Kritik zum ARD-Film "Terror - Ihr Urteil"

"Keine realistische Situation"

Die große Strafkammer des Schwurgerichts Berlin verhandelt den "Fall Lars Koch" in dem TV-Film "Terror - Ihr Urteil", der am 17.10.2016 im "Ersten" gezeigt wird.
Freispruch: 86,9 Prozent der Zuschauer plädierten für einen Freispruch des Piloten Lars Koch im ARD-Film "Terror: Ihr Urteil". © Bild: ARD Degeto/Moovie GmbH/Julia Terjung
Andreas Kötzing im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 18.10.2016
Gestelzte Dialoge, Schwarz-Weiß-Malerei - und dennoch spannend: So urteilt unser Kritiker Andreas Kötzing über "Terror - Ihr Urteil". In der Realität gebe es einen solchen Fall "164-facher Mord oder Freispruch" nicht.
Ein Pilot schießt ein von Terroristen entführtes Flugzeug ab, um zehntausende Menschenleben in einem Fußballstadion zu retten: Die ARD-Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Theaterstück wandelt nach Ansicht Andreas Kötzings "auf einem schmalen Grat - nämlich uns einerseits das moralische Dilemma vorzuspielen und auf der anderen Seite so zu tun, als sei das eigentlich eine realistische Situation." Doch das sei es nicht:
"Wir wissen, es sind Terroristen, wir wissen, es ist ein Fußballstadion in Gefahr. In der Realität, wenn so ein Kampfjet aufsteigt, (...) wissen wir das nie wirklich genau."
Außerdem: Zwischen Mord und Freispruch gebe es eine Grauzone. Die Anklage hätte wahrscheinlich in einem solchen Fall auf Totschlag gelautet. Auch hätte man über strafmildernde Umstände reden müssen, so Kötzing. Dies aber habe der Film nicht gewollt, sondern vielmehr eine "Scharz-Weiß-Konstellation" vorgeführt:
"Wir als Zuschauer sollen genau vor dieser Frage stehen: Wann darf der Staat entscheiden, dass unschuldige Menschen getötet werden, um andere Menschen zu retten?"
Dass 86,9 Prozent der Zuschauer für einen Freispruch gestimmt haben, überrascht Kötzing nicht. Schließlich sei das auch in den meisten Theater-Inszenierungen so gewesen. Trotz aller Kritik - gestelzte Dialoge, fehlende Lebendigkeit der Figuren - sei der gesamte Filmabend "sehr spannend" gewesen, meint Kötzing. Er selbst habe auch versucht online abzustimmen - allerdings vergeblich, weil die Seiten zwischenzeitlich zusammengebrochen waren. Aber:
"Wenn ich hätte abstimmen können, hätte ich angesichts der starken Polarisierung wahrscheinlich auch für nicht schuldig gestimmt."
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