Krimis

Gebrochene Anti-Helden

Von Tim Krohn · 13.03.2014
Mankell, Nesser, Dahl oder Marklund: Die Liste der skandinavischen Starautoren wird länger und länger. Der deutsche Appetit auf die düsteren Krimis aus dem Norden scheint ungestillt. Geschadet haben die vielen bösen Krimis dem Schweden-Bild nicht.
"Was haben Sie gemacht?"
... wieder mal einen dieser düsteren skandinavischen Krimis gelesen? Henning Mankells melancholisch vor sich hin kränkelnden Kurt Wallander? Hokan Nessers Van Veeteren oder den ewig besoffenen Harry Hole von Jo Nesbö? Den Mörk von Adler-Olsen oder den aggressiven Gunvald Larsson aus den Kommissar Beck Büchern?
Fast alles (mal ehrlich) echte Kotzbrocken, diese Ermittler. Und trotzdem: die Deutschen lieben sie. Mehr als 120 skandinavische Krimiautoren tummeln sich mittlerweile auf dem deutschen Büchermarkt. Und ständig kommen neue dazu: Hjort und Rosenfeld zum Beispiel, Arne Dahl, Anne Holt, Osa Larsson, Helene Tursten.
"Wenn man Schweden mag, wenn man sieht, was für ein nettes Land das ist - dann interessieren einen doch irgendwann auch die Risse in der Mauer. Idyllen zerstören wir gerne. Und unsere Krimis tun genau das."
Daniel Sandström ist Kulturchef beim "Svenska Dagbladet" und verfolgt den Krimi-Boom in seiner Heimat schon lange:
"Man kann sagen, dass der Erfolg der schwedischen Krimis eigentlich schon in den 60er- und 70er-Jahren begann. Denn alles fing an mit dem Kommissar Beck von Sjöwall und Wahlöö. Diese Krimis steckten damals schon voller Gesellschaftskritik und stellten das schwedische Modell in Frage. 20 Jahre später hat dann die Figur des Kurt Wallander genau diesen Faden wieder aufgegriffen. Es geht weniger um einen Fall. Es geht darum, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt. Das ist die übergeordnete Frage."
Melancholische Outsider
Mankells Wallander oder die Millenium-Trilogie von Stig Larsson haben die halbe Welt erobert. Seitdem scheint es, als mordet es sich in Schweden ganz besonders gut. Denn die Welt hier oben scheint dunkel und abgrundtief schlecht.
Daniel Sandström: "Man kann nicht einen Polizisten beschreiben, der immer nur liebt, was er tut und der glaubt, dass alles gut ist. Das ist ein unmöglicher Held. Und deshalb gibt es diese melancholischen Outsider wie Beck oder Wallander. Der Polizist aus den schwedischen Krimis tut seine Pflicht. Aber er glaubt nicht mehr so richtig an das, was er tut."
Es seien alles ungelenke Außenseiter ohne jeden Charme, meint Sandström, depressiv und gebrochen, echte Anti-Helden – und genau deshalb so erfolgreich. Immer nur Bullerbü, das verträgt man nicht.
Das Skandinavien im Krimiformat wird dabei immer düsterer und brutaler. Es geht um Terror, Mafia, Sadismus, Verschwörung ... Es geht um alles.
Daniel Sandström: "Ein neuer Trend bei den schwedischen Ermittlern ist: Weniger Krimi, mehr Thriller! Es sind Bücher, die eher an die große, globale Politik anknüpfen. Das ist eher die Welt aus den John Le Carré-Romanen. Ein zweiter Trend aus Skandinavien sind die vielen weiblichen Ermittler. Die Hauptfiguren sind Frauen, oft richtige Nerds, asozial und aggressiv. Lisbeth Salander war das Modell dafür."
"Was haben Sie gemacht?" Das wollte die schwedische Fremdenverkehrs-Behörde neulich übrigens mal etwas genauer wissen. Sie gab eine Umfrage in Auftrag, ob sich das Schweden-bild durch die vielen bösen Schwedenkrimis denn verschlechtert hat.
Die Antwort? Nein. Die neuen Schrammen, heißt es da, machten das Bild im Ausland nur um einige spannende Nuancen reicher.
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