Knappe Rohstoffe

Recycelter Dünger aus Klärschlamm

Ein Traktor fährt am 20.08.2014 über einen Acker in der Nähe von Püttelkow (Mecklenburg-Vorpommern) und bringt Saatgut und Dünger aus. Phosphor zählt zu den wichtigsten Mineraldüngern. Fast 82 Prozent der weltweit abgebauten Phosphate landen auf den Feldern und lassen Pflanzen besser wachsen. Foto: Jens Büttner/dpa (zu dpa-Korr «Auf der Suche nach Phosphor - Land unterstützt Forschungsprojekt» vom 20.08.2014)
Ein Bauer düngt mit seinem Traktor einen Acker. © picture alliance / dpa / Jens Büttner
Von Uschi Götz · 15.12.2015
Phosphor ist eines der gefragtesten Mineralien der Welt. Meist in Form von Phosphaten gebunden, wird dieser Rohstoff ausgebeutet und als Düngemittel genutzt. Ein Pilotprojekt in Baden-Württemberg versucht nun, Phosphor aus Klärschlamm zu recyclen.
Offenburg-Griesheim, Regierungsbezirk Freiburg, eine kleine Betriebshalle auf dem Gelände des Klärwerks. Seit Jahren wird hier getestet, wie in Deutschland aus Klärschlamm Dünger für die Landwirtschaft gewonnen werden kann. Literweise wird schwarz-braune Flüssigkeit in Reaktor I, einen drei Meter tiefen und zweieinhalb Meter breiten Behälter, gepumpt. Die Brühe ist 36 Grad warm, das Rohrsystem geschlossen, die Luft also rein. Das Ganze sieht aus wie ein großes Chemielabor.
Klärschlamm soll künftig nicht mehr in Verbrennungsanlagen landen
Chemie spielt jedenfalls eine große Rolle, wenn Phosphat aus Klärschlamm zurückgewonnen wird:
"Die Füllung des Reaktors dauert ungefähr eine halbe Stunde für 12 Kubikmeter Faulschlamm. Während des Füllprozesses fangen wir schon an, unsere Schwefelsäure zu dosieren, um den PH-Wert zu reduzieren, und der Gesamtprozess, bis wir den Ziel-PH-Wert erreicht haben, dauert ungefähr zwei Stunden."
Das Ziel: Rohstoffkreisläufe sollen geschlossen werden. Recyling statt Verschwendung. Volker Preyl ist Ingenieur für Umweltschutztechnik. Er leitet das Pilotprojekt.
Die Erwartungen an ihn und sein Team sind hoch. Die grün-rote Landesregierung hofft schon bald mindestens die Hälfte des Phosphat-Bedarfs im Südwesten aus recyceltem Klärschlamm zu bekommen. Klärschlamm soll künftig nicht mehr einfach in Verbrennungsanlagen landen. Die rund 650 000 Euro teure Anlage wird vom Land Baden-Württemberg gefördert.
Europa ist zu 90 Prozent von Phosphor-Importen abhängig
Was 2003 im Laborversuch begann, wird hier in der Offenburger Pilotanlage mit Erfolg getestet. Aus dem Klärschlamm soll Magnesium-Ammonium-Phosphat, kurz MAP isoliert werden, das gut von Pflanzen aufgenommen wird und so direkt als Dünger verwendet werden kann.
Volker Preyl schaut auf einen kleinen Monitor. Die Prozesse laufen mittlerweile vollautomatisch. Was ihn vor allem interessiert, ist der richtige PH-Wert. Auf den kommt es an.
"Das ist für uns der Kontrollwert, denn wir wollen ja bis zu einem gewissen PH-Wert ansäuern. Das heißt: Da ist eine Regelung dahinter, die misst ständig den PH-Wert, es wird Schwefelsäure mit Pumpen zu dosiert."
