Kriminalitätsbekämpfung

Berliner Polizei testet Taser

Ein sogenannter Taser wird am 18.11.2013 auf dem Gelände der Landespolizeischule in Berlin im Rahmen einer Sitzung des Innenausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses präsentiert.
Der Taser schießt zwei dünne Metallkabel mit Widerhaken in die Haut der Zielperson. Durch die Drähte fließt für Sekunden Starkstrom. © picture alliance / dpa / Rainer Jensen
Von Claudia van Laak  · 07.06.2017
Die Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung wachsen - zur Freude von Waffenproduzenten und Rüstungshersteller. Auch das US-Unternehmen "Taser" profitiert davon. Viele Sondereinsatzkommandos sind bereits mit den Stromschlagwaffen ausgestattet, in Berlin läuft gerade ein Feldversuch.
"Eins – zwei – drei – vier – komm – fünf – sechs – schneller – sieben – acht – neu – einen noch – zehn – und die linke Treppe wieder hoch."
Zehnmal um einen Verkehrskegel rennen, Treppe rauf, dann kräftig zuschlagen bei einem Kollegen, der mit beiden Händen ein Polster vor seinem Oberkörper hält. Das Gesicht von Polizeioberkommissar Denny Böwe läuft rot an, auf der Stirn bilden sich erste Schweißperlen.
"Und ab geht´s, ab geht´s. Zu mir! Hier ist ein Kennzeichen."
Der 38-jährige Polizeibeamte – am Uniformgürtel rechts die Pistole P6, links der knallgelbe Taser – rennt die Trainingsstraße nach hinten. Sein Herz schlägt heftig. Am Ende des dunklen Gangs klebt ein Zettel mit einem Autokennzeichen: UEB – MO – 73807.
"Da ist ein Kennzeichen. Das wird gemerkt! Nicht abreißen! Merken! Haste? Komm mit. Schnell, schnell!"
Wieder den dunklen Gang zurück.
"Los, komm hier her. Und los. Auf die Markierung drauf. Die Figur wird getasert."

Sieht aus wie eine Wasserpistole

Denny Böwe steht in einer nachgebauten Bar. An der Wand zwei ausgediente Spielautomaten, daneben ein dunkler Holztresen, gegenüber ein blauer Papp-Kamerad. Der Polizeioberkommissar atmet tief durch, greift mit der rechten Hand zum Taser, der aussieht wie eine Wasserpistole, zielt auf den Papp-Kameraden.
Aus dem Taser schießen zwei Pfeile heraus, die dünne Drähte hinter sich herziehen. Im richtigen Einsatz bohren sich die Widerhaken der Pfeile in die Kleidung oder die Haut des Beschossenen, der Stromkreislauf schließt sich. Ein kurzer heftiger Stromschlag führt dazu, dass sich alle Muskeln verkrampfen, die angegriffene Person wird komplett außer Gefecht gesetzt, geht zu Boden, kann ((im Zweifel)) entwaffnet und festgenommen werden.
"Der Taser ist aus? Wird fixiert. Ich schalte das Gerät aus. Genau. Entferne die Kartusche. Bist noch nicht fertig. Komm mit!"
Noch einmal den dunklen Gang nach hinten rennen. Ein anderer Einsatztrainer wartet bereits, ein Beil über dem Kopf erhoben, stürzt sich auf Denny Böwe. "Ich bring Dich um!"
"Ich bring Dich um, ich spalte Dir den Kopf!"

Pistole oder den Taser?

An dieser Stelle im Einsatztraining geht es darum, die Reflexe des Polizisten zu testen. Welche Waffe zieht Denny Böwe, wenn sich jemand mit einem Beil auf ihn stürzt? Seine Pistole oder den Taser? Er zieht die Pistole. Gut gemacht, lobt Thomas Bevernick, Koordinator des Einsatztrainings.
"Wir können in der Kürze der Zeit nicht entscheiden, welche Kleidung trägt derjenige, in welchem geistigen Zustand befindet er sich, hat er vielleicht sogar eine Schutzweste an oder ähnliches. Das heißt, um das eigene Leben zu schützen ist das der reine Notwehrschuss auf so kurzer Distanz, mit einem Angriff, einer Stichwaffe, einer Hiebwaffe. Hier mit einem Beil. Also die Schusswaffe einzusetzen war die richtige Entscheidung."
"Kennzeichen, sag das Kennzeichen!"
Gerade erst knapp einem Angriff entkommen – soll sich Denny Böwe an das Autokennzeichen erinnern.
Der Polizeioberkommissar mit den kurzen blonden Haaren atmet tief durch, zieht die Stirn kraus. Ihm ist anzusehen, dass er im letzten Winkel seines Gehirns nach dem Autokennzeichen kramt. Da ist es. UEB – MO – 73807 – stößt der 38-Jährige hervor. Dann lächelt er – Einsatztraining erfolgreich beendet.
Denny Böwe hat sich freiwillig für den Pilotversuch mit dem Taser gemeldet. Sein Einsatzgebiet ist das Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg – viele Drogendealer, viele Taschendiebe.
"Na ja, wir haben am Kottbusser Tor viele Täter, die gerne mit Waffen rumrennen, meistens bei den Arabisch- und Türkischstämmigen, da ist gerne mal ein Messer mit im Spiel. Und da kann ich mir durchaus vorstellen, dass in einer bedrohlichen Situation man vielleicht den Täter nicht erschießen muss, sondern man versuchen kann, die Situation mit einem Taser zu lösen."

"Wir sind keine Präzisionsschützen"

Erschießen? Sind Polizisten nicht angehalten, zum Beispiel auf die Beine zu zielen, so dass die Täter lediglich außer Gefecht gesetzt werden?
"Erschießen muss ich nicht. Aber es kann durchaus sein, dass der Schuss abgelenkt wird. Was weiß ich, Unerfahrenheit des Schützen oder man verreißt nach oben oder unten. Und dann kommt es eben zu tödlichen Verletzungen. Man versucht das zu vermeiden, aber das kann ihnen keiner garantieren. Wir sind keine Präzisionsschützen. Und da kann´s schon mal sein, dass ein Schuss tödlich endet. Was beim Taser nie passieren könnte."
Denny Böwe klingt überzeugt. Für Kritiker der Elektroschock-Pistole wie Amnesty International kann der Taser durchaus eine tödliche Waffe sein – so könnte ein Angegriffener unglücklich stürzen oder einen Herzschlag erleiden.
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