Kriminalbeamte fordern Cyber-Cops

26.01.2009
Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen, hat bei der Bekämpfung von Internet-Kriminalität eine bessere rechtliche und personelle Ausstattung angemahnt. Jansen sagte, die Politik habe noch nicht erkannt, dass der Tatort Internet ganz anders als herkömmliche Tatorte sei.
Hanns Ostermann: In diesem Punkt dürfte Papst Benedikt XVI. kaum jemand widersprechen: Das Internet bietet auch die Chance für eine neue Kultur des Respekts, des Dialogs und der Freundschaft. In der Tat, digitale Netzwerke fördern Kommunikation und Kennenlernen. Allerdings, Segen und Fluch liegen auch hier dicht beieinander.

Die Schattenwirtschaft im Internet blüht, da werden die Daten von Kreditkarten geklaut, Kinderpornografie und extremistische Propaganda verbreitet. Die moderne Informationsgesellschaft steht vor riesigen Herausforderungen. Heute finden in Berlin die 3. Sicherheitsgespräche des Bundes Deutscher Kriminalbeamter statt, es geht um den virtuellen Tatort. Klaus Jansen ist Vorsitzender des BDK und jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur um 6 Uhr 52. Guten Morgen, Herrn Jansen!

Klaus Jansen: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Viele sagen, die virtuelle Welt ist ein Abbild der realen. Stimmt das oder geht es im Internet noch schlimmer zu?

Jansen: Also es geht insofern schlimmer zu, weil es ja nun wirklich keine Grenzen mehr gibt. Also das weltweite Web bedeutet, es gibt keine nationalen Grenzen. Sie wissen nicht, mit wem Sie sich unterhalten, wo er zum Beispiel sitzt, welchen Hintergrund er hat. Sie unterhalten sich ja dann oder gehen in Interaktion mit jemandem auch, von dem Sie gar keine Einschätzung haben. Das ist toll, spannend.

Aber es kann eben auch sein, dass sie als 14-Jährige mit einem über 50-jährigen Mann herumchatten und der Meinung sind, sie würden sich dort mit einem attraktiven 17-Jährigen auseinandersetzen und geben Informationen von sich preis, die der 53-Jährige nicht wissen sollte.

Ostermann: Welche Schlussfolgerungen müssen denn jetzt aus Sicht Ihrer Fachgewerkschaft gezogen werden?

Jansen: Wir müssen auf jeden Fall erst mal konzedieren, diese virtuelle Welt hat reale Täter und reale Opfer. Und das ist eine Sache, die müssen wir erst mal in die Köpfe auch der Nutzer, aller Nutzer eigentlich kriegen. Wenn Sie sich vorstellen, bei einem Taschendiebstahl haben Sie jemanden, der versucht Ihnen aus der Hosentasche was rauszuziehen, im Internet kriegen Sie es gar nicht mit, weil es virtuell passiert. Der Täter hat irgendwie eine Konstruktion aufgestellt, klickt nur mit der Maus, und schon ist die Straftat passiert. Wir als Opfer kriegen es manchmal gar nicht so richtig mit.

Für uns als Kriminalisten ist das Ganze auch ungeheuer schwierig, überhaupt zu fassen. Wir müssen wirklich den Leuten sagen, wer im Internet unterwegs ist, der muss auch gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Und das fängt schon mit der Sicherheit des Computers an. Ein Computer braucht gewisse Grundbedingungen von der Sicherheit her, von der Technik her, um sicher teilnehmen zu können. Im Straßenverkehr sind wir uns einig, dass Autos ohne TÜV nicht auf die Straße dürfen.

Ostermann: Der Verbraucherschutz, so wie "Der siebte Sinn" seinerzeit, ist sicher gut, den fordern Sie auch. Und trotzdem, wer Verbrechen begehen will, findet natürlich auch Wege. Machen wir es konkret: Die Bundesfamilienministerin will den Weg zu bestimmten Seiten der Kinderpornografie erschweren. Ist das jetzt ein richtiger Ansatz oder täuscht er nur Lösungen vor?

Jansen: Also ich würde eindeutig sagen, es ist eine trügerische Ruhe, die dort eintritt. Derjenige, der zu Kinderpornos finden will, findet zu Kinderpornos. Und wir haben als Kriminalisten dann eher das Problem, dass wir auch nicht die digitalen, die elektronischen Spuren nachverfolgen können von dem Konsumenten, der also solche Bilder nutzt, das ist ja meistens der Ansatzpunkt, hin zu den Gruppierungen, die Kinder zu Opfern machen.

Bei Kinderpornografie hilft es uns doch nicht, einen Weg fadenscheinig zuzustellen, der dann aber technisch doch umgangen werden kann. Uns geht es darum, die Kinder, die dahinter Opfer werden, die wollen wir aus den Situationen rausholen. Und die Täter, die Kinder zu Opfern machen, die müssen wir identifizieren.

Ostermann: Völlig klar, trotzdem: In Großbritannien, Schweden und Dänemark ist die Zahl der Kinderpornoadressen gesunken, unter anderem, weil man dort versucht hat, den Weg zu erschweren. Also muss man nicht diesen Weg gehen, um wenigstens ansatzweise etwas zu tun?

Jansen: Wahrscheinlich muss man beides tun. Und dieses Verstellen von Seiten, die praktisch wie im Schaufenster Sie animieren, weiterzugehen und zu gucken, was dahinter sich versteckt, die sind in der Tat in diesen Ländern zurückgegangen. Aber hilft das wirklich in dem Problem? Ich habe kürzlich gehört, dass mittlerweile die chinesische Regierung den Kampf gegen Kinderpornografie forciert. Ist das nicht auch ein Deckmantel, um dort gegen Dissidenten vorzugehen?

Also diesen international richtigen, moralischen Ruf, Kinderpornografie zu bekämpfen? Natürlich kann ich das nur unterstützen, aber es besteht auch bei Filtertechnologie immer die Frage, kann es nicht auch in andere Richtungen benutzt werden. Und da sollten wir uns als Demokratie sehr, sehr fragen, wenn es andere Ansätze gibt, nicht vielleicht erst mal diese auszureizen. Kann es nicht vielleicht ein Ultima Ratio sein? Also ich habe da eine sehr ambivalente Motivationsstruktur.

Ostermann: Was die Qualifikation Ihrer Mitarbeiter im Bund Deutscher Kriminalbeamter betrifft, fühlen Sie sich da von der Politik ausreichend unterstützt?

Jansen: Ich glaube, dass auch viele innerhalb der Kriminalpolizei und die Politik sowieso noch nicht erkannt haben, dass der Tatort Internet ein ganz anderer Tatort ist. Aus dem Fernsehen wissen wir, wenn da etwas passiert, dann wird so eine Flatterleine um den Tatort gespannt und es fängt an mit der Arbeit. Wenn Sie im Internet einen Tatort haben, ist der da oder er ist weg, und manchmal, oder häufig eigentlich, auch nicht in Deutschland.

Also Sie müssen sofort handeln, Sie müssen den ersten Angriff machen können. Die rechtlichen Möglichkeiten, die wir haben, wie wir sie auch aus dem Fernsehen im Prinzip kennen, sind alle nicht zulässig im Internet und auch nicht zulässig im Sinne von sinnvoll. Die Strafprozessordnung, nach der wir arbeiten, ist ja gemacht für die reale Welt. Wir müssen darüber nachdenken, welche Maßnahmen sind im Internet möglich, überhaupt möglich, weil sie, egal was sie tun, sich wahrscheinlich schon nicht mehr in Deutschland aufhalten.

Internationale Zusammenarbeit, wie erhebe ich Beweise, all das ist eine Rechtsproblematik, die noch gar nicht angedacht ist. Und deshalb brauchen wir wirklich, ich sage immer Cybercops. Und ich benutze bewusst dieses Wort, weil es auch ein Wort ist, was in der Internet-Community verstanden wird. Wir brauchen Cybercops, die in der Lage sind, vergleichbar wie in der realen Welt Sicherheit für die Bürger zu leisten. Und dafür brauchen wir Leute von den Universitäten, die direkt bei der Kriminalpolizei einsteigen, die IT so verstehen wie die ITler, die diese IT-Welt überhaupt konstruiert haben und weiterentwickeln. Ich glaube, dann haben wir Möglichkeiten.

Aber davon sind wir wirklich in der realen Welt weit entfernt. Und der Bürger muss darauf vertrauen können, dass wenn er die Polizei ruft, wenn er 110 im Internet sagt, ich brauche Hilfe, dass dann auch was kommt. Momentan gibt es nur Polizeiwachen, die sehen aus wie Polizeiwachen, sind aber Onlineformulare, da wird Ihnen nicht geholfen.

Ostermann: Es gibt viel zu tun, packen Sie es an. Der Bundesvorsitzende des BDK, des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen. Herr Jansen, danke für das Gespräch heute früh.

Jansen: Gerne, Herr Ostermann!