Kritik am Subventionsabbau

Warum Fleisch in Deutschland nicht zu billig ist

Fleischtheke in einem Supermarkt
Fleischtheke in einem Supermarkt © picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg
Von Udo Pollmer · 29.09.2017
Fleisch ist hierzulande zu billig, meinen viele und halten das für einen Beleg für eine besonders skrupellose Produktion. Doch die Preise liegen in Deutschland sogar über dem EU-Schnitt, erklärt Udo Pollmer. Höhere Preise zu fordern, hält er für falsch.
Fleisch ist viel zu billig, ruft empört der Zeitgeist. Niedrige Preise, so die Unterstellung, seien der Beleg für eine besonders skrupellose Produktion in deutschen Ställen. Dabei liegen die Fleischpreise in Deutschland stolze 20 Prozent über dem EU-Durchschnitt. In manchen EU-Ländern kostet das gleiche Produkt nicht einmal die Hälfte. Aus dieser Sicht wäre unser Angebot völlig überteuert, und die Unternehmen sollten sich was schämen, mit ihren Wucherpreisen jene Kunden auszubeuten, die den Euro zweimal umdrehen müssen.
Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen sind speziell die Sonderangebote ein Dorn im Auge, er warnt vor "Lockvogel-Angeboten", denn Fleisch würde "künstlich billig gemacht". Damit werden die Kunden in die Läden gelockt, wo sie verführt vom Schweinebauch das überteuerte Obst kaufen. Warum ereifert sich niemand, wenn Abos von Tageszeitungen verschenkt werden? Durch eine künstlich erhöhte Auflage sollen höhere Anzeigenpreise von Autofirmen, Möbelhäusern und Schuhdiscountern abkassiert werden. Damit diese wiederum ihre Angebote, ihre "Lockvögel" anpreisen können.

Umweltbundesamt will an der Steuerschraube drehen

Warum beklagt niemand, Damenschuhe seien viel zu billig? Die Herstellung von Schuhen belastet zweifelsfrei die Umwelt. Statt sich selbstkritisch vor die eigenen, oft übervollen Schränke zu stellen, mäkeln Verbraucherschützer lieber am Kühlschrankinhalt jener Verbraucher herum, die nicht das Geld haben, aus einer Laune heraus mal schnell Schuhe shoppen zu gehen.
Zustimmung erfuhr die Forderung des Umweltbundesamtes, die Subventionen für Fleisch abzubauen, insbesondere die Zuschüsse für Stallbauten. Neue Ställe bedeuten mehr Tierwohl. Wem also die Tiere am Herzen liegen, wird Zuschüsse in diesem Falle begrüßen. Die Vorstellung, dadurch würden mehr Tiere gehalten, ist ein Ammenmärchen. Zwar sind neue Ställe meist größer, aber es geben auch viele Betriebe auf – vor allem kleine mit veralteten Anlagen. Die Anzahl der Tiere, die bei uns gehalten werden, ändert sich durch neue Ställe nicht. Aber für das Wohlergehen der Tiere und ihrer Betreuer ist jeder Neubau ein Gewinn.
Die übrigen Subventionen sind unabhängig vom Nutzvieh. Was also will das Umweltbundesamt? Es will an der Steuerschraube drehen. Da für Lebensmittel ein niedrigerer Mehrwertsteuersatz gilt, soll dieser für Fleisch steigen, um den Kunden das Schnitzel zu verleiden und den Kauf von Grünzeug anzukurbeln. Es sei sogar denkbar, die Steuer für Obst zu senken. Sollte dem Bundesamt wirklich nicht klar sein, dass wir bisher schon 80 Prozent des Obstes importieren müssen? Belasten diese Transporte aus aller Welt etwa nicht die Umwelt? Sollen sie immer weiter zunehmen – obwohl wir Fleisch, Eier und Käse preisgünstig vor der Haustüre produzieren?

Vermaisung der Landschaft stört Behörde nicht

Seltsam: Während die Umweltbehörde den aufwendigen Import von jährlich fünf Millionen Tonnen Frischobst und Frischgemüse nicht der Rede wert erachtet, kritisiert sie die Entfernungspauschale für Berufspendler als besonders umweltschädlich. Die Behörde stellt damit jene Steuerzahler an den Pranger, die für ihren Broterwerb zeitraubende Fahrten in Kauf nehmen müssen. Offenbar fasziniert die Idee, dass jene Menschen, die unseren Wohlstand schaffen, sich im Grunde nur an der Umwelt versündigen. Dem Bürger soll wohl nicht nur das sättigende Essen, sondern auch das Erwerbsleben verleidet werden. Wenn keiner mehr arbeitet, so die Logik, profitiert die Natur. Dann pfeifen wir ein fröhlich' Lied und ziehen barfuß in den Wald zum Pilze sammeln.
Noch seltsamer: An den Subventionen für Biogas z. B. in Form von Mindestvergütungen stört sich die Umweltbehörde nicht – obwohl das zur Vermaisung der Landschaft führt und zu einer Flut von Gülle aus den Biogasanlagen. Würde das Geld genutzt, um alte Ställe durch neue zu ersetzen, wäre die Tierwohldiskussion wohl bald zu Ende.
Bisher galt in der Politik die Maxime: Grundnahrungsmittel wie Brot, Fleisch oder Kartoffeln müssen preiswert sein, damit jeder Bürger, egal ob arm oder reich, satt wird und arbeitsfähig bleibt. Doch die Zeiten ändern sich. Mahlzeit!
Literatur: Niehuss J: Armes Schwein – Fettes Geschäft. Arte, Sendung vom 5. Sept. 2017 Anon: Preis-Irrsinn im Supermarkt: Fleisch billiger als Obst! Bild.de vom 22. Juni 2017 Anon/Fraune B/dpa: Die Hack-Ordnung am Fleischregal. Greenpeace-magazin.de, Tiroler Tageszeitung Online, Osnabrücker Zeitung Online & n-tv.de vom 22. Juni 2017

Statista: Preisniveauindex für Fleisch in Europa nach Ländern im Jahr 2016. Statista.com

Statista: Import von frischem Obst und Gemüse nach Deutschland in den Jahren 2009 bis 2015 (in Millionen Tonnen.) Statista.com

Köder L: Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau 2016

Greenpeace: Subventionen für Billigfleisch abschaffen. Pressemeldung 05/2013

Anon.: Wie kann ein Kilo Fleisch billiger sein als ein Paket Zigaretten? Welt.de vom 22. Juni 2017

Knuf T: Umweltbundesamt fordert höhere Steuern auf Tierprodukte. Frankfurter Rundschau Online vom 5. Jan. 2017

Grossarth J: Wunsch und Wirklichkeit. Frankfurter Allgemeine Online vom 3. Juli 2016
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