Klimaschützerin fordert Verknappung von CO2-Zertifikaten

Eva Filzmoser im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 11.04.2013
Derzeit seien zwei Milliarden Kohlendioxid-Zertifikate zuviel am Markt, kritisiert Eva Filzmoser, Direktorin der Klimaschutzorganisation Carbon Market Watch. Die Industrie habe mit dem bisherigen System "Millionen von Euros an Profiten gescheffelt".
Jörg Degenhardt: Gut gemeint ist nicht immer gleich gut gemacht, jeder kennt das aus dem eigenen Leben. Aber deswegen gleich aufgeben? Zumal es um den Kampf gegen den Klimakiller CO2 geht, mit dem von der EU 2005 eingeführten Handel mit sogenannten Emissionsrechten, Verschmutzungsrechte trifft es vielleicht besser. Umweltschutz als Tauschhandel, als Geschäft?

Am kommenden Montag nun stimmt das Europäische Parlament darüber ab, ob 900 Millionen Emissionsrechte wieder vom Markt genommen werden sollen. Heute startet zudem schon mal eine Konferenz in Berlin, die Fragen rund um den Emissionshandel stellt. Aber das können wir auch. Es gibt nur wenige Menschen, die sich mit der Materie so gut auskennen wie Eva Filzmoser, sie ist Direktorin von Carbon Market Watch, das ist eine unabhängige Organisation, die einen schwer zu durchschauenden Markt unter die Lupe nimmt. Ich habe mit Eva Filzmoser gesprochen. Frau Filzmoser, ist die Idee des Emissionshandels gescheitert oder bisher einfach nur mangelhaft in der Praxis umgesetzt worden?

Eva Filzmoser: Sie ist jedenfalls in der Praxis mangelhaft praktiziert worden. Ob sie gescheitert ist, das steht noch offen. Funktionieren tut es momentan nicht, aber es wird gerade alles daran gesetzt, dass man im Emissionshandel doch noch rettet, wo was zu retten ist.

Degenhardt: Warum funktioniert es denn momentan so schlecht?

Filzmoser: Es gibt zu viele Zertifikate und es handelt sich um zwei Milliarden zu viele. Also, das ist so viel, dass es dazu geführt hat, dass die Preise jetzt im Keller sind. Und dass es günstiger ist, Kohlekraftwerke weiter zu führen, als eigentlich wirklich Emissionen zu reduzieren.

Degenhardt: Der Handel floriert, sogar die Deutsche Bank mischt mit, die eigentlich, soweit mir bekannt ist, kein CO2 ausstößt. Was macht denn den Handel mit diesen Zertifikaten so lohnend?

Filzmoser: Es geht da viel um einen größeren Markt, der sich eigentlich global bewegt. Im Rahmen unseres eigenen Emissionshandelssystems ist es ja auch möglich, dass man Zertifikate von einem Mechanismus der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll kauft. Diese Projekte in Entwicklungsländern reduzieren dort die Emissionen, weil sie dort am billigsten zu reduzieren sind, und können so auch beim europäischen Emissionshandelsmarkt mitmischen.

Degenhardt: Ich frage noch mal nach, und was hat zum Beispiel ein Haus wie die Deutsche Bank damit zu tun?

Filzmoser: Die Deutsche Bank finanziert, die finanziert Projekte, sie ist ein Mittelmann, kauft Zertifikate und verkauft die dann weiter.

Degenhardt: Und die Deutschen profitieren in besonderer Weise von dieser Situation, sie sind ja wohl der größte Markt für die Zertifikate. Ich habe gehört, wir verfeuern gerade Rekordmengen an billiger Braunkohle. Das haben Sie ja in gewisser Weise auch schon bestätigt.

Filzmoser: Ganz genau. Nachdem die Zertifikate eben so niedrig sind, gibt es keinen großen Anreiz, Emissionen selber zu reduzieren, es ist eigentlich billiger, weiterhin auszustoßen, als Emissionsrechte zu kaufen.

