar Geschichte, aber Uganda bleibt ein autokratisch regiertes, erzkonservatives Land. Schon ein Aktbild kann hier politisch interpretiert werden – als Verstoß gegen die strengen Sittengesetze. Auch deshalb ist der geschützte Freiraum, den die Kulturstiftung "32° East" bietet, so wichtig.
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