Konkurrenz zur Deutschen Bahn

Mit dem Crowdfunding-Zug von Berlin nach Stuttgart

Zwei leere Gleise der Deutschen Bahn
Das Start-up Locomore will der Deutschen Bahn ab September 2016 Konkurrenz machen. © imago / STPP
Von Mike Herbstreuth · 22.12.2015
Mehr als 100 Euro kostet eine reguläre Bahnfahrt von Berlin nach Stuttgart. Bei dem Start-up Locomore soll es das ab 2016 für 22 Euro geben. Aktuell sammelt es per Crowdfunding Kapital. Doch der Bahn Konkurrenz zu machen, ist nicht so einfach.
Ein weiß-oranger Zug fährt durch eine sonnige Landschaft, an der Außenseite die Aufschrift "Locomore".
Ausschnitt aus einem Werbevideo: "Mein Name ist Derek Ladewig, ich bin der Gründer von Locomore und uns geht's darum, mehr Passagiere auf die Schiene zu bringen."
Mit diesem Video wirbt das Bahn-Start-up Locomore um Investoren. 240.000 Euro möchte Locomore-Gründer Ladewig mit einer Crowdfunding-Kampagne für sein Unternehmen einsammeln, das ab September 2016 ein Mal täglich Passagiere von Stuttgart nach Berlin bringen will - und wieder zurück. In seinem Berliner Büro erzählt Ladewig von den Vorteilen von Locomore. Komfortable Zugabteile, Gratis-W-Lan, Bio-Catering und vor allem: niedrige Preise. 22 Euro soll eine Fahrt von Stuttgart nach Berlin kosten. Die Bahn verlangt für diese Strecke in der Regel 115 Euro.
"Unser Ziel ist es, dass wir eine höhere Auslastung erzielen. Bei der DB sind im Schnitt 50 Prozent der Sitze belegt. Bei uns soll das deutlich höher sein. Das heißt, man kann die Gesamtkosten pro Zug auf mehr Köpfe verteilen, dann wird's für alle billiger. Der zweite Punkt ist, dass wir ökologisch einige Dinge anders machen. Insbesondere sagen wir: 200 Kilometer pro Stunde ist für uns eine ausreichende Geschwindigkeit. Über 200 nimmt der Energiebedarf ziemlich zu, das heißt, auch das Produzieren auf der Schiene wird entsprechend teurer."
Hürden für private Eisenbahnunternehmen
35.000 Euro sind für das Projekt bislang zusammengekommen, noch etwas über einen Monat läuft die Crowdfunding-Kampagne. 240.000 Euro sind ein ambitioniertes Ziel - denn eine Konkurrenz zur Bahn aufzubauen ist teuer. Zu teuer für viele junge Eisenbahnunternehmen. Der Bahnkonkurrent Interconnex von Leipzig über Berlin nach Rostock wurde 2014 nach zwölf Jahren eingestellt. Und der private Hamburg-Köln-Express HKX verlängert zwar seine Strecke bis nach Frankfurt, dünnt seinen Fahrplan gleichzeitig allerdings stark aus: Statt täglich fährt der HKX vorerst nur noch von Donnerstag bis Sonntag. Es gibt gleich mehrere Punkte, die privaten Eisenbahnunternehmen zu schaffen machen.
Punkt 1: Das Steckennetz
Das ist im Besitz der Deutschen Bahn. Für die Nutzung von Stellwerken, Schienen und Bahnhöfen müssen die privaten Bahnunternehmen bezahlen.
Punkt 2: Die Eisenbahnwaggons
Zum einen sind gute ausrangierte Waggons selten. Zum anderen sehr teuer. Rund 300.000 Euro kostet ein gebrauchter Waggon. Derek Ladewig:
"Es ist schwierig, an finanziertes rollendes Material zu kommen. Da muss natürlich Geld investiert werden und das ist eine der Hürden, die wir in diesem Markt seit Jahren haben, womit wir als Newcomer und Wettbewerber seit Jahren kämpfen: zu guten Produktionsbedingungen zu kommen, die wir einfach nutzen können."
Locomore beispielsweise will seine Waggons deshalb nicht kaufen, sondern mieten und verhandelt mit Investoren, die in diesem speziellen Bereich tätig sind.
Punkt 3: Die Rahmenverträge für Strecken
Die vergibt die Deutsche-Bahn-Tochter DB Netz nur mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Für junge Bahn-Start-ups ein sehr großer und riskanter Zeitraum. Was, wenn sich nach einem Jahr herausstellt, dass der Plan doch nicht aufgeht?
Locomore hat schon weitere Strecken im Auge
Dazu kommt, dass die Bahn eine neue Kundenoffensive angekündigt hat: mehr Verbindungen, die auch billiger werden sollen. Das gesamte Paket will sich die Bahn zwölf Milliarden Euro kosten lassen.
"Mit dem neuem Konzept werden wir zu drastisch abgesenkten Kosten Fernverkehr produzieren können",
so Ulrich Homburg, Vorstand beim Personenverkehr der Bahn. Doch bis dahin könnte es noch eine Weile dauern. Erst 2030 soll es soweit sein.
Nicht nur deshalb ist sich Derek Ladewig sicher, dass sich die Arbeit auszahlen wird, die er und sein Team seit drei Jahren in das Projekt Locomore gesteckt haben.
"Ganz grundsätzlich finde ich, dass man in Bereichen wie 'Reisen auf der Schiene' auch Wahlmöglichkeiten haben sollte. Ich glaube nicht daran, dass es einen Monopolisten geben kann, der perfekt ist. Weil ich denke, dass Vergleichsmöglichkeiten und unterschiedliche Konzepte und Produkte auch wichtig sind. Das haben wir überall anders im Leben auch. Und es ist nicht ganz klar, warum das im Eisenbahnwesen nicht so sein soll."
Neben der Fernstrecke Stuttgart-Berlin hat sich Locomore noch weitere Strecken reservieren lassen, die man im Erfolgsfall ab 2017 anfahren will. Dann sollen die weiß-orangen Locomore-Züge auch in München, Rügen und Köln Halt machen.
Mehr Informationen zum Unternehmen Locomore auf dessen Webseite
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