Konstantin Wecker

Nur die Linke hat Rezepte gegen rechts

Der Münchner Liedermacher Konstantin Wecker.
Der Münchner Liedermacher Konstantin Wecker. © picture alliance / dpa / Patrick Seeger
Moderation: Liane von Billerbeck · 12.01.2017
2017 ist ein Schicksalsjahr für die europäische Linke: Die Rechtspopulisten sind überall ante portas. Der politische Liedermacher Konstantin Wecker sieht nur eine Chance: Die Linke muss sich zusammenraufen. Nur konsequent linke Politik könne grundlegende Veränderungen bewirken.
2017 wird aller Voraussicht ein Jahr, indem die politische Landschaft Europas durchgerüttelt werden wird. Es zeichnet sich ab, dass die Rechtspopulisten in Europa weiter an Boden gewinnen werden, während die Linke deutlich an Einfluss verloren hat.
Nach Ansicht des politischen Liedermachers Konstantin Wecker hat die europäische Linke nur dann eine Chance, wenn sie sich vereinigt. Er selbst entstamme einer Generation, die mitbekommen habe, wie sich die Linke Anfang der 70er Jahre selbst "zerfetzt und zerrissen" habe – was "die Konterrevolution" des Neoliberalismus später erst möglich gemacht habe, sagte Wecker im Deutschlandradio Kultur.

Europa steuert auf eine "identitäre Aggression" zu

Zur Gefahr des Rechtspopulismus in Europa sagte Wecker:
"Ich glaube, die einzige Chance ist, dass sich die Linke jetzt mal besinnt, dass sie bestimmte Ur-Eitelkeiten überwinden muss und dass wir einen gemeinsamen Weg gegen das, was uns da bedroht, gehen müssen."
Er teile die Befürchtung des Philosophen und Marxisten Franco Berardi, wonach Europa in den kommenden zehn Jahren eine "identitäre Aggression" zu erwarten habe – dem Faschismus nicht unähnlich.

Von der Sozialdemokratie enttäuscht

Grundlegende Veränderungen könne letztlich wohl nur die Linke herbeiführen – denn sie sei die einzige Partei, die bereit sei, "die Form des Finanzkapitalismus anzugehen". Von den anderen Parteien sei dies nicht zu erwarten. Insbesondere von der europäischen Sozialdemokratie sei er sehr enttäuscht, weil sie sich zu sehr dem Neoliberalismus angedient habe, statt eigene Strategien zu entwickeln, betonte Wecker.

Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Wir haben ja ein Jahr vor uns, in dem die politische Landschaft Europas durchgerüttelt werden könnte. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA und auch auf dem alten Kontinent könnten Populisten aus dem rechten Lager ihren Einfluss verstärken. Denken wir nur an die Niederlande oder Frankreich, wo Marine Le Pen in den Startlöchern steht, um französische Präsidentin zu werden, und hierzulande, wie die AfD abschneiden wird, das wird sich im September bei der Bundestagswahl zeigen, und mancher fragt sich, wo eigentlich die Linke steht in Deutschland und auch in Europa.
Die Co-Fraktionschefin der Linkspartei im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat am Sonntag im Deutschlandfunk gesagt, wenn ihr wirklich wollt, dass sich dieses Land sozial verändert, dann ist die Linke die einzige Option. Tja, und das wollen wir wissen von dem politischen Liedermacher Konstantin Wecker, der mit seinen Songs ja immer politisch für links Partei ergriffen hat. Er ist heute unser Gesprächspartner. Grüß sie, Herr Wecker!
Konstantin Wecker: Grüß Sie Gott!
Billerbeck: Was glauben Sie, wohin steuert Europas Linke 2017?
Wecker: Ich würde mir wünschen, dass sie in eine vereinigte Linke steuert, da ich ja einer Generation entstamme, die noch mitbekommen hat, wie Anfang der 70er die Linke sich zerfetzt und zerrissen hat und in ideologischen Streitigkeiten und Eitelkeiten vor allem fast kaputt gemacht hat und das natürlich dann auch nicht zuletzt den großen Triumph der Konterrevolution bewirkt hat, nämlich des Neoliberalismus, bin ich nicht aller bester Dinge, wenn ich Ihnen auf diese Frage eine Antwort geben soll.

