Kriegsheld vernichtend geschlagen

Von Georg Gruber · 26.07.2005
Er war eine der großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, mit einer wechselhaften politischen Karriere: Winston Churchill. 1940 wurde er britischer Premier und führte Großbritannien durch den zweiten Weltkrieg. Doch als der Krieg zu Ende war, wurde er, der Kriegssieger, zu Hause vernichtend geschlagen: Vor 60 Jahren, am 26. Juli 1945, verlor Winston Churchill die Unterhauswahlen in Großbritannien.
"Das ist euer Sieg! Die Sache der Freiheit hat in jedem Land gesiegt."

Der britische Premier Winston Churchill am 8. Mai 1945. Ein großer Tag, die Menschenmenge feiert den Sieg über Hitlerdeutschland.
Keine drei Monate später war Winston Churchill nicht mehr im Amt: Er, der Kriegssieger, verlor am 26. Juli 1945 die Unterhauswahlen. Eine große Überraschung, besonders im Ausland. Denn sein Herausforderer Clement Attlee von der Labour-Partei galt als farblos, - Churchill dagegen war einer der Großen Drei im Kampf gegen Hitler, neben Roosevelt und Stalin.
Winston Churchill, geboren am 30. November 1874, stammte aus einer alten englischen Adelsfamilie. In der Schule war er ein Versager. Beim Militär fand er seine erste Erfüllung. Seine zweite Berufung: Er wurde Kriegsberichterstatter, Journalist und Schriftsteller – 1953 bekam er den Nobelpreis für Literatur.

Seine wechselvolle politische Karriere begann 1900, als er für die Konservativen ins Parlament einzog. Vier Jahre später wechselte er zu den Liberalen und rückte auf der politischen Skala immer weiter nach links. Nach dem Sturz der liberalen Regierung wechselte er erneut die Partei, ging zurück zu den Konservativen und rückte auf der politischen Skala immer weiter nach rechts, überwarf sich schließlich mit dem Chef der Konservativen Partei. In den 30er Jahren schien seine Karriere beendet.

" Dieser Schwätzer und Trunkenbold Churchill, was hat er wirklich an dauernden Werten geschaffen, dieses verlogene Subjekt, dieser Faulpelz ersten Ranges?"
Adolf Hitler 1942 über seinen großen Gegenspieler

Hitler: " Wenn dieser Krieg nicht gekommen wäre … wer würde von ihm reden?"
Churchill hatte bereits früh vor Hitler gewarnt, doch man hörte nicht auf ihn. Erst nach dem Scheitern der Appeasement-Politik wurde er wieder gerufen und 1940 Premier und Kriegsminister einer Allparteienregierung.

" Nie glich er so sehr der Bulldogge, die fasst und nicht mehr loslässt und ihre Zähne immer tiefer eingräbt, je mehr man auf sie einschlägt."
Schrieb der Historiker Sebastian Haffner über den Churchill der ersten Kriegsjahre.

Den Sieg hatten die Briten maßgeblich Churchill zu verdanken, dennoch wurde er abgewählt. Der Grund: Churchill führte innerlich bereits den nächsten Kampf, gegen die rote Gefahr. Wieder war er der Warner, sah schon 1945 einen eisernen Vorhang fallen zwischen Ost und West. Und führte auch zu Hause Wahlkampf in einem Ton, als sei er im Krieg, als seien die Labour-Leute, seine ehemaligen Regierungskollegen, bolschewistische Umstürzler.
Die Bevölkerung aber hatte genug vom Krieg und von Warnungen vor neuen Gefahren. Sie wollte den Wiederaufbau der zerstörten Städte, Ruhe und soziale Sicherheit, den Wohlfahrtsstaat – all das versprach die Labour-Partei.

" Kurz vor der Dämmerung (des Wahltages) erwachte ich, … Die bisher vorbewusste Überzeugung, dass wir geschlagen waren, brach sich plötzlich Bahn und beherrschte mich. "
…schrieb Churchill später in seinen Memoiren. Für die Bekanntgabe des Wahlergebnisses war die Konferenz der Großen Drei in Potsdam unterbrochen worden, wo Stalin, Truman und Churchill über das besiegte Deutschland berieten und zu der Churchill auch Clement Attlee mitgenommen hatte. Beide reisten nach London, nur einer sollte nach Potsdam zurückkehren. Clement Attlee, dessen Labour-Partei mehr als doppelt soviel Sitze wie die Konservativen unter Churchill gewonnen hatte.

" Die Macht über die Zukunft zu bestimmen würde mir genommen werden. All mein Wissen und meine Erfahrung, die Autorität, die ich gewonnen hatte, die Bereitschaft vieler Menschen in vielen Ländern, auf mich zu hören: Alles würde verschwinden. "
Das Ende seiner Karriere, mit 71 Jahren? Nein, noch immer nicht. 1951 wurde er zum zweiten Mal Premierminister, trat dann aber 1955 wegen gesundheitlicher Probleme zurück. Er starb 1965 im Alter von 91 Jahren.