Klimapolitik ohne Scheuklappen

27.04.2013
Die Klimagipfel bleiben folgenlos, obwohl die Emissionen immer weiter steigen. Der Klimaforscher Hans von Storch und der Ethnologe Werner Krauß erklären in ihrem Buch "Die Klimafalle", wie wir ihr entkommen können.
Wir wissen seit 20 Jahren, dass sich unser Klima verändert, weil wir zu viele Treibhausgase erzeugen, und doch handeln wir nicht entschlossen. Ein renommierter Klimaforscher und ein Ethnologe untersuchen die Gründe für diese Blockade und entwerfen gemeinsam einen Weg aus der Klimafalle.

Das Thema Klima ist mit Katastrophenstimmung verknüpft. Sengende Dürren, Überschwemmung ganzer Inselstaaten, neue Eiszeit in Europa sind nur einige Ängste. Gegen diese Szenarien setzen die Autoren eine ganz nüchterne Analyse der letzten Jahrzehnte, fassen zusammen, was Klimaforscher wirklich herausfanden, wie viel Medien daraus machten und wie Politiker damit umgingen. Heraus kommt ein klareres Bild des aktuellen Stands sowohl der Forschung als auch des gesellschaftlichen Umgangs mit dem Thema.

Hans von Storch ist einer der renommiertesten deutschen Klimaforscher und Leiter des Instituts für Küstenforschung in Geesthacht. Er hat die Karriere der Klimaforscher als neue Propheten hautnah miterlebt und benennt durchaus auch kritisch die Fehler seiner Zunft in der Debatte. Sein Institutskollege Werner Krauß verfolgte bei einer Gastprofessur in den USA den ideologischen Glaubenskampf des Vizepräsidenten Al Gore mit den Leugnern des menschlichen Anteils an der Klimaerwärmung.

Der Klimaexperte erzählt detailliert, wie sicher die Modelle der Meteorologen sind, auf die wir unsere Ängste stützen. Er erinnert daran, dass wir erst seit 150 Jahren tatsächlich mit Thermometern die Temperaturen messen und verlässliche Wetteraufzeichnungen haben. Und das Klima der Erde bewegt sich eher in Jahrtausendzyklen. Alle Daten der ferneren Vergangenheit stammen aus historischen Dokumenten, Baumringen und Bohrkernen des Poleises. Für die Zukunft lassen sich daraus Computermodelle berechnen. Das erlaubt Abschätzungen, ist aber nicht so gewiss, wie es meist verkündet wird.

Der Gesellschaftswissenschaftler Werner Krauß beschreibt den Mechanismus, in dem die ernsten Ergebnisse des menschengemachten Temperaturanstiegs die Wissenschaftler an die Öffentlichkeit trieben, wie die Medien ihre Modelle, Vermutungen und Hochrechnungen zur Gewissheit zuspitzten und politische Interessen sie benutzten.

Die Kluft zwischen Naturwissenschaft und Gesellschaft überbrücken
Beide streben an, die Kluft zwischen Naturwissenschaft und Gesellschaft zu überbrücken. Deshalb schreiben sie wissenschaftlich korrekt, aber auch für den interessierten Laien gut verständlich und lebendig durch Beispiele. Klimamodelle allein reichten nämlich nicht, die anstehenden Probleme zu lösen. Die Antwort auf die Erwärmung der Welt sehen die Autoren nicht nur in der Vermeidung von Treibhausgasen, sondern auch im gerechten weltweiten Zugang zu Energie, möglichst aus erneuerbaren Quellen. Sie fordern darüber hinaus die Entwicklung von Schutzmaßnahmen vor den zu erwartenden Veränderungen. Die Anpassung ans veränderte Klima könne eine Chance sein, neue Technologien zu entwickeln und nicht nur eine übermächtige Bedrohung, die uns vor Angst erstarren lässt.

Ideologie, so das Fazit, führt uns nur weiter hinein in die Klimafalle, in der wir ohnmächtig verängstigt abwarten was passiert. Gefragt ist gesellschaftliche Zusammenarbeit. Diese beschreiben sie am Beispiel des Nationalparks Wattenmeer. Auch hier mussten Fischer, Bauern und Naturschützer lernen sich zu verständigen, um gemeinsam mit und von der Natur zu leben. Eine Landschaft, die laut Al Gore komplett im Meer versinkt, wenn das Poleis abschmilzt, aber nicht, solange es nach ihren Bewohnern geht, die ihre Deiche schon heute dagegen wappnen.

Besprochen von Susanne Harmsen

Hans von Storch und Werner Krauß: Die Klimafalle - Die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Carl Hanser Verlag, München 2013
248 Seiten, 19,90 Euro
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