Die einzige Chance der Linken

Ich glaube, die einzige Chance ist, dass sich die Linke jetzt mal besinnt, dass sie bestimmte Ureitelkeiten überwinden muss und dass wir einen gemeinsamen Weg auf jeden Fall mal gegen das, was uns da bedroht, gehen müssen. Mein derzeitiger Lieblingsphilosoph, der Franco "Bifo" Berardi hat vor einem halben Jahr schon gesagt, wir werden wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren eine identitäre Aggression erleben. Ich nenne es nicht Faschismus, aber es ist was Ähnliches. Diese Gefahr sehe ich ganz genauso auf uns zukommen.
Billerbeck: Vereinigte Linke – das klingt ja so, als müsste die Linke sehr radikal sein in ihrer Politik, um dagegen zu halten. Wird sie das sein?
Wecker: In einem hat die Sahra natürlich auf jeden Fall recht, indem sie sagt, verändern am Zustand kann eigentlich nur die Linke, weil die Linke natürlich auch als einzige bereit ist, die Form des Finanzkapitalismus anzugehen, also den ursächlichen Grund dessen, warum so viele Menschen immer verunsicherter werden und aus dieser Verunsicherung heraus sich dann rechten Populisten zuwenden – der FDP sowieso nicht, aber ich sehe da auch bei der CDU/CSU überhaupt keine Chance, das wirklich ernsthaft anzugehen, die Prekarisierung, die durch diesen völlig wild gewordenen und wahnsinnig gewordenen Finanzkapitalismus entstanden ist, durch die Herrschaft der Konzerne und die Herrschaft der Banken.
Und leider sehe ich auch bei der SPD keine Ansatzpunkte, und das ist mein größtes Bedauern, dass ich der Meinung bin, das ist auch mit einem Versagen der europäischen Sozialdemokratie zu verdanken, weil sie sich zu stark diesem Neoliberalismus angedient hat.

Wagenknecht vertritt nicht die Position aller Linken

Billerbeck: Aber wenn wir uns angucken, wie sich die Linke gegenüber Rechtspopulisten positioniert, besteht da nicht auch die Gefahr, dass man links und rechts bald verwechseln kann, wenn sich da zum Beispiel Parteichefinnen oder Fraktionschefinnen der beiden deutschen links- und rechtspopulistischen Parteien ziemlich einmütig zum tête-à-tête treffen, also ich meine Sahra Wagenknecht, die Sie ja auch erwähnt haben, von der Linkspartei, und Frauke Petry, die dann beide Merkels Flüchtlingspolitik kritisch gegenüberstehen, gegen den Euro wettern und gegen die EU sowieso? Wo sind da die Unterschiede zwischen links und rechtspopulistisch?
Wecker: Na, zuerst muss man schon sagen können, dass das, was derzeit die Sahra Wagenknecht macht, nicht unbedingt die Position aller Linken ist. Ich halte es für einen Fehler. Ich finde es nicht richtig, muss ich wirklich sagen, dass hier eine Einigkeit besteht. Ich bin jemand, der geschrieben, wir öffnen die Grenzen und lassen jeden herein, jeden, der geplagt ist von Hunger und Not, und ich stehe weiterhin dazu. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir in der Lage wären, das wirklich zu machen, und nicht jetzt plötzlich zusammen mit irgendwelchen AfD-Forderungen eine Politik einzufordern, die nie eine linke Politik war. Ich bin nicht dafür, dass wir den Populismus der Rechten auch nur in irgendeiner Weise übernehmen dürfen.
Billerbeck: Nun hat aber eben diese Sahra Wagenknecht auch gesagt, sie lehne zwar Populismus derart ab, wenn der mit Lügen und Unterstellungen arbeitet, wenn aber Populismus bedeutet, verständlich zu argumentieren, die Menschen ernst zu nehmen in ihren Bedürfnissen und Ängsten und ihnen deutlich zu machen, was sich ändern muss, damit sie ein besseres Leben haben, dann ist das für mich nicht Populismus, sondern das ist eigentlich der Anspruch demokratischer Politik.
Wecker: Da hat sie recht. Ich meine, sie hat natürlich deswegen recht, wenn sie sagt, dass man den Leuten klarmachen muss, was die wirklich Ursachen sind.
Billerbeck: Finden Sie denn diese sozialen oder sozialistischen Kerngedanken der Linken heute noch wieder?
Wecker: Wo soll ich ihn wiederfinden?
Billerbeck: Bei den Linken.
Wecker: Bei vielen ja. Nicht unbedingt bei allen. Sehen Sie, wir müssen schon ein bisschen aufpassen, wenn wir sagen die Linken, dann …
Billerbeck: Aber wir sagen auch die SPD.
Wecker: Ja, klar. Dann wissen wir auch … bei die SPD bin genauso vorsichtig. Ich habe es gesagt, ein Versagen der europäischen Sozialdemokratie, trotzdem weiß ich natürlich – ist auch ganz gut, dass Sie das jetzt noch mal erwähnen –, dass es sehr viel andere Sozialdemokraten gibt, vor allem, die an der Basis arbeiten. Die Sozialdemokratie kommt ja nun auch von links. Das hat sich nur verwischt seit vielen Jahren großer Koalitionen. Da weiß man nun nicht mehr, wer ist der Konservativere oder ist vielleicht Frau Merkel immer schon die linkere gewesen, wenigstens, was die Flüchtlingsfrage anbelangt.

