Klimawandel und der Alpenhumus

Der CO2-Speicher der Berge schwindet

Blick in das Karwendeltal auf dem Weg zum Karwendelhaus
Der Alpenhumus hat in den Bergen eine wichtige Schutzfunktion. © imago/Frank Müller
Von Georg Gruber · 16.01.2018
Er sorgt für die Standfestigkeit der Bergwälder und ist wichtig als CO2-Speicher: der Alpenhumus. Doch durch den Klimawandel ist die obere Schicht des Alpenbodens in den vergangen Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen.
Der Alpenhumus ist im Schwinden begriffen, durch den Klimawandel und das könnte weitreichende Folgen haben. Innerhalb von drei Jahrzehnten ist die Humusschicht im Alpenraum um 14 Prozent zurückgegangen – so das Ergebnis einer Studie von Professor Jörg Prietzel vom Lehrstuhl für Bodenkunde der TU München.
"Es ist jetzt keine unmittelbare Gefährdung des Waldes, aber wir sind erst am Anfang des Klimawandels und er soll sich sogar beschleunigen, weil ein Gutteil des CO2 ja erst in den letzten Dekaden ausgestoßen wurde und die Emissionen steigen ja noch weiter an. Und wenn man dann sagt: 14 Prozent, jetzt schon, innerhalb von 25 Jahren und das in die Zukunft überträgt, dann ist es wirklich bedenklich, wenn es so weiter gehen würde."
Denn der Humus ist wichtig für das Ökosystem in den Alpen: Er bietet Nährstoff für den Bergwald und Halt für die Wurzeln der Bäume. Eine starke Humusauflage kann wie ein Schwamm Regen aufsaugen und schützt vor Hochwasser, Muren und Erosion.

Humus als Klimaschützer

Humus entsteht aus pflanzlichem Material, aus Blättern, Nadeln, verrottenden Baumstämmen und Wurzeln. Je wärmer der Boden ist, desto mehr Humus kann durch Mikroorganismen abgebaut werden. Erst in den vergangenen Jahren hat man erkannt, wie wichtig Humus auch für die Speicherung des Treibhausgases CO2 ist – Humus als Klimaschützer.
"Jeder Pflanzenteil ist letztlich gespeichertes CO2, also eine Pflanze, wenn ich trockne und wiege die, kann ich mehr oder weniger grob sagen, die Hälfte von dieser Pflanzenmasse ist Kohlenstoff und dieser Kohlenstoff stammt zu 100 Prozent aus der Atmosphäre. Und wenn dann diese Pflanzenmasse zu Humus wird, wird ein Teil von diesem Material wieder veratmet von den Mikroorganismen und wieder in CO2 umgewandelt, aber eben nur ein Teil."
Der nicht in CO2 umgewandelte Teil bleibt gebunden im Boden, mit unterschiedlicher Dauer, je nach Humus-Untergruppe. Manche haben eine kurze Umlaufzeit von wenigen Jahren, erklärt Jörg Prietzel.
"Dann gibt es aber Pools, da kann das bis zu hundert oder tausend oder mehrere tausend Jahre betragen und je länger diese Umlaufzeit ist, umso stabiler ist der Kohlenstoff im Boden gebunden, umso länger und effizienter ist letztlich die CO2 Speicherung."

Drohende Gefahren duch schwindende Humusschicht

Wenn nun der Humus durch die Klimaerwärmung in den vergangenen Jahrzehnten um 14 Prozent geschwunden ist, bedeutet das, dass dabei auch entsprechend CO2 freigesetzt wurde - und dass sich die Speicherfunktion verringert hat. In einem neuen Projekt, das im vergangenen Jahr startete, soll nun der Alpenhumus noch näher untersucht werden - auch um dann Empfehlungen für seinen Erhalt geben zu können.
"Hier gibt es jede Menge Hypothese, die noch im Raum stehen und das wird in einem Teilprojekt untersucht, was sind eigentlich die abbauhemmenden Faktoren, die dann eigentlich zu einem sehr positiven Ergebnis führen, dass nämlich viel Humus gespeichert wird. Würden aber wichtige hemmende Faktoren zukünftig wegfallen, dann droht das Menetekel, dass der Humus zukünftig verloren geht. Hier sind dann auch wirklich Schutzfunktionen betroffen, der Schutz vor Lawinen, vor Hochwassern, vor Muren, die die Funktionsfähigkeit der Bergwälder ernsthaft in Frage stellen."
Professor Jörg Ewald, Experte für Botanik und Vegetationskunde an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf:
"Wir haben jetzt alleine sieben Bachelorarbeiten schon laufen, wo wir wirklich Gebiet für Gebiet in den bayerischen Alpen mit Bohrstöcken die Böden erkunden, auch die Variabilität dieser Humusauflagen erkunden und da wird im Grunde tausendmale in den Boden reingestochen und man kann zum Glück makroskopisch recht schnell sagen, wie viel Zentimeter Humus hier vorliegen, wir haben schon eine grobe Schätzung, dass auf diesen einschlägigen Böden das so um die 30 cm sind. Nur mal zum Vergleich zum typischen Waldboden außerhalb der Alpen, da hat man vielleicht einen oder zwei Zentimeter Humusauflage, da können sie schon ermessen, welche enormen Kohlenstoffvorräte in diesen Auflagen drin stecken, das ist ja ein Faktor 20 oder so, was sie mehr an Humusauflage da ist."

Abholung erhöht die Erwärmung des Bodens

In Zukunft wird es darauf ankommen, so sagen die Wissenschaftler, sorgsam mit dem Bergwald umzugehen: Die Waldbesitzer sollten möglichst wenig Holz aus ihren Wäldern entnehmen. Die nachwachsenden Bäume müssten vor Wildverbiss geschützt werden. Das Ziel: Den Wald stabil und sturmfest machen, damit keine Lücken oder Freiflächen entstehen, die der Sonne und damit der Erwärmung ausgesetzt sind. Denn je wärmer der Boden ist, desto mehr Humus wird abgebaut – was zu einem sich selbst verstärkenden Prozess führen könnte:
"Wenn man jetzt von einem Negativszenario ausgeht, wird es immer wärmer, es kommen immer mehr Stürme, die Wälder werden durch die Stürme aufgerissen, der Humus liegt ungeschützt da, wir haben warme Sommer, in denen die Mikroorganismen stark arbeiten, dann würden wir wirklich hier sehr viel Humus verlieren und diese Freisetzung des CO2 würde ihrerseits zur Klimaerwärmung wieder zusätzlich beitragen, das Ganze würde sich quasi in so einer Negativspirale aufschaukeln und in den Kalkalpen mit ihren Kalken und Dolomiten könnte das letztendlich bis hin zur Verkarstung führen, wo wir am Schluss so wie man es heute in Teilen der Dinariden im ehemaligen Jugoslawien sehen kann, wo wir viel nackte Felsen haben, auf denen eigentlich Wald nur noch auf Gunststandorten wachsen kann, das hoffen wir nicht, dass es soweit kommt, noch stehen unsere Kalkalpen in Bayern, Tirol und in der Schweiz deutlich besser da, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass hier Negativprozesse einsetzen können."