Kultur-Festival in Saudi-Arabien

Deutsche Beteiligung "halten wir für richtig"

Frauen und Männer vor einem erleuchteten Gebäude beim Kultur-Festival Jandadriyah in der saudi-arabischen Stadt Al-Thamama, 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt Riad, im Februar 2014
Das Kultur-Festival Jandadriyah in der saudi-arabischen Stadt Al-Thamama, 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt Riad, im Februar 2014 © AFP / FAYEZ NURELDINE
Andreas Görgen im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 22.01.2016
Der geplante Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) beim Janadriyah-Kulturfestival ist nach den Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien in die Kritik geraten. Der Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes verteidigt die Reise.
Deutschland ist in diesem Jahr Gastland des Janadriyah-Kulturfestivals in Saudi-Arabien, das vom 4. bis 22. Februar stattfindet. Aus diesem Anlass will auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Land besuchen. Eine Entscheidung, die nach den jüngsten Massenhinrichtungen und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, in die Kritik geraten ist.
Der Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, Andreas Görgen, widerspricht: Selbstverständlich sehe man die problematische Situation im arabischen Raum und die Defizite in Menschenrechtsfragen in Saudi-Arabien, sagte Görgen im Deutschlandradio Kultur. Allerdings biete der Besuch des Außenminister eine Art politischen Schirm und Schutz für die dort stattfindenden Kulturveranstaltungen. "Und deswegen halten wir es für richtig, auch in der schwierigen Situation hinzufahren."
Langfristige Öffnung der saudischen Gesellschaft als Ziel
So gebe es im deutschen Pavillon auf dem Festival Gesprächsformate, die für das saudische Publikum "eher unerwartet" seien, sagte Görgen. "Zum Beispiel hängen da Grundgesetzartikel, zum Beispiel finden da Diskussionen statt über die Stellung der Frau in der Wissenschaft und der Technologie."
Letztlich gehe bei dem Austausch um eine langfristige Öffnung der saudischen Gesellschaft, betonte der Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt: "Das ist unsere Grundüberzeugung, dass wir mit dem, was wir als Gesellschaftsmodell in der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut haben, mit Zivilgesellschaft, mit Demokratie, mit einer republikanischen Verfassung, dass wir damit einen Beitrag leisten können zu einer Welt, die sich weiterentwickelt und die sich kooperativ und friedlich weiterentwickelt."

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Es gibt mal wieder Streit um deutsche Außenpolitik – diesmal um den geplanten Besuch von Minister Frank-Walter Steinmeier auf dem Janadriyah-Kulturfestival in Saudi-Arabien, das am 3. Februar beginnt. Nach 47 Hinrichtungen in dem Land Anfang des Jahres und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Iran hatten Außenpolitiker von Union, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen die Reisepläne scharf kritisiert. Warum die Bundesregierung dennoch an der Teilnahme an diesem Festival und generell an der Kooperation mit Saudi-Arabien bei diesem Kulturfest festhält, darüber wollen wir sprechen mit dem Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, mit Andreas Görgen. Schönen guten Morgen!
Andreas Görgen: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!
Schutzschirm für kritische Diskussionen
Billerbeck: Es sei unangemessen "mit dem Regime in Riad lustige Fest zu feiern", das hat der CDU-Vize Armin Laschet gesagt. Das Auswärtige Amt, Sie auch, Herr Görgen, halten es offenbar für angemessen. Warum?
Görgen: Zunächst einmal wollen wir festhalten, dass wir selbstverständlich die Problematik der gesamten Lage im arabischen Raum sehen und dass das ja auch der Grund ist, warum wir da hinfahren, und wir wollen festhalten, dass wir selbstverständlich die Defizite gerade in den Menschenrechtsfragen in Saudi-Arabien sehen, und drittens folgt daraus, dass wir, wenn wir zum Janadriyah-Festival fahren, sozusagen den politischen Schirm und den Schutz des Außenministers für diesen Gastraum, in dem wir Kulturveranstaltungen durchführen wollen, aufspannen können und aufspannen wollen, und deswegen halten wir es für richtig, auch in der schwierigen Situation hinzufahren.
Billerbeck: Die Deutschen bauen bei diesem Janadriyah-Kulturfestival einen 2,5 Millionen teuren Pavillon mit Fachwerkfassade auf, in dem die Besucher – jetzt Zitat – "auf eine historische Reise durch die deutsche Architektur vom Mittelalter bis in die Gegenwart mitgenommen werden". Wenn man böse wäre, könnte man ja auch sagen, Deutschland präsentiert sich mittelalterlich in einem Land, das noch im Mittelalter festzustecken scheint. Glauben Sie, dass das eine gute Kulisse ist für einen Diskurs um moderne Werte?
Görgen: Das ganz Gelände ähnelt dem, was ein Freilichtmuseum ist. Das dient der kulturellen Selbstvergewisserung Saudi-Arabiens, das heißt, es ist ein großes Gelände, auf dem in verschiedenen Abteilungen und verschiedenen Orten die Regionen Saudi-Arabiens dargestellt werden. Da kommt eine gute Million pro Festival, die es den Zuschauern ermöglicht, Landstriche und Regionen Saudi-Arabiens kennenzulernen, und Deutschland ist da in einer ganzen Reihe mit anderen Ländern und hat einen Raum, einen sogenannten Pavillon, das ist aber in Wahrheit ein Gebäude, in dem es sich darstellen kann.
Gemeinsame Fragen nach Energie und Wasser
Was wir tun, ist nicht das Mittelalter darstellen, sondern was wir tun, ist diesen Zuschauern, die dahinkommen, die sich selbst vergewissern, was Saudi-Arabien ist, wie die Regionen dort aussehen, Deutschland vorstellen. Dazu haben wir eine Form gewählt, in die die Zuschauer reinkommen, sie werden begrüßt durch die Bundesrepublik Deutschland und laufen dann in kleinen Stationen die Geschichte Deutschlands ab und enden überhaupt nicht im Mittelalter, sondern enden in der Gegenwart und enden bei den Fragen, die unsere Gesellschaften gemeinsam angehen: Bildung, Zugang zu Bildung, eine zivilgesellschaftliche Verfassung und eben große Fragen wie Energie und Wasser, die sich auch in Saudi-Arabien stellen.
Das ist unser Ziel in der gesamten Darstellung, den Menschen, die uns besuchen kommen, zu zeigen, dass wir gemeinsam mit dem, was wir in Deutschland anzubieten haben mit Wirtschaft, mit Kultur, mit unserer zivilgesellschaftlichen Verfassung, mit unserer rechtlichen Verfassung, eine Möglichkeit bieten, die gemeinsamen Fragen, die uns beschäftigen, zu diskutieren und zu lösen.
Billerbeck: Nun haben Sie eben auch erwähnt, wir werden den Schirm über diesem Gelände aufspannen, den Schirm des Auswärtigen Amtes – nun wird es ja Gesprächs- und Diskussionsrunden auch geben im Rahmen des deutschen Programms. Haben Sie da Einschränkungen erlebt, Gäste, die Ihnen die Saudis gestrichen haben, oder konnten Sie da Ihre Konzepte so durchsetzen, wie geplant?
Görgen: Der Besuch eines Außenministers, das ist ein politischer Besuch, und wenn ich sage, wir spannen einen Schirm des Schutzes auf, dann ist das wirklich auch ein bisschen wörtlich zu meinen: Ein Schirmherr dient ja dazu, zum Gelingen einer Veranstaltung beizutragen, und was der Schirmherr aufspannt, ist eben dieser Schirm des politischen Schutzes, und gerade weil wir das machen, haben wir auch in einer Abstimmung vor Ort, die unsere Botschaft geleistet hat mit den Veranstaltern, es geschafft, verschiedene Gesprächsformate hineinzubekommen in diesen Pavillon, die, sagen wir mal, für das saudische Publikum eher unerwartet sind.