Degenhardt: Lässt sich der Ausstoß von CO2 überhaupt mit, ich sage mal, marktwirtschaftlichen Instrumenten und dann auch noch kostenneutral reduzieren?

Filzmoser: Theoretisch wäre das möglich, wenn unsere Regierungen sich dazu einigen, dass wir unsere Emissionen ordentlich reduzieren. Und zwar nicht nur mit 20 Prozent bis 2020, wie es bis jetzt entschieden worden ist, sondern viel, viel höher. Immerhin müssen wir alles dazu tun, dass sich die Emissionen nicht mehr als zwei Grad erhöhen, ansonsten gibt es Klimakatastrophen und das wird noch viel teurer werden als Braunkohle weiter zu führen oder Emissionsrechte zu kaufen.

Degenhardt: Sie sagen, theoretisch. Wie müsste denn eine Reform des Emissionshandels ganz praktisch aussehen, wohin müsste die Reise gehen?

Filzmoser: Ach, bevor man den Emissionenhandel reformiert, müsste man zuerst höhere Ziele ansetzen, die die Nachfrage nach den Emissionsrechten so weit fördert, dass die Preise ordentlich nach oben gehen, nämlich so weit, bis gute erneuerbare Energien und Technologien gefördert werden können. Und dann, wenn man dieses Emissionshandelssystem als technisches Produkt anschaut, müsste man diejenigen Zertifikate, die zu viel am Markt sind, einfach permanent stornieren.

Degenhardt: Erkennen Sie denn Tendenzen, dass die Verantwortlichen, die politisch Verantwortlichen zum Beispiel in der Europäischen Union genau das Problem erkannt haben und in diesem Sinne handeln?

Filzmoser: Das werden wir nächste Woche wissen. Es gibt leider trotz der klaren Ursache und des Klimawandels und der Dringlichkeit, dagegen etwas zu tun, trotzdem Stimmen, die das Emissionshandelssystem nicht retten wollen und den großen Überfluss von Zertifikaten einfach beibelassen wollen.

Degenhardt: Aber immerhin, die EU-Kommission will ja zur Stützung der Zertifikatekurse einen Teil der CO2-Papiere vorübergehend aus dem Markt nehmen, diesen sogenannten Backloading. Müssten dann natürlich noch die EU-Staaten erst mal zustimmen, aber das ist doch ein richtiger Ansatz?

Filzmoser: Das ist jedenfalls der richtige erste Schritt. Und das wird nächste Woche in Brüssel passieren, wo das Parlament zustimmen wird, hoffentlich. Und dann werden die Mitgliedsstaaten sich noch einmal um den Tisch setzen und das auch abstimmen. Was da beschlossen wird, wird aber nur eine temporäre Zurseitestellung von diesen Zertifikaten sein. Was wir wirklich brauchen, ist, dass dieses 900 Millionen sowie noch weitere einfach permanent storniert werden.

Degenhardt: Was würden Sie sagen, unterm Strich: Der Umweltschutz als Tauschhandel, habe ich eingangs erwähnt – ist der Deal aufgegangen? Man hat so ein bisschen das Gefühl, dass in Sachen Umweltschutz mit den Emissionsrechten nicht wirklich viel passiert ist, das hat sich vor allem für die Industrie ausgezahlt.

Filzmoser: Das hat sich sehr wohl ausgezahlt, und zwar wurden da Millionen von Euros an Profiten gescheffelt. Es gab da auch Betrugsfälle. Und wenn nicht überall auf der ganzen Welt angesetzt wird, dann kann man auch in der EU nicht reformieren.

Degenhardt: Der Handel mit Emissionsrechten ‒ wie der Umweltschutz stärker davon profitieren kann, als das bisher der Fall war. Das waren Fragen an Eva Filzmoser, sie ist Direktorin von Carbon Market Watch, einer unabhängigen Organisation, die sich dafür einsetzt, dass es den Klimakillern stärker an den Kragen geht als in der Vergangenheit. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Filzmoser.

Filzmoser: Vielen Dank.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema