Korrespondenten berichten über

Coronamüdigkeit

03:45 Minuten
In einer kleinen Kabine steht ein Mann mit Mundnasenschutz und hält ein Fieberthermometer in der Hand.
An manche Orte kommt man in Peking nur, wenn man seine Corona-App vorzeigt. Die meisten Chinesen nehmen das hin, sagt unsere Korrespondentin. © picture alliance / dpa / Sputnik / Anna Ratkoglo
Von Matthias Baxmann und Matthias Eckoldt · 26.03.2021
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In Indien gibt es eher eine Corona-Ignoranz. Die Chinesen haben sich an Corona-Apps auf dem Handy gewöhnt, ohne die man nicht in Restaurants kommt. Südafrikaner verstehen Proteste gegen die Pandemie-Maßnahmen auf der Nordhalbkugel nicht.
Silke Diettrich in Neu Delhi:
"In Indien ist es schwierig von Coronamüdigkeit zu sprechen. Es wäre treffender, wenn man sagt, es gibt eine latente Corona-Ignoranz. In den letzten Monaten sind die Zahlen dramatisch nach unten gegangen und mittlerweile ist es so, dass Alles wieder geöffnet hat. Ich war lange Zeit jetzt auch auf Dörfern unterwegs und da war es so, dass die Inderinnen und Inder mir gesagt haben, wir sind eigentlich so vielen Viren unser ganzes Leben lang ausgesetzt, da ist jetzt Corona nur ein Tropfen, der oben noch mit draufkommt."
Oliver Neuroth in Madrid:
"Ich habe den Eindruck, dass das in Spanien so ein bisschen sinuskurvenmäßig verläuft mit dem Coronafrust. Natürlich gibt es auch hier Leute, die keine Lust mehr auf die Coronaauflagen haben, weil das Zwischenmenschliche, das Treffen von Freunden, von Verwandten einfach so wichtig ist für viele Spanier. Die Familie ist wichtig und dann ist es tatsächlich so, dann sagen sich schon Einige, ja, komm Mensch, jetzt treffe ich mich mal wieder mit zwei, drei oder auch vier, fünf, sechs Freunden, weil, große Gruppen, das mag der Spanier gerne, weil einfach dann die Lust so groß ist, sich auch mit Menschen zusammen zu setzen."
Ruth Kirchner, Peking:
"Man hat so den Eindruck, dass sich die Leute daran gewöhnt haben, an die Neuerungen, die im Zuge der Pandemie letztes Jahr eingeführt worden sind, also, unter anderem eben diese Corona-Apps, die man auf den Handys haben muss. Da werden auch Bewegungsprofile erstellt. Man kommt beispielsweise in Peking nur dann in bestimmte Restaurants rein, wenn man seine App vorzeigt. Die meisten Chinesen nehmen das hin. Man hört immer mal wieder Klagen, aber in einem Land wie China ist es halt so, dass man nicht wirklich eine andere Wahl hat."
Jana Genth in Südafrika:
"Generell ist es schon so, dass die Südafrikaner sich daran gewöhnt haben, dass sie flächendeckend wirklich ihre Masken tragen, dass sie Abstand halten und sich ständig die Hände desinfizieren. Also, das ist uns so was von in Leib und Seele übergegangen. Die klassische Coronamüdigkeit gibt es vielleicht nicht so wie auf der Nordhalbkugel, aber auch hier war es natürlich so, weil wir wirklich schon ein ganzes Jahr im Lockdown sind, dass es vor Weihnachten große Partys gegeben hat, speziell junge Leute, die sich dann am Strand trafen zu tausenden. Das war dann natürlich auch ein Superspreader Event und danach gingen die Zahlen hier wirklich extrem hoch. Wenn Südafrikaner Geschichten von der Nordhalbkugel hören, dass da protestiert wird und dass Leute sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, dann schütteln die tatsächlich mit dem Kopf, dann denken die sich, wie, deswegen gehen Leute auf die Straße? Und deshalb protestieren die? Also das versteht man hier überhaupt gar nicht. Die Herangehensweise ist, glaube ich, eine komplett andere, hier wissen die Leute, es schützt ihre eigene Gesundheit und die ihrer Familie."
Ivo Marusczyk in Buenos Aires:
"Die Menschen sind hier in Argentinien genauso gestresst oder sogar noch mehr als in Deutschland. Wir hatten hier ja noch einen viel längeren und strengeren Lockdown. Die Argentinier sagen ja schon, wir haben uns einen Platz im Guinness-Buch verdient, weil, hier war es tatsächlich so, dass der Lockdown acht Monate lang war. In den ersten 100 Tagen durfte man noch nicht mal in den Park. Hier ist diese Müdigkeit ganz stark spürbar, die Leute konnten diese Lockdown-Maßnahmen gar nicht mehr richtig durchhalten. Als hier der Sommer angefangen hat, da war das richtig spürbar, wie sehr die Leute das genossen haben, dass sie jetzt endlich mal wieder ein bisschen raus dürfen. Was es aber nicht gibt, sind organisierte Proteste."

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