Diskussionen über die Rolle der Frau
Billerbeck: Zum Beispiel?
Görgen: Zum Beispiel hängen da Grundgesetzartikel, zum Beispiel finden Diskussionen statt über die Stellung der Frau in der Wissenschaft und in der Technologie, wir unterhalten uns über die kommunale Selbstverwaltung, und wir haben ja die Diskussion in Saudi-Arabien in den vergangenen Wochen auch mitbekommen, dass es da auch Veränderungen gab.
Wir machen an eine Morgenstadt, das heißt wir schauen auf die Stadt der Zukunft, und wenn Sie sich die Herausforderungen ansehen, vor denen Riad, aber auch eben andere Städte dort stehen, dann ist das auch ein Thema, was nicht unkritisch ist, denn natürlich spielt die Wasserversorgung dabei eine Rolle, und natürlich spielt eine Rolle, wie wird Energie erzeugt, und was machen wir mit Öl, und wie sieht eine Energieversorgung der Zukunft aus?
Und wir machen auch noch Veranstaltungen, die einen philosophischeren Anstrich haben – das nennt sich dann "Poets and Philosophers", in der es über den Austausch in der Literatur, das heißt, über die Darstellung der Träume und der Traumata, die die Gesellschaften durchziehen, zu einer Unterhaltung darüber kommen soll und kommen wird – dessen sind wir sicher –, was sind denn die Konfliktlinien, was sind die Träume, die unsere Gesellschaft hat, und warum müssen wir die zur Kenntnis nehmen, wenn wir dann gemeinsam an Lösungen arbeiten wollen fürs 21. Jahrhundert.
Normalerweise keine öffentlichen Kulturveranstaltungen in Saudi-Arabien
Billerbeck: Was erhoffen Sie sich denn konkret von dem Austausch? Auch so was – langfristig betrachtet natürlich – wie eine Öffnung, eine Öffnung der saudischen Gesellschaft?
Görgen: Ja, das ist unsere Grundüberzeugung, dass wir, mit dem, was wir als Gesellschaftsmodell in der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut haben, mit Zivilgesellschaft, mit Demokratie, mit einer republikanischen Verfassung, dass wir damit einen Beitrag leisten können zu einer Welt, die sich weiterentwickelt und die sich kooperativ und friedlich weiterentwickelt. Um noch ein Beispiel zu nennen, was vielleicht ganz prägnant ist: Wie Sie wissen, gibt es in Saudi-Arabien keine öffentlichen Kulturveranstaltungen, und insofern ist es ganz wichtig, das zu nutzen, was man nutzen kann, eben eine solche Veranstaltung. Dazu gehört dann eben auch unser Engagement für kulturelle Produktionen wie "Das Mädchen Wadjda", in dem zum ersten Mal eine Frau und zum ersten Mal überhaupt ein saudischer Kinofilm produziert wurde. Der Produzent dieses Kinofilms ist Roman Paul, der den Außenminister auf der letzten Reise begleitet hat.
Ich glaube, jetzt wenige Tage vor der Berlinale, darf man auch mal sagen, dass über solche kulturelle Produktionen eine Grundlage gelegt wird für eine Öffnung, weil nämlich in diesem Film das Schicksal eines Mädchens, was ein Fahrrad haben möchte und was ein Fahrrad fahren will, dargestellt wird, und da drüber, glaube ich, kann man weinen, da drüber kann man lachen, aber da drüber sollte man sich auf gar keinen Fall lustig machen, sondern das ist angewandte und in unserem Sinne eine sehr, sehr positive kulturelle Anstrengung und eine kulturelle Politik, die der Öffnung eines solchen Landes dient.
Billerbeck: Warum das Auswärtige Amt an einem Kulturfestival in Saudi-Arabien festhält, das erklärte der Leiter der Kulturabteilung des Außenministeriums, Andreas Görgen. Ich danke Ihnen!
Görgen: Ich danke Ihnen! Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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