Kroatischer Kardinal Aloizijus Stepinac

Kriegsverbrecher oder Heiliger?

Eine kroatische Frau hält ein Plakat: Zu sehen sind der katholische kroatische Bischof Alojzije Stepinac und Papst Johannes Paul II.; Aufnahme vom Juni 2015
Eine kroatische Frau hält ein Plakat: Zu sehen sind der katholische kroatische Bischof Alojzije Stepinac und Papst Johannes Paul II.; Aufnahme vom Juni 2015 © picture alliance / dpa / Antonio Bat
Von Danja Antonovic · 08.05.2016
Im Jahr 1941 wurde Erzbischof Alojzije Stepinac zum Militärvikar von Zagreb ernannt. Damit war er ein enger Vertrauter des faschistischen Ustascha-Regimes, das zehntausende Morde an Serben, Juden, Sinti oder Kommunisten verübte. 2014 beschloss der Vatikan, dass Stepinac heiliggesprochen werden soll. Das wurde nun vertagt.
Die Auseinandersetzung mit dem Erbe von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg verläuft manchmal auf unerwarteten Wegen. Zum Beispiel, wenn es um Heiligsprechungen geht. Zum Seligen wurde der kroatische Kardinal Alojzije Stepinac schon erklärt. Nun sollte er eigentlich heilig gesprochen werden. Aber das sorgt für ernsthafte Missstimmung zwischen Serben und Kroaten. Denn die Rolle von Stepinac im faschistischen Kroatien während des Zweiten Weltkriegs, wird von ihnen extrem unterschiedlich beurteilt.

"Einmarsch in Agram. Die kroatische Bevölkerung grüßt ihre deutschen Befreier …"
Ein Ausschnitt aus einem Dokumentarfilm der deutschen Wehrmacht, aufgenommen am 10. April 1941 in Zagreb. Er zeigt Menschen, die mit Hitlergruß einer Militärparade zuwinken und Blumen auf die vorbeifahrende Wagen werfen. Am selben Tag wurde der "Unabhängige Staat Kroatien" ausgerufen. Vier Tage davor war Belgrad, die Hauptstadt des Königreichs Jugoslawien, ohne Ankündigung bombardiert worden. Anschließend wurden alle Teile Jugoslawiens, außer Kroatien, von Hitlers Truppen besetzt.

Er hat viel zu lange gebraucht, sich von diesem Staat zu distanzieren

Einige Monate später berief der Vatikan den Zagreber Erzbischof Alojzije Stepinac zum Militärvikar, damit war er ein enger Vertrauter des faschistischen Ustascha-Regimes. Slavko Goldštajn, Schriftsteller und ehemaliger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Zagreb:
"Stepinac hat die Gründung des Unabhängigen Staates Kroatien zu schnell begrüßt. Vom neuen Staat hat er Unterstützung für die katholische Kirche erwartet, musste aber bald erfahren, dass dieser Staat mit katholischer Moral wenig zu tun hat. Dann hat er leider viel zu lange gebraucht, um sich von diesem Staat zu distanzieren und begangene Verbrechen öffentlich anzuprangern."
Verbrechen und Gräueltaten gab es genug. Schon im Juni 1941 ließ Mile Budak, Minister für Erziehung und Kultur, verlauten:
"Grundlage für die Bewegung der Ustascha ist die Religion. Für Minderheiten wie Serben, Juden und Zigeuner haben wir drei Millionen Kugeln zur Verfügung."
Für orthodoxe Serben gab es nicht nur Kugeln: Die kyrillische Schrift wurde gleich 1941 verboten, Klöster und Kirchen wurden ausgeraubt und ausgebrannt, 250.000 Serben mussten zum Katholizismus übertreten.

80.000 bis 100.000 Menschen starben, unter ihnen viele Kinder

Stepinac kritisierte zwar die Art, wie das geschah, die verfolgten Ziele aber nicht. Im Konzentrationslager Jasenovac wurden von 1941 bis 1945 "Serben, Juden, Zigeuner und Kommunisten" interniert, etwa 80.000 bis 100.000 Menschen starben, unter ihnen viele Kinder. Slavko Goldštajn:
"Stepinac hat sich lange mit dem Ustascha-Regime arrangiert. Er hat sich hier und da für Juden eingesetzt, für Serben im Einzelfall auch, für Roma jedoch hat er nie etwas getan; das ist das Schrecklichste. Er hat sich zwar bei der Ustascha über die Transportbedingungen beschwert, gegen Konzentrationslager selbst hat er aber nie etwas gesagt."
Der Zagreber Historiker Dr. Jure Krišto verteidigt Stepinac:
"Als sieben slowenische Priester in Jasenovac umgebracht wurden, hat Stepinac an Ante Pavelić, den obersten Mann im Staat, einen scharfen Protestbrief geschrieben. In diesem Brief nannte er Jasenovac 'den schlimmsten Albtraum des kroatischen Staates', dessen Existenz 'schlimme Folgen für das kroatische Volk' haben werde."
In seinen Predigten hat Alojzije Stepinac, Zagreber Erzbischof, das Konzentrationslager Jasenovac kein einziges Mal genannt. Ivan Ivanji, Auschwitz-Überlebender, Schriftsteller und lange Zeit Titos Übersetzer:
"Er hat gewusst, dass es Verbrechen gab. In seinen Predigten hat er sie selten und verschlüsselt erwähnt. Sein Recht, die Priester, die selbst getötet haben und an Verbrechen beteiligt waren, zu exkommunizieren, hat er allerdings nicht genutzt."

1946 als Kriegsverbrecher verurteilt

1946 wurde Stepinac als Kriegsverbrecher zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren verurteilt, nach Verhandlungen mit dem Vatikan wurde die Strafe nach fünf Jahren in Hausarrest umgewandelt. Seine Verurteilung bescherte Stepinac im katholischen Kroatien große Verehrung. 1953 verlieh Papst Pius XII. Alojzije Stepinac die Kardinalswürde, woraufhin Jugoslawien zeitweise die diplomatischen Beziehungen mit dem Vatikan abbrach. Kardinal Stepinac starb 1960 in seinem Haus, er wurde unter Teilnahme von 18 Bischöfen, 500 Priestern und mehr als 100.000 Gläubigen in der Zagreber Kathedrale in einem silberverzierten Sarkophag beigesetzt.
"Mit unserer apostolischen Macht verkünden wir, dass der Diener Gottes Alojzije Stepinac, ab jetzt 'Seliger' genannt werden darf."
Das sagte Papst Johannes Paul II., als er 1998 im kroatischen Wallfahrtsort Marija Bistrica Stepinac selig sprach. Der Zeremonie wohnten mehr als 300.000 Gläubige, Kardinäle und Bischöfe aus aller Welt sowie der kroatische Staatspräsident Franjo Tuđman bei.
2014 beschloss der Vatikan, dass Stepinac heiliggesprochen werden soll. Der Unmut in der serbisch-orthodoxen Kirche war groß, jüdische Verbände protestierten ebenfalls. Eine Begegnung zwischen dem serbisch-orthodoxen Patriarch Irinej und Papst Franziskus hat vermutlich dazu geführt, dass die Heiligsprechung vertagt wurde. Eine gemischte Kommission mit Vertretern der katholischen und der serbisch-orthodoxen Kirche soll die Rolle von Kardinal Stepinac im Zweiten Weltkrieg klären: Erst dann wird der Vatikan über die Heiligsprechung entscheiden.