Kreisky: "Blitz"

Gegenmodell zum gefühligen Deutschpop

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Die Musiker der österreichischen Indie-Rockband "Kreisky". © Foto: Ingo Pertramer
Franz Adrian Wenzl im Gespräch mit Carsten Beyer · 26.03.2018
Auf ihrem neuen Album "Blitz" rückt die Wiener Indie-Band Kreisky österreichischen Befindlichkeiten mit Spott und schwarzem Humor zu Leibe. Als politische Band verstehe man sich jedoch nicht, sagt Sänger Franz Wenzl im Gespräch.
Carsten Beyer: Guten Tag, Herr Wenzl!
Franz Adrian Wenzl: Guten Morgen, hallo!
Beyer: Ihr Lied "Ein Depp des 20. Jahrhunderts" könnte man ja so interpretieren, dass Sie als jemand, der im 20. Jahrhundert sozialisiert worden ist, vor den Scherben sozusagen dessen stehen, was damals wichtig war – die europäische Idee zum Beispiel, der Umweltschutz, die Kritik an überkommenen Traditionen. Ist dieses Lied tatsächlich autobiografisch, also sieht Ihre Gefühlslage momentan so aus?
Wenzl: Es gibt einen Teil meiner Gefühlslage, die so aussieht. Ich schreibe nicht über mich selbst, ich schreibe nicht autobiografisch, aber ich versuche immer wieder, so Teile in mir aufzublasen zu einer vollständigen Person und damit dann zu arbeiten. Es ist eine Übersteigerung von einem Gefühl, das ich doch durchaus kenne – wohin mit meinen mehreren Tausend CDs zum Beispiel, nachdem die CD so einen schlechten Leumund hat, nur um ein einfaches Beispiel zu nennen. Und genauso viele andere Wahrheiten, sei es jetzt politisch – wir haben ja doch in ganz Europa so einen Rechtsruck, den wir uns nicht vorstellen hätten können vor 20 Jahren – und ähnliche Thematiken, wo man sich dann zurücksehnt fast in die Sicherheiten, die man so kennengelernt hat.

"Wir sind keine politische Band"

Beyer: Gerade dieses Engagement und eben auch so gewisse politische Überzeugungen, damit hat man es möglicherweise gar nicht so einfach derzeit in Österreich, noch dazu, wenn man sich im Bandnamen auf einen großen Sozialdemokraten bezieht wie Sie. Wie ist das, sehen Sie sich da so ein bisschen unter Druck, oder sagen Sie, nein, jetzt gerade wird unsere Musik ganz besonders gebraucht?
Wenzl: Ehrlich gesagt, tue ich mich da schwer, weil wir sind ja keine politische Band. Wir sind ja eigentlich eine, ich würde fast sagen eine rein ästhetische Band, und dass die Figuren so sprechen, wie sie sprechen, das ist eigentlich irgendwie so Alltagsbeobachtung, aber wir sind tatsächlich nicht so politisch jetzt. Ich weiß nicht, ob wir gebraucht werden, wir machen einfach Musik, das ist das Ding.
Beyer: Ich hab vorhin in der Anmoderation schon gesagt, Kreisky waren gewissermaßen Role Model für Bands wie Wanda oder Bilderbuch, die jetzt große internationale Erfolge feiern. Sehen Sie das auch so, oder sagen Sie, nee, eigentlich hat das mit uns gar nicht so viel zu tun?

Keine Lust auf gefühligen Indie-Pop

Wenzl: Role Model ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber wir waren sicher an so einer Schaltstelle oder so. Mein Gott, also Popgeschichte wie Geschichte überhaupt setzt sich immer fort, eins baut auf das andere auf, und ich denke, wir waren da schon eine Band, die als Erste bieder und in den Nullerjahren so ein bisschen grantiger waren. Wir haben uns selbst verstanden als Gegenmodell zu einem Deutschpop, der so sehr melancholisch war, sehr gefühlig, netter Indie-Pop, da haben wir gewusst, da werden wir jetzt was dagegensetzen. Ich denke schon, dass das auch aufgegriffen wird, neben vielem anderen.
Beyer: Nun ist es ja immer so, Sie haben es gesagt, es kommt in Wellen, da fängt mal einer an, macht irgendwas, und dann kommen andere, und die haben dann den großen Erfolg. Empfinden Sie das vielleicht auch ein bisschen als ungerecht, weil für Kreisky ist ja so der ganz große Erfolg bislang zumindest ausgeblieben?
Wenzl: Wir empfinden uns eigentlich als sehr erfolgreich. Wir kommen ja aus einer, so wie wir sozialisiert sind, wir kommen eigentlich aus einer Taper-Szene. Wir haben so angefangen mit Vierspurrekorder und mit Homerecording-Experimenten und dann von einem aufs andere und so weiter. Und eigentlich ist dieser Erfolg, den wir haben, der auch ein schöner Erfolg ist – das ist jetzt kein U2-artiger Erfolg –, muss ich sagen, ist der schon für uns immer wieder erstaunlich. Es ist eigentlich nicht in unserer DNA drinnen, mit dem Deutschlandfunk ein Interview zu führen.

Die großen Themen sind zu groß, um zu schimpfen

Beyer: Erfolg liegt ja auch immer im Auge des Betrachters, da haben Sie natürlich völlig recht. Wenn man sich diese neue Platte "Blitz" mal anhört, fällt mir zumindest auf, dass der Grundtenor dieses Albums nicht besonders fröhlich ist. Wir haben ja gerade schon über den "Depp des 20. Jahrhunderts" gesprochen, dann gibt es da auch Titel drauf wie "Ich löse mich auf" oder "Veteran der vertanen Chance". Das klingt so ein bisschen wie Zelebrieren eines gewissen Verlierertums. Ist das eine politische oder eine künstlerische Strategie, oder sind die Songs einfach so aus Ihnen rausgeflossen?
Wenzl: Das ist eigentlich was, was so passiert. Wir machen unsere Lieder experimentell, das heißt, wir versuchen auch eigentlich auf die Musik einzugehen mit den Texten. Eigentlich kommt es aus einer Vorstellung. Wir machen gemeinsam die Musik, ich stelle mir dann vor, okay, du musst das jetzt präsentieren auf einer Bühne, was sagt mir die Musik, wie stehe ich dann auf der Bühne, und dann ist irgendwie so klar, okay, da muss man jetzt wahrscheinlich schreien. Und das setzt was voraus, da muss man dann irgendwie ein Thema finden.
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Die österreichische Indie-Rockband Kreisky.© Foto: Ingo Pertramer
Und nachdem ja die großen Themen meistens zu groß sind, um zu schimpfen, weil ich da zu wenig intelligent dafür bin, um die Weltlage zu erklären, denke ich mir, dann schimpfe ich doch über die kleinen Themen. Das hat dann so einen komischen Bruch, den wir eigentlich dann auch immer suchen. Und bei einem Stück zum Beispiel, beim "Veteran der vertanen Chance", weil Sie das angesprochen haben, da war es überhaupt so, dass die Musik – wir haben versucht, sehr spontan zu arbeiten, sehr schnell zu schreiben, um nicht die Sachen zu überdenken. Und da hab ich dann das Gefühl gehabt, ah, das ist jetzt so ein Stück in der Tradition von New Wave, von Tredivision, von The Cure, die haben ja alle sehr viel gejammert, diese Bands, es hat einen gewissen Singduktus, den es da gibt - wie kann ich das quasi für mich verarbeiten. Und das war dann irgendwie so das Gefühl des gemeinsamen Jammerns, des Sichgefallens auch in dieser Pose, das war dort dann schon ganz absichtlich bei dem Stück jetzt.

Abscheulichkeiten mit Humor

Beyer: Auf der anderen Seite ist natürlich auch immer Humor mit dabei, und zwar meistens eher so ein schwarzer oder selbstironischer Humor. Das ist ja eine österreichische Tradition, also Ihr Land hat ja großartige Antihelden hervorgebracht, beispielsweise den Fernsehkommissar Kottan oder auch die Figuren eines Josef Hader. Ich frag mich manchmal, wie konnte eigentlich in einem solchen Land jemand wie Sebastian Kurz dann Bundeskanzler werden in dieser Tradition?
Wenzl: Wenn ich das wüsste, dann würde ich rund um die Uhr im ORF kommentieren. Vielleicht, was mir auffällt – ich wohne jetzt auch schon einige Jahre in Deutschland –, einer der kleinen Unterschiede, die es gibt, ist vielleicht, dass dann doch auch in der politischen Kultur so der Witz sehr viel zählt. Also wenn früher Jörg Haider eine Abscheulichkeit gesagt hat, aber er hat's doch mit Humor gebracht, dann hat man immer auch noch dem Schmäh, der dann dabei war, und dem, was er sich da getraut hat, ein bisschen Respekt gezollt: Aha, hähä … Das würde in Deutschland nicht durchgehen, die Aussage selbst würde das überstrahlen, in Österreich zählt das dann doch ein bisschen. Und manche Sachen sind vielleicht ein bisschen wurscht.
Beyer: Das sagt Franz Wenzel, Sänger und Keyboarder von der Gruppe Kreisky. Die Band ist übrigens demnächst auch auf Tour in Deutschland zu erleben. Wer sich das angucken möchte, auf der Webseite der Band stehen die Konzertdaten. Vielen Dank, Herr Wenzel!
Wenzl: Vielen Dank, super!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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