"Ich habe aufgehört Wahlhilfe zu leisten"

Billerbeck: Sie sind vor zehn Jahren, im Sommer 2007, bei der Linkspartei aufgetreten. Würden Sie das heute noch mal machen?
Wecker: Auftreten würde ich, ja, aber ich habe völlig aufgehört, in irgendeiner Form Wahlhilfe für eine Wahl zu leisten, weil ich der Meinung bin, dass das nicht des Künstlers Auftrag ist. Ich habe jetzt gerade neulich einen wunderschönen Text von Max Frisch über die Poesie und die Aufgabe der Poesie gepostet, wo er sagt, sie darf nie zu irgendeinem Steigbügelhalter der Macht werden, und das sehe ich ganz genauso. Ich habe selbst in Zeiten, als ich mich sehr für die Grünen engagiert habe, ganz am Anfang, ich war ja befreundet mit Petra Kelly und Gert Bastian, selbst da bin ich natürlich nicht in die Partei eingetreten. Ich bin kein Machthilfeleister.
Billerbeck: Sie haben früher ja auch Lieder gegen Ausgrenzung, gegen Nazis geschrieben und gesungen, das tun Sie ja auch immer noch, mit "Willy" etwa, da erinnern sich viele Leute noch dran, dem Lied über einen von Rechtsextremen zu Tode geprügelten Freund, und seitdem spätestens gelten Sie als Linker. Heute auch scheint Ihr Kampfgeist ungebrochen. Wenn ein Tourneeprogramm "Revolution" heißt, dann ist man ja da trotzdem noch sehr aktiv politisch, nicht bloß poetisch.
Wecker: Ja, natürlich, und ich werde ja nun 70 nächstes Jahr, und es wird ein Jubiläumsprogramm geben, und es wird heißen "Poesie und Widerstand". Das ist meines Erachtens überhaupt kein Widerspruch, und als ich Ihnen vorhin den Franco "Bifo" Berardi zitiert habe, da hat er noch in einem Nebensatz gesagt, sein Hilfsmittel sei die Ironie gegen das, was auf uns zukommt.
Ich muss sagen, meine persönliche Stütze ist die Poesie, weil ich glaube, sie hat insofern auch etwas Widerständlerisches in sich, als die Poesie uns lehrt, dass nicht alles zu Ende interpretierbar ist und dass in den vielen Worten, wo wir immer glauben, wir wüssten sie endgültig, wir würden sie alle endgültig verstehen, dass in denen oft noch so viel mehr verborgen liegt, was es zu entdecken gilt, auch mit der eigenen Lebenserfahrung. Wir wissen ja auch, dass immer schon bestimmte Kreise, vor allem mächtige Kreise, versucht haben, die Hoheit über Interpretationen für sich zu gewinnen, und da hilft uns auch die Poesie, dass wir sagen, Moment mal, wir haben das Recht, sie nach unserem eigenen Verstehen auch zu interpretieren, die Worte und die Sätze und das, was uns so beigebracht wird.
Billerbeck: Konstantin Wecker war das. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Wecker: Dankeschön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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