Krise in Griechenland

Europa darf sich nicht erpressen lassen

Das griechische Parlament in Athen.
Das griechische Parlament in Athen. © AFP / ARIS MESSINIS
Von Stefan Wolff · 03.01.2015
Die kommenden Tage werden für den Euro zu einer Nagelprobe, meint Stefan Wolff: Der Euroraum müsse nun zeigen, dass er nicht erpressbar ist - weder von Griechenland, noch von den Finanzmärkten.
In Griechenland ist die Krise wieder voll entbrannt. Der Internationale Währungsfonds setzt seine Zahlungen aus, Sparer räumen ihre Konten leer, und politisch ist vor den anstehenden Neuwahlen ein Vakuum entstanden. An den Finanzmärkten hat diese Situation Spuren hinterlassen. Doch Panik - wie vor einigen Jahren, als Griechenland schon einmal am Rande des Abgrunds stand - herrscht heute nicht.
Aus gutem Grund, denn die Situation von damals lässt sich mit der heutigen nur schwer vergleichen. Als Griechenland im Jahr 2010 vor der Staatspleite gestanden hatte, hatte dies ein Finanzbeben ausgelöst. Irland, Portugal und Spanien hatten sich an den Finanzmärkten kein Geld mehr leihen können. Ein Rettungsschirm hatte den Kollaps des Euro verhindern können. Die Mechanismen verhindern ihn bis heute.
Aus der Perspektive der Finanzmärkte ist das beruhigend. Die Eurogemeinschaft hat einen Teil ihrer Hausaufgaben erledigt. Banken wurden stabilisiert, eine einheitliche Bankenaufsicht unter der Führung der Europäischen Zentralbank wird wohl dafür sorgen, dass es nicht mehr zu einem Flächenbrand kommt, auch wenn einzelne Institute sicherlich noch für Krisen anfällig bleiben.
Spagat zwischen Investitionen und Sparmaßnahmen
Den Staaten garantiert die Europäische Zentralbank mit ihren niedrigen Zinsen historisch günstige Finanzierungskonditionen. Krisenländer, wie Spanien oder Portugal aber auch Deutschland können sich so billig wie nie Geld an den Finanzmärkten besorgen. Wie sie dieses Geld einsetzen, ist freilich ihnen überlassen. Ob sie das Geld sinnvoll einsetzen? Darüber wird laut gestritten. Ein zu harter Sparkurs kann die Wirtschaft abwürgen oder ihre Erholung behindern. Es gilt, den Spagat zu finden, zwischen sinnvollen und in die Zukunft orientierten Investitionen und notwendigen Sparmaßnahmen.
Griechenland war auf diesem Pfad. Die jüngsten Wirtschaftsdaten waren ermutigend. Es gab Wachstum bei den Exporten, bei Löhnen und Konsum. Die anstehenden Neuwahlen könnten nun dazu führen, dass Griechenland den eingeschlagenen Weg verlässt und die Ausgaben nach oben fährt.
Sollte es so kommen, so wird dies vor allem die Troika, also EZB, Internationalen Währungsfonds und die EU-Kommission vor ein Dilemma stellen. Schon Ende Februar - also einen Monat nach der Wahl in Griechenland - laufen die Hilfszusagen für das Land aus. Es wird also ohnehin neu verhandelt werden. Und sollte die linke Syriza-Partei gewinnen, stehen harte Verhandlungen bevor.
Einlenken, den Druck erhöhen oder komplett zurückziehen
Die Troika hat dann drei Möglichkeiten: Sie könnte einlenken und Griechenland auch finanzieren, ohne weitere Sparbedingungen zu diktieren. Sie könnte den Druck auf die neue Regierung erhöhen und darauf hoffen, dass in der Realpolitik nichts so heiß gegessen wird, wie es im Wahlkampf gekocht wurde.
Oder aber sie könnte sich komplett zurückziehen, falls die neue Regierung die Bedingungen nicht akzeptiert. Allerdings kann Griechenland nicht auf eigenen Beinen stehen, so dass eine Staatspleite unweigerlich wäre und der Austritt der Griechen aus dem Euro sehr wahrscheinlich.
Trotzdem ist die erste Option die schlechteste. Bliebe Griechenland am Tropf der Troika, ohne seine Sparpolitik aufrechterhalten zu müssen, würde dies Begehrlichkeiten wecken. Spanien, Portugal und Irland haben immense Anstrengungen unternommen, um Wirtschaft und Finanzen wieder einigermaßen auf Kurs zu bekommen und den Rettungsschirm verlassen zu können. Sollte sich herausstellen, dass Geld auch ohne Anstrengung zu bekommen ist, würde das sicher Begehrlichkeiten wecken.
Sparpolitik in der Diskussion
Auch in anderen Ländern würde die Frage wieder lauter diskutiert werden, ob denn eisernes Sparen wirklich sein muss. In Frankreich, Italien, Belgien und auch hierzulande steht Sparpolitik bereits in der Diskussion.
Ein Scheitern und ein Euro-Austritt Griechenlands ist zwar für alle Beteiligten auch keine verlockende Perspektive, wäre aber für den Rest des Euroraums verkraftbar. Nicht zuletzt würde die EZB die folgenden Wogen an den Finanzmärkten glätten. Über die ohnehin angekündigten Anleihekäufe ist das möglich.
Die kommenden Tage werden zu einer Nagelprobe. Der Euroraum wird zeigen müssen, dass er nicht erpressbar ist. Weder von Griechenland, noch von den Finanzmärkten.
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