Konzertraum MONOM in Berlin

Klangerlebnis in 4D

MONOM im ehemaligen DDR-Funkhaus in der Berliner Nalepastraße
MONOM: 16 Säulen mit jeweils drei Lautsprechern erzeugen den 4D-Sound. © Becca Crawford
Hartwig Vens im Gespräch mit Gesa Ufer · 15.12.2017
Das ehemalige DDR-Funkhaus in der Berliner Nalepastraße erlebt einen Aufschwung, denn die Studios und Sendesäle werden wegen ihrer Akustik international geschätzt. Ein Beispiel ist MONOM, ein Raum, der ein bisher unerreichtes Klangerlebnis verspricht.
Hartwig Vens, Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur, war im MONOM und hat seine Ohren aufgesperrt.
Gesa Ufer: Dieser Raum, dieses Klangerlebnis – klingt geheimnisvoll – was hat es damit auf sich?
Hartwig Vens: MONOM ist erst mal ein Konzert-Ort für elektronische Musik, also nicht Clubmusik, sondern Sound Art und Klanginstallationen. Der befindet sich in einem dieser Gebäudeteile vom Funkhaus, die bisher ungenutzt vor sich hingegammelt haben. Da wird jetzt aber überall kräftig renoviert und das steht eben für den Aufbruch, der dort seit einiger Zeit schon verschärft stattfindet. Und Kern von MONOM ist das sogenannte 4D-Soundsystem. Das gibt es schon seit einigen Jahren, hat aber jetzt mit MONOM seinen festen Standort bekommen. Und das Versprechen von 4D ist, dass wir ein nie gekanntes Erlebnis des räumlichen Hörens bekommen.
Ufer: Wie funktioniert dieses 4D-Soundsystem?
Vens: Erfunden hat das der Niederländer Paul Oomen für eine künstlerische Arbeit. Er sagt über sich:
Paul Oomen: "Ursprünglich bin ich Komponist und habe mich viel mit dieser Art Fragen rund um Raum, Präsenz und Sound beschäftigt. Die Tatsache, dass ich so ein System entwickeln wollte, war Teil meiner Theaterpraxis. Ich komponiere für Oper und Theater. Für die Oper "Nikola", eine fünfstündige Elektronikmusik-Oper, inspiriert vom Leben und Arbeit des genialen Erfinders Nikola Tesla wollten wir die Art, wie das Publikum das Theater wahrnimmt, völlig verändern. Vermischung von Zuschauern und Sängern im selben Raum, Szenen, die in unterschiedlichen Ecken des Saals spielen. Dazu brauchte ich ein Soundsystem wie dieses hier. Und als die technologische Entwicklung durchstartete, wurde das zu einem Projekt für sich."

Lautsprecher, die rundum Klang abstrahlen

Ufer: Und wie können wir uns das nun vorstellen in diesem Raum. Was sieht man da?
Vens: Der Raum ist, würde ich schätzen, 100 Quadratmeter groß und darin stehen 16 Säulen, die, wenn man von oben drauf gucken würde, so wie ein Gitter angeordnet sind. Also alle im gleichen Abstand und die Stangen, mit denen sie miteinander verstrebt sind, stehen alle im rechten Winkel zueinander. Und in jeder Säule befinden sich 3 omnidirektionale Lautsprecher, die also rundum Klang abstrahlen können. Und wie das, was da alles rauskommt, zusammenspielt, kann der Musiker über eine Software steuern und hat dadurch Tausend Möglichkeiten, mit den Sounds im Raum zu spielen. Man sieht auf dem Bildschirm dann ein 3-D-Modell dieses MONOM-Raums und darin schweben Würfel und Quader in verschiedenen Farben und Größen herum. Die kann man im Raum bewegen, überlagern, auseinanderziehen usw. und so den Sound auf alle mögliche Art durch den Raum schicken.
Oomen: "Der Sound geht in diesen virtuellen Raum, und der Künstler kann sehen, und daher hoffentlich auch hören, wo die Klänge im Raum sind, wie sie sich bewegen, - sie können sich im Raum bewegen, hoch - runter, aber auch weit heraus aus dem Raum."
Vens: Die Musiker müssen also sein Musikmachen völlig verändern. Sie fangen an wie gewohnt, aber das System hat seine eigenen.

Spektakel oder akustischer Zirkus?

Ufer: Und was für Musik hören wir da denn nun, das ist ja nun auch nicht ganz unwichtig bei aller Liebe zum Soundsystem.
Vens: Das, was wir hier hören, ist das Poèm Electronique, ein wirklich ikonisches Stück der Musikavantgarde des 20. Jahrhunderts. Das hat Edgard Varese für den Philipps Pavillon komponiert, der auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 stand, eine kongeniale Arbeit von Varese, dem Architekten Le Corbusier und dem Musiker und Architekten Iannis Xenakis. Und dieses berühmte elektronische Werk hat er für 4DSound umgearbeitet. Ganz vorsichtig, wie er mir versichert hat, mit viel Demut vor dem Original.
Trotzdem habe ich mich die ganze Zeit gefragt, inwiefern das die Musik und Klangkunst nach vorne bringt oder ob das Künstlerische nicht vom Technischen weggedrückt wird. So ähnlich wie beim 3D-Kino, wo die Beispiele ja rar gesät sind, in denen Regisseure diese Technologie wirklich mit künstlerischem Gewinn einsetzen. Ich habe Paul gefragt, ob das, was da herauskommt, nicht mehr Spektakel oder akustischer Zirkus ist:
Oomen: "Nein, es ist genau anders herum. Dieses Medium des räumlichen Hörens ist kein Spektakel. Der Hörer muss sich stärker fokussieren. Es erzeugt Zustände der Reflexion, der Introspektion und sogar der Meditation."
Ufer: Unterm Strich: ist das nun der Quantensprung einer Musikerfahrung oder nicht?
Vens: So gerne ich das jetzt liefern würde: Ich habe kein klares Urteil. Jedenfalls noch nicht. In diesem Säulengeflecht zu stehen oder rumzugehen und zu erleben, wie die Sounds um dich rumschwirren ist schon sehr sehr beeindruckend. Aber ich bin nicht völlig überzeugt, dass das musikalisch wirklich den Quantensprung bringt, den sie bei MONOM versprechen. Ich war auf einem Konzert von wirklich hoch renommierten Elektronik-Musikern und der Eindruck war nicht überwältigend. Man muss da aber wirklich abwarten, ob nicht doch über kurz oder lang ein Musiker den Durchbruch schafft und mit diesem Instrument – denn das ist es ja letztendlich – so komponiert, dass man sozusagen mit ganz anderen Ohren herauskommt als man reingekommen ist.
Mehr zum Thema