Kreative Umsatzsteigerung

Retouren für die Mülltonne

Eine Outdoor Art Installation aus Elektroschrott im Yucca Valley in den USA.
Kreativer Umgang mit Retouren: Neuware für die Elektroschrottpresse? © Unsplash / Camille Villanueva
Von Timo Rieg · 06.08.2018
Amazon-Schredder und Abwrackprämie. Wenn er nicht schnell genug konsumiert, wird auch der Verbraucher überflüssig. Drei anarchische Tipps, sich dem Konsumzirkus zu widersetzen.
In München brummt die Wirtschaft. 3000 Leihfahrräder hat die Firma Obike ungebeten in die Stadt gebracht. "Die gelben Leihradl verschandeln unsere schöne Stadt" schimpft die Boulevardzeitung tz. Deshalb mühen sich die Bürger kreativ, aus neuen Rädern Schrott zu machen: In der Isar liegen sie, in Bäumen hängen sie, zu Skulpturen werden sie im Englischen Garten aufgetürmt. Das Fahrrad, früher mal Geschenk zu Konfirmation oder Abitur, ein Wegwerfprodukt. "Bike to go" sozusagen.

Amazon vernichtet massenhaft neuwertige Ware

Problematisch wird es allerdings, wenn es zum Schrottmachen den Bürger nicht mehr braucht. "Frontal 21" hat kürzlich enthüllt, Amazon vernichte massenhaft neuwertige Ware. Es bedürfe nur eines Fingerschnipsens des Konzerns, und neue Kaffeevollautomaten, Handys oder Tablets landeten im Schredder.

Solch eine Enthüllung macht uns Verbraucher wütend. Während wir in mühseliger Kleinarbeit Produkte und Preise vergleichen, bestellen, begutachten, zurückschicken, anderes ordern, erneut testen und nur gelegentlich die Rücksendung verschwitzen, verbraucht Amazon gleich alles selbst: Neue Ware in die Regale, vom Regal in den Schredder, schon ist wieder Platz für die nächsten Produkte.
Da kann selbst der Umweltschützer nicht meckern, es ist ein perfekter Kreislauf, der allerdings keinen Platz mehr kennt für uns als Verbraucher. Wenn sich das durchsetzt, sind wir weg vom Markt. Der Amazon-Schredder macht uns bedeutungslos. Gewitzte Hobbyökonomen wenden hier natürlich ein, es fehle einem solchen Wirtschaftssystem am finanziellen Input. Denn immerhin dafür ist der humane Verbraucher ja noch nützlich: Er gibt der Wirtschaft seine Lohntüte, sein Taschengeld, sein Erbe.

Wirtschaft verdient auch durch staatliche Subventionen

Allerdings übersieht dieser Einwand das bewährte Konzept der Abwrackprämie. Die gab es keinesfalls nur 2009, als der Staat jedem 2.500 Euro gezahlt hat, der sein funktionstüchtiges Auto in die Presse schickte. Es gibt Geld für nicht beackerte Äcker, für den Abriss von Atomkraftwerken, für die Erzeugung von Strom, den niemand haben will. Oder denken wir an männliche Legehuhnküken: produziert und geschreddert von der ökologischen Landwirtschaft, völlig autark.
Die Wirtschaft ist keineswegs auf uns Verbraucher angewiesen. Das hat sie von den Beamten gelernt: Eine optimale Bürokratie beschäftigt sich auch nur noch mit sich selbst, verschiebt und bestempelt Akten in einem ewigen Kreisverkehr ohne jeden Bürgerkontakt.

Wirtschaftswachstum verlangt mehr Verbrauch

Der Kapitalismus stellt gerade die Vertrauensfrage: Wenn die individuellen Verbraucher noch eine Rolle spielen wollen, müssen sie ihren Verbrauch optimieren. Wirtschaftswachstum verlangt, den Verbrauch zu steigern. Das neue Handy kommt doch schon automatisch, wenn man seinen Vertrag nicht rechtzeitig gekündigt hat.
Warum sollte die Wirtschaft warten müssen, bis wir uns mit der neusten Mode angefreundet haben und Frisur oder Auto wechseln, anstatt uns einfach mit dem neusten Schrei zu beglücken? Wenn der Verbraucher seiner originären Aufgabe des Verbrauchens nicht im notwendigen Tempo nachkommt, dann muss uns der Kapitalismus zwangsbeglücken. Andernfalls sind wir raus aus dem Spiel.

Konsumsteigerung als "Bürgerpflicht der Verbraucher"

Schon heute bauen Roboter Roboter, die dann Kühe melken, alte Menschen pflegen oder im Krankenhaus defekte Herzen und Hirne reparieren. Wenn wir nicht aufpassen, melken, pflegen und reparieren die Roboter bald nur noch sich selbst - weil es uns nicht mehr braucht. Es liegt also an Ihnen, ob wir morgen noch Verbraucher sind. Helfen Sie mit, kommen Sie Ihrer Bürgerpflicht nach.
Drei einfache Tipps:
1) Senden Sie grundsätzlich keine Waren von Online-Shops zurück, egal wie hässlich oder schrottig diese sind. Werfen Sie diese einfach in den Müll, lassen Sie sich Ihre Kernkompetenz nicht vom Händler wegnehmen.
2) Wählen Sie, wo immer möglich, bei Lieferungen die Abo-Funktion, im kürzest möglichen Intervall. Neue Socken kann Amazon am besten täglich schicken.
3) Beherzigen Sie die alte Diät-Regel "Friss die Hälfte", aber verdoppeln Sie Ihre Lebensmitteleinkäufe. Die Biomülltonnen vieler Haushalte sind bisher höchstens halb gefüllt.
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