Künstlerpaar der Roaring Twenties

11.08.2008
Der "Alabama Song" spielt in den USA in den 20er Jahren. Die sogenannten Roaring Twenties waren von Drogen, Alkohol und Wagemut geprägt. Mittendrin lebte der junge Schriftsteller F. Scott Fitzgerald mit seiner kapriziösen Frau Zelda. Ihr Leben bietet den Stoff für den biografischen Roman "Alabama Song", für den Gilles Leroy mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde.
Der Prix Goncourt ist der wohl renommierteste aller französischen Literaturpreise und sorgt in der Regel für eine immense Auflage des ausgezeichneten Werkes. Über die Rezeption in Deutschland sagt dies allerdings wenig bis nichts aus:

War Marguerite Duras' "Liebhaber", Laureat von 1984, auch hier ein großer Erfolg, so wurde der wunderbare Intellektuellen-Zickenkrieg "Vertrauen gegen Vertrauen" von Paule Constant zwar 1999 übersetzt, aber kein Bestseller. Mehrere Preisträger wurden in Deutschland gar nicht wahrgenommen, was sich jedoch seit einiger Zeit grundlegend wandelt. Allerdings sorgte Jonathan Littells wohlgesinnter Wackerstein selbst in Frankreich für einen solchen Wirbel, dass auch die deutsche Presse darüber berichtete.

Nach dem "Nazi-Roman" des amerikanischen Franzosen Littell nun der Amerika-Roman von Gilles Leroy, genauer seine Version der bewegten Ehe von Scott und Zelda Fitzgerald, äußerst subjektiv aus ihrer Sicht geschildert.

Dass hier ein Mann mit der Stimme einer Frau schreibt, ist spätestens seit Ovids "Heroiden" nichts Ungewöhnliches und passt in diesem Fall recht gut, da Zelda, schon bevor sie 20-jährig den kaum älteren "Fitz" heiratete, zwar eine "Southern Belle" aus der regionalen Oligarchie war, aber früh die Konventionen zu sprengen versuchte.

Sie war Prototyp des Flapper-Girls, der jungen Frauen während der Roaring Twenties, die ihr Korsett ablegten, die Haare abschnitten, rauchten und noch verworfenere Dinge taten wie Autofahren, also auf männliches Terrain vordrangen. So galt das blutjunge Paar Fitzgerald - auf einem Foto zu Beginn der Ehe sehen sie wie Kinder aus - als Inbegriff dieser angeblich Goldenen Zeit voller Drogen, Alkohol und Wagemut.

Schon mit seinem ersten Roman "Diesseits vom Paradies" kam Scott zu Ruhm und Geld, das beide mit vollen Händen ausgaben und sich selbst maximal in Szene setzten, wozu Exzesse gehörten, die zum Rauswurf aus mehr als einem Hotel führten. Ob ihres skandalösen und vor allem ungesunden Lebenswandels wurde die Sängerin Amy Winehouse mit Zelda verglichen, doch genau das, was Winehouse neben ihren Zusammenbrüchen bekannt gemacht hat, blieb Misses Fitzgerald lange versagt: die künstlerische Selbstverwirklichung.

So modern sich das Paar auch gab, so patriarchalisch führte der Gatte sich auf. Ihre Erzählungen wurden unter seinem Namen publiziert, und als sie in Südfrankreich Glück in den Armen eines Anderen fand, sperrte er sie kurzerhand zu Hause ein, um sie später von einer Klinik in die nächste zu verbannen, wo sie mit den Methoden der Zeit wie Elektroschocks oder eiskalten Bädern traktiert wurde. Schließlich, eingeschlossen in ihrem Zimmer, starb sie beim Brand einer solchen Einrichtung.

Die Story ist dramatisch, aber keineswegs neu, denn während eines Klinikaufenthalts schrieb Zelda den autobiografischen Roman "Save Me the Waltz", und es liegen mehrer Biographien über sie vor. Ebenso wenig neu ist die Vermengung von Fakten und Fiktion, die gerade französische Schriftstellerinnen wie Catherine Angot oder Catherine Millet als "Autofiktion" entwickelt haben.

So bietet Leroy nichts Neues, weshalb man Michel Tourniers Widerstand gegen dessen Auszeichnung versteht, aber wer die Geschichte noch nicht kennt, wird das Buch mit viel Spannung lesen. Den sentimentalen Epilog des Autors, dem beim Betreten des Fitzgerald-Museums die Tränen kommen, sollte man sich jedoch ersparen.

Rezensiert von Carolin Fischer

Gilles Leroy: Alabama Song
Deutsche Übersetzung von Xenia Osthelder
Kein&Aber, Zürich, 2008
240 Seiten, 19,90 Euro