So wird der Klärschlamm auf den nächsten Schritt vorbereitet, so dass am Ende das wertvolle Phosphat herausgeholt werden kann. Phosphor wird weltweit als Dünger eingesetzt. Marokko und die Westsahara, China, Südafrika und Jordanien besitzen rund 80 Prozent der gesamten Phosphat-Gestein-Reserven. Doch ab 2030 könnte es mit dem Abbau eng werden, prognostizieren Experten. Und Europa ist zu 90 Prozent abhängig von Importen. Deshalb wird Recycling immer wichtiger. Und das möglichst kostengünstig.
Qualität des recycelten Phosphats ist bestens - aber zu teuer
Umweltingenieur Preyl geht in der Betriebshalle eine Treppe höher, zur Kammerfilterpresse. Die Presse hängt unter der Decke:
"In der Kammerfilterpresse trennen wir die Feststoffe ab. Dann erhält man den sogenannten Filterkuchen, da sind die Feststoffe jetzt gebunden drin. Wir erhalten dann unser Filtrat mit dem wir weiterarbeiten, das ist dann eigentlich im Grund nur noch die flüssige Phase von diesem Faulschlamm vorher."
Zwei Stunden dauert es, bis zwölf Kubikmeter Faulschlamm entwässert sind. Der braun-schwarze Filterkuchen fällt in einen Container, der direkt unter der Presse steht. Am Ende bleibt helle Flüssigkeit übrig, die jetzt in einen schwarzen großen Behälter läuft:
"In diesem Filtrat haben wir dann unseren Nährstoff, unser Phosphat. Wir haben auch noch die Metallionen drin, die wir vorher dissoziiert haben. Und wir haben durch die Faulung auch noch Ammonium drin, also Stickstoff und einen gewissen kleineren Anteil an Magnesium-Ionen."
Jetzt wird Zitronensäure zugesetzt. Was dann kommt, nennen Chemiker "Fällmittelrecycling". Die im späteren Dünger nicht erwünschten Metalle werden hier getrennt. Besonders die Zitronensäure zählt in dem gesamten Prozess noch zu den teuren Stoffen. Am Ende bleibt eine beigefarbene, schlacken-artige Masse übrig, die nach dem Trocknen zu Pulver wird:
"Jetzt kann ich Ihnen das Endprodukt zeigen, das ist unser Zielprodukt was wir haben: hell, weiß."
Ein helles, glitzerndes Pulver, das in der vorliegenden Form auf Ackerböden verteilt werden kann.
"Natürlich wird man das dadurch, dass die alle mit Streuer arbeiten, würden wir das noch pelletieren, in eine Kugelform, Pellets bringen. Vom Inhalt ist es so, dass wir das jetzt direkt auf dem Feld verwenden können, also sehr gut pflanzenverfügbaren Dünger."
Die Qualität des recycelten Phosphats ist laut Preyl bestens, allerdings und das ist der Haken: Das Verfahren ist noch viel zu teuer.
Nachfrage nach Phosphor wird steigen
"Zukünftig möchten wir noch weiter die Chemikalien einsparen, den Verbrauch. Wir wollen den Betrieb möglichst stabil am Laufen haben, wir wollen den möglichst einfach machen, für die Leute, die die Anlage später auch bedienen sollen."
Gelingt es, soll das Verfahren - das hier in der Pilotphase getestet wird - auf andere Klärwerke übertragen werden. Denn eines ist sicher: Die Nachfrage nach Phosphor wird mit wachsender Weltbevölkerung steigen. Außerdem kommt Phosphor bereits heute nicht nur als Düngemittel zum Einsatz, sondern beispielsweise auch bei der Herstellung von Batterien für Elektroautos. Und während fossile Brennstoffe ersetzt werden können, gibt es für Phosphor keinen Ersatz.
Mithilfe dieses Verfahrens können heute aus acht Kubikmetern Klärschlamm 35 Kilo Dünger erzeugt werden. Doch bislang laufen nur maximal zehn Prozent des täglich anfallenden Klärschlamms in Offenburg-Griesheim durch die Pilotanlage. Gelänge es bundesweit den Rohstoff Phosphor aus all den Klärschlammen recyceln, wäre damit etwa ein Drittel bis zur Hälfte des Phosphat-Bedarfs gedeckt. Für ein Land ohne eigene Phosphor-Vorkommen eine lohnende Aufgabe.
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