Kritik an der Einigung zum Familiennachzug

"Die Aufnahmegesellschaft ist multikulturell"

Flüchtlinge in Europa
Der Familiennachwuchs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus war lange ein Streitpunkt zwischen Union und SPD - jetzt kam es zu einer Einigung © dpa / picture alliance / Arnaud Dumontier
Ferda Ataman im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 30.01.2018
Union und SPD haben sich beim Streitthema Familiennachzug geeinigt. Unser Studiogast, die Journalistin Ferda Ataman kritisiert das Ergebnis als symbolisch viel zu aufgeladen und überalterte Sicht auf das große Thema Flucht und Migration.
In den Koalitionsverhandlungen haben Union und SPD ihren Streit über den Familiennachzug beigelegt. Bis zum 31. Juli soll der Nachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus ausgesetzt bleiben, anschließend soll er auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt werden. Der subsidiäre Schutz ist für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten gedacht, aktuell vor allem für Syrer. Der Schutz ist befristet, weil sich die Lage in der Heimat wieder ändern könnte. Für diese Menschen ist der Familiennachzug seit März 2016 ausgesetzt.
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Zu Gast in "Studio 9": Die Journalistin Ferda Ataman© Deutschlandradio/Mareike Knoke

Kritik an Symbolpolitik

Das Thema sei symbolisch viel zu aufgeladen, findet die Journalistin Ferda Ataman, die zu den Gründern der Intiative "Neue deutsche Medienmacher" gehört. Sie setzen sich für mehr Vielfalt in den Medien ein und vertreten zahlreiche Journalisten mit Migrationshintergrund. Ataman kritisierte, dass schon der Begriff "Familiennachzug" ein zu technischer Begriff sei. Viele Menschen wüssten nicht, dass es eigentlich um die UN-Kinderrechtskonvention gehe und das Recht auf Familie. Es werde so getan, als ginge es bei dieser Debatte darum, für oder gegen Migration zu sein.

Suche nach Schutz

"Die Leute, die hergekommen sind, sind hierhergekommen, um Schutz zu suchen", sagte Ataman. Wenn eine Familie es sich nicht leisten könne, für fünf Leute die Schleppergebühren zu bezahlen, sondern nur für ein Familienmitglied,und darauf hofften, die Familie nachzuholen, dann setzten sie auf diese Möglichkeit. Das Koalitionspapier vermittle eine veraltete Sicht auf das Migrationsthema, kritisierte Ataman. "Diejenigen, die kommen, die sehr hochqualifiziert sind, bei denen werden wir uns darum bemühen müssen, dass sie überhaupt in Deutschland bleiben." Bei den anderen könne man davon ausgehen, dass sie zurückkehren müssten, wenn es beispielsweise in Syrien wieder besser gehe und sicherer sei. "So ist das auch schon immer gewesen, das hatten wir auch schon oft und das funktioniert auch."

Veraltete Sicht

Die Journalistin betonte, dass die Aufnahmegesellschaft in Deutschland multikulturell sei. "Es sind eben nicht nur Deutsche, die Gabriele und Hubert heißen, die die Geflüchteten willkommen geheißen oder eben nicht willkommen geheißen haben", sagte Ataman. Es seien eben auch Menschen, die selbst geflüchtet seien, über Arbeitsmigration oder dank der europäischen Freizügigkeit in die Bundesrepublik gekommen seien. "Die gehen gerade in der Diskussion so unter." Sie störe an der Einigung und der Art der Debatte über Familiennachzug diese Haltung, als gebe es eine deutsche, weiße Aufnahmegesellschaft und diese müsse zusehen, wie sie sich vor "zu viel Integrationsaufwand" schützen könne.

Ferda Ataman ist Politikwissenschaftlerin und Journalistin und lebt in Berlin. Sie ist Mitbegründerin der Initiative "Neue deutsche Medienmacher".

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