Klangminiaturen

Bonner Durchmusterung

Wahrhaft "galaktische" Sounds präsentieren wir in der Reihe "sonarisationen".
Wahrhaft "galaktische" Sounds präsentieren wir in der Reihe "sonarisationen". © picture alliance / dpa / epa NASA
17.01.2012
Wie klingt ein Pulsar? Welchen Rhythmus hat eine Galaxie? Solche Fragen beantworten der Komponist Marcus Schmickler und der Audio-Informatiker Alberto de Campo mit ihrem Projekt "Bonner Durchmusterung". Der Titel ist einer Sternenkarte entlehnt, die im 19. Jahrhundert an der Universität Bonn erstellt wurde.
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Anfang des 17. Jahrhunderts richtete der Physiker und Astronom Galileo Galilei zum ersten Mal ein Fernrohr auf den Himmel. Er entdeckte die Gebirge auf dem Mond, die Phasen der Venus, die vier größten Jupitermonde und die Ringe des Saturns. Um dieselbe Zeit veröffentlichte der Astronom Johannes Kepler sein Buch "Astronomia nova" (neue Astronomie). Er belegt darin seine Erkenntnis, dass Planeten sich auf ellipsenförmigen Bahnen bewegen.

Die Lehren dieser beiden Wissenschaftler brachten das geozentrische Weltbild ins Wanken und ermöglichten – trotz des Widerstands der Kirche – die Durchsetzung des heliozentrischen Weltbilds, das bis heute unser Verständnis des Universums prägt.

Die Denkansätze Galileis und Keplers waren keineswegs neu, jedoch präziser als die Theorien ihrer Vordenker. Zu den frühen Erforschern der Bewegungen der Planeten gehörten die Pythagoreer. Sie glaubten, dass durch die Bewegungen der Planeten für den Menschen nicht hörbare, harmonische Töne entstehen.

Durch moderne Computertechnologie ist es möglich, komplexe astronomische Daten in Klänge zu übersetzen. Marcus Schmicklers "Bonner Durchmusterung" bringt uns auf diese Weise Erkenntnisse über das Universum näher und erzeugt damit eine Alternative zu den gängigen Betrachtungsweisen der Astronomie.

Basis des Projekts ist der im 19. Jahrhundert von dem Bonner Astronomen Friedrich Argelander erstellte Sternkatalog, der alle Sterne enthält, die für den Menschen mit bloßem Auge oder einem kleinen Fernrohr am Nachthimmel zu sehen sind. Die Daten basieren auf einem ebenso einfachen wie effizienten Verfahren. Dabei schaute der Beobachter durch ein nach Süden ausgerichtetes Fernrohr in den Himmel, schätzte die Helligkeit und die Durchgangshöhe eines Sterns ab und stampfte in dem Moment, als der Stern sich exakt durch die Mitte des Sichtfeldes über ein Fadenkreuz bewegte, mit dem Fuß auf. Ein zweiter Beobachter saß vor einer Uhr und schrieb bei jedem Fußstampfen die exakte Uhrzeit auf.

Die "Bonner Durchmusterung" übersetzt die Bewegungen der Sterne erneut in akustische Phänomene. Zugleich wird ein rein mathematisches Verständnis der Objekte in Frage gestellt und eine neue, interdisziplinäre Ausdrucksform geschaffen.

Die Gestaltung der musikalischen Strukturen auf Basis der astrophysikalischen Daten entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten und Musikinformatiker Alberto de Campo. Das Projekt wurde von dem Astronomen Dr. Michael Geffert vom Argelander-Institut für Astronomie der Bonner Universität und Dr. Kerstin Jaunich vom Deutschen Musikrat 2009 für das internationale Jahr der Astronomie initiiert.

Komposition: Marcus Schmickler
Sonifikation: Alberto de Campo
Auftragswerk des Deutschen Musikrates und des Internationalen Jahr der Astronomie (IYA) 2009
Nähere Informationen: www.durchmusterung.org

Kontakt: klangkunst@deutschlandradiokultur.de


In der Reihe sonarisationen erzeugen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen sinnliche Hörräume aus abstrakten Daten. Sie forschen dabei aktiv am Zusammenspiel von ästhetischer Vielfalt und informativer Deutlichkeit. Die Ergebnisse präsentieren wir immer dann, wenn eine Hörspiel-, Feature- oder Klangkunst-Sendung etwas kürzer ist als der jeweilige Sendeplatz.