Krankenhäuser in Geldnöten

Moderation: Hanns Ostermann · 02.07.2008
Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Gitta Trauernicht, hat beklagt, dass den Krankenhäusern das Geld ausgeht. Die Sozialministerin von Schleswig-Holstein sagte anlässlich der Gesundheitskonferenz, es werde für die Krankenhäuser zunehmend schwieriger, mit den ihnen zugewiesenen Mitteln auszukommen. Trauernicht sprach sich dafür aus, die Höhe der Fallpauschalen in den Ländern anzugleichen.
Hanns Ostermann: Die Lage ist dramatisch. Wenn Angehörige dies von Ärzten hören, dann wissen sie, es geht um Leben und Tod. Als dramatisch hat jetzt die Ärztegewerkschaft Marburger Bund die Lage vieler Kliniken und Krankenhäuser in Deutschland bezeichnet. Jede zweite Einrichtung schreibe in diesem Jahr rote Zahlen. Auch hier geht es um die Existenz. Wenn sich heute im Schloss von Plön die Gesundheitsminister der Länder treffen, dann dürfte dieses Thema ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Die Vorsitzende der Konferenz ist die Sozialministerin von Schleswig-Holstein Gitta Trauernicht von der SPD. Guten Morgen, Frau Trauernicht!

Gitta Trauernicht: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Woran liegt es, dass nur wenige Krankenhäuser bei uns schwarze Zahlen schreiben?

Trauernicht: Nun, bis vor wenigen Jahren war die Situation der Krankenhäuser noch verhältnismäßig gut, aber die Kostenschere hat sich gerade in den letzten Jahren erheblich auseinanderentwickelt. Die Einnahmen sind gesunken oder nur sehr gering angestiegen, während die Ausgaben durch Tarifsteigerungen, durch Mehrwertsteuer, durch Kostensteigerung im Energiebereich deutlich angestiegen sind, und das macht die brisante Situation aus.

Ostermann: Ulla Schmidt, die Bundesgesundheitsministerin kritisiert vor allem den Investitionsstau. Gelder, die in die medizinische Versorgung fließen müssten, werden für Umbauten abgezweigt, das heißt doch wohl, wir zahlen heute die Zeche für die Fehler in der Vergangenheit?

Trauernicht: Nun, das sehen wir als Länder naturgemäß etwas anders. Wir haben in die Krankenhäuser investiert, und die Investitionsmittel werden auch da platziert, wo sie erforderlich sind. Wir investieren nicht mehr in Küchen oder Betten, sondern wir investieren darin, dass die Prozessabläufe in den Krankenhäusern so sind, dass sie mit den vorhandenen Budgets auch tatsächlich auskommen können. Das ist auch im Interesse der Patientinnen und der Beschäftigten. Insofern ein Thema, über das man sicherlich reden muss. Die Investitionen müssen auch in Zukunft auf einem hohen Niveau bleiben. Das verstehe ich, dass die Bundesgesundheitsministerin dieses Thema anspricht. Aber uns geht es natürlich vorrangig auch um die Frage, ob das Budget tatsächlich stimmt und da gibt es politischen Handlungsbedarf.

Ostermann: Jetzt verspricht der Bund einen finanziellen Zuschuss für mehr Pflegekräfte, koppelt den allerdings an Forderungen, sie müssten mehr Kompetenzen erhalten, Arbeitsabläufe richteten sich zu häufig nach den Wünschen der Chefs, nicht nach dem Gebot vernünftiger Patientenversorgung. Stinkt der Fisch, soweit Sie das beurteilen können, wirklich vom Kopf her?

Trauernicht: Die Organisation eines Krankenhauses unter modernen Gesichtspunkten ist sicherlich auch eine Herausforderung. In der Tat gibt es da und hier überholte Strukturen, die man sich ganz sicherlich ansehen muss. Aber der Druck durch das DRG-System ist in den letzten Jahren ...

Ostermann: Durch welches System?

Trauernicht: Ein neues Finanzierungssystem, bei dem nämlich für eine Behandlung zum Beispiel eines Blinddarms eine Pauschale gezahlt wird. Dieses neue System, das Fall-Pauschalsystem, das hat die Krankenhäuser ohnehin schon gezwungen, ihre Abläufe zu überprüfen. Das ist natürlich auch ein Punkt, aber trotzdem bleibt es bei der Schlüsselfrage, können die Krankenhäuser mit den Mitteln, die sie bekommen, auch tatsächlich auskommen. Und da bin auch ich ganz eindeutig der Meinung, nein, das können sie zunehmend weniger, zumal, wenn Sie sehen, niedrige Fall-Pauschaleinnahmen, wie das zum Beispiel für das Land Schleswig-Holstein zutrifft.

Ostermann: Sie haben ein Stichwort genannt, die Fall-Pauschalen. Das ist ja für uns Laien völlig unverständlich, dass eine neue Hüfte bei Ihnen in Kiel 6358 Euro kostet, in Mainz 7008 Euro. Wie kommt es zu so unterschiedlichen Fallwerten?

Trauernicht: Das hat mit der Entstehungsgeschichte dieses Fall-Pauschalensystems zu tun. Früher wurden diese Preise ausgehandelt auf der Basis der real entstandenen Kosten. Aber das hat vernachlässigt, dass in Schleswig-Hostein die Leistungen in den Krankenhäusern schon immer sehr wirtschaftlich erbracht worden sind. Und deswegen ist es jetzt immer schwieriger, Synergieeffekte zu erschließen. Und deswegen ist der Druck auch so gewaltig groß in Schleswig-Holstein. Deswegen wollen wir jetzt eine gerechte Finanzierung. Und gerecht heißt, dass der Blinddarm in Schleswig-Holstein genauso finanziert wird wie in Rheinland-Pfalz, Bremen oder Bayern.

Ostermann: Oder die neue Hüfte. Aber die Frage ist ja, ob diese Länder, die höhere Fallwerte haben, ob die Ihnen in Schleswig-Holstein zum Beispiel entgegenkommen?

Trauernicht: Das ist ein harter Kampf, eine harte Auseinandersetzung, die ich seit zwei Jahren intensiv führe. Wir sind hier zu, wie ich finde, ganz guten Zwischenergebnissen gekommen. Ulla Schmidt legt jetzt das Ziel des bundesweiten Basisfallwerts als ein zentrales Ziel vor. Und ich erwarte jetzt von den Länderkolleginnen und -kollegen, dass sie diesem Ziel nicht mehr im Wege stehen.

Ostermann: Ist dieses das herausragende Thema der Gesundheitsministerkonferenz, Frau Trauernicht, oder welchem anderen Bereich sehen Sie voller Spannung entgegen?

Trauernicht: Nun, ohne Frage wird die Krankenhausfinanzierung, die alle Länderkolleginnen und -kollegen sehr drückt, ein herausragendes Thema sein. Wir werden eine Demonstration von mehreren Tausend Mitarbeitern aus schleswig-holsteinischen Kliniken haben. Das untermauert noch mal die Brisanz dieses Themas. Und Ulla Schmidt hat die lang ersehnten Eckpunkte zur Neuordnung des finanzpolitischen Rahmens der Krankenhäuser nun ganz aktuell in dieser Woche vorgelegt. Man kann sich vorstellen, das ist ein Schlüsselthema.

Das gesamte Gespräch können Sie bis zum 2.12.2008 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio