Künstlerkolonie Dachau

Malen im Akkord

Zog viele Künstler an: Landschaft und Himmel im Landkreis Dachau
Mahnmal des Künstlers Nandor Glid an der KZ-Gedenkstätte: Vor dem Krieg war Dachau ein Mekka für Landschaftsmaler. © dpa / picture alliance / Andreas Gebert
Von Susanne Lettenbauer · 10.08.2014
Unter den Künstlerkolonien Europas war die in Dachau wohl die größte. Mit Beginn der Freiluftmalerei um 1880 boomten die Malklassen, die der Künstler Adolf Hölzl gab. Was heute noch von der Tradition übrig ist - ein Ortsbesuch.
Idylle in der Innenstadt von Dachau. Ein kleiner Brunnen plätschert vor sich hin, an der Hauptstraße mit dem Kopfsteinpflaster erstreckt sich die Gemäldegalerie, ein Stück weiter am Schloss steht das Bezirksmuseum, die Schrannenhalle lädt zu einer Kunstausstellung ein und in einem kleinen Hinterhof empfängt den Besucher die Neue Galerie Dachau. Kunst vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart findet sich in Dachau in wenigen Gehminuten. Kunst aller Orten, wie schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert, als Scharen von Malklassen von München nach Dachau fuhren und die Natur malten, die Tiere und Menschen in Tracht.
"Die große Attraktion, die Dachau geboten hat, war eben nicht nur seine Bevölkerung, die teilweise noch in Trachten zu sehen war und besonders urtümlich war mit den Gasthäusern, wo man sich getroffen hat, sondern auch das noch relativ unberührte Moos, die schöne Mooslandschaft, wo man sich - manchmal auch nur für einen Tag - zum Malen hinbegeben hat."
Jutta Mannes steigt die Treppen zur Dachauer Gemäldegalerie hoch. Die Kuratorin koordiniert die einzelnen Ausstellungshäuser. Rund 200 Gemälde beherbergen die hellen Galerieräume. Angefangen mit Bildern von Carl Spitzweg und Christian Morgenstern, Vater des bekannteren Dichters Christian Morgenstern. Daneben Gemälde vom einflussreichsten Dachauer Maler Adolf Hölzl, von Adolf Lier, Arthur Langhammer, Lovis Corinth.
"Bei den frühen Dachauer Künstlern ist noch stark der Einfluss der niederländischen Landschaftsmalerei erkennbar. Diese Bilder - aber alles noch keine Freiluftmalerei, die haben hier vielleicht ihre Skizzen gemacht, aber ihre Bilder im Atelier gemalt. Aber dass man mit der Staffelei in die Natur geht, das gibt es wirklich erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts."
Viele junge Frauen zogen hier durch die Natur
Scharen von jungen Frauen zogen hier zwischen 1880 und 1914 durch die Natur. Schwarz-Weiß-Fotos zeigen sie in langen Kleidern und weitkrempigen Hüten im Moos stehen. An der Münchner Kunstakademie durften sie damals noch nicht studieren, also meldeten sie sich in Dachau an. Der Vater der Kolonie, Adolf Hölzl, zog standesgemäß mit Staffelei, Hut und jungem Assistenten durch die Landschaft. Einige Künstlerkollegen wie Franz Marc und Lovis Corinth, die kurzzeitig in Dachau arbeiteten, störten sich am Gewimmel im Moos und suchten Ruhe, weiter weg in Murnau.
Der schwedische Künstler Carl Olof Petersen kam als Schüler von Hölzl nach Dachau, 1903 beschreibt er sehr bezeichnend das Arbeiten in der Künstlerkolonie:
"Zu Beginn des Jahrhunderts leuchtet während der Sommerzeit alle fünfzig Meter der Malschirm eines Malers oder Malerin in der Dachauer Landschaft. An besonders beliebten Stellen stand man sogar tagelang Polonäse, bis jeder an die Reihe kam. Viele Motive wurden derart oft abgemalt, um nicht zu sagen, abgefieselt, dass die Bauern oder sonstige Eigentümer auf Schadenersatz klagten. Ja, es kam selbst vor, dass die Herren Professoren vor Überdruss an dem ständig wiederkehrenden Bild die Korrektur verweigerten."
Die Dachauer Gemäldegalerie gründeten bereits die Künstler der Freiluftmalerei 1903. Anders als in Worpswede, Pont Aven oder Skagen sammelten die Maler der Dachauer Künstlerkolonie ihre Gemälde und stellten sie vor Ort aus. Wie auch heute noch bestand ein reger Austausch zwischen den europäischen Künstlerkolonien. Man besuchte sich, nahm Anregungen und neue Maltechniken auf. Mit dem Ersten Weltkrieg endet die Künstlerkolonie abrupt.
Die gemalte Landschaft ist heute verschwunden
Die Landschaft, wie sie die Künstler malten und sahen ist heute weitgehend verschwunden, das Villenviertel der Malerprofessoren im Süden der Stadt wurde verändert, das Dachauer Moos teilweise trockengelegt und bebaut:
"Also Dachau nennt sich heute zu Recht auch noch Künstlerort, denn es gibt sehr viele Künstler, die noch ansässig sind. Die Künstlervereinigung, die sich 1927 gegründet hat, besteht bis heute fort und ist eine sehr aktive Vereinigung, die jedes Jahr große Ausstellungen im Schloss veranstaltet und in den eigenen Räumen in der Schranne eine ganz engagierte Galeriearbeit macht."
Wer von Dachau redet, meint heute meist nicht mehr die Künstlerkolonie, sondern die Gedenkstätte des Konzentrationslagers. Diese Vergangenheit wird von den Galerien nicht ausgeklammert, sagt Dachaus Museumsmanagerin Jutta Mannes. Ob symbolhaft, in der Wahl der Farben oder anhand von eindeutigen Motiven – die für Dachau so verheerende Zeit des Nationalsozialismus sei auch Thema der Künstler:
"Das Thema der Dachauer Vergangenheit, dieser zwölf Jahre Vergangenheit, die Dachau auch nicht versteckt, kommt auch immer wieder in den Ausstellungen vor."
Gern gesehen wird das jedoch von den Besuchern, die hier romantische Landschaftsmalerei erwarten, nicht, sagt Museumsleiterin Mannes.
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