"Kirchentage auf dem Weg"

Wo Luther greifbar nah ist

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"Kirchentag auf dem Weg" in Erfurt © Deutschlandradio / Henry Bernhard
Von Henry Bernhard · 26.05.2017
Lust auf Kirchentag, aber nicht auf überfüllte Hallen und Schlangestehen? Parallel zum "großen" Kirchentag in Berlin und Wittenberg findet in mehreren ostdeutschen Städten der "Kirchentag auf dem Weg" statt - wie in Erfurt.
Nur noch acht Mal im Jahr erklingt die mittelalterliche Gloriosa im Erfurter Dom. Nur noch acht Mal, um sie zu schonen. In diesem Jahr sind es neun Mal. Am Donnerstag läutete sie zur Eröffnung des evangelischen Kirchentags "auf dem Weg" in Erfurt. Und das gar nicht so unpassend, denn vermutlich hat sie auch zu Luthers Priesterweihe 1507 im Erfurter Dom geläutet.

Weitgehend "entchristlichtes" Thüringen

400 Kinder stehen am Donnerstagabend vor dem katholischen Dom auf den Domstufen, die der Stadt gehören, und leiten den ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung des evangelischen Kirchentags ein. Im weitgehend entchristlichten Thüringen ist Ökumene auch eine Frage der Wahrnehmbarkeit.
Schon den ganzen Tag lief das Vorprogramm mit Konzerten und Führungen – natürlich auch auf Luthers Spuren, der in Erfurt studiert hat und in den Augustinerorden eintrat. Bis zum Nachmittag waren die Veranstaltungen eher mäßig besucht - wenn sich auch keine peinliche Leere einstellte. Aber gerade die Veranstaltungen für jüngeres Publikum hatten überschaubaren Zuspruch.
Matthias Sengewald: "Kommen Sie ruhig noch ein Stück ran, damit die Letzten auch noch in diese Ecke passen!"
Nicht alle Stadtführungen warfen den Blick in die Geschichte bis zu Luther zurück. Matthias und Barbara Sengewald führten zu Orten der friedlichen Revolution in Erfurt, die sie 1989 und auch schon davor erheblich mitgestaltet haben.

In der Kirche die Demokratie gelernt

Barbara Sengewald: "Die evangelische Kirche hat ja Strukturen, die demokratisch aufgebaut sind. Und so haben wir alle, die in diesen Gruppen waren, irgendwie auch Demokratie schon gelernt. Und deswegen war es für uns dann 1989 relativ einfach, uns in die demokratischen Strukturen hineinzufinden und das zu übernehmen und in die Gesellschaft zu tragen."
Matthias Sengewald: "Die Evangelischen, die sind alle in die Parlamente gegangen und die Katholiken in die Regierung, denn die hatten nun wieder Erfahrung mit hierarchischen Systemen!"
Etwa 30 meist ältere Menschen folgen den Sengewalds, nicht alles offizielle Kirchentagsteilnehmer. Jörg Schierholz ist aus Oldenburg gekommen:
"Und ich habe eben den Kirchentag genutzt, um eben nicht bei den Großveranstaltungen in Berlin und Wittenberg zu sein, sondern hier vor Ort, wo ja nun auch Luther und das Reformationsjubiläum greifbar nahe sind."
Also bewusst den kleinen Kirchentag gewählt?
"Genau, Genau!"

Manchmal ist weniger Programm mehr

Auch Hildegard Denkhaus aus Wetzlar hat sich bewusst für den "Kirchentag auf dem Weg" entschieden:
"Man muss sich nicht so viel entscheiden wie bei einem großen Kirchentag, das ist auch ein Vorteil! Da muss man so viel bleiben lassen, was einen traurig macht. Hier geht's, hier kann man schon eine ganze Menge mitmachen."
Kirchentag auf dem Weg, das heißt aber auch Kirchentag in drei Städten – Erfurt, Weimar und Jena – jeweils gut 20 Kilometer voneinander entfernt. Nicht alle sind glücklich mit dieser Aufsplitterung. Uwe Büchner, ein an der Organisation Beteiligter:
"Ich glaube, es ist ein enormer logistischer Aufwand, in drei Thüringer Städten so einen regionalen Kirchentag zu stemmen. Es gab die Entscheidung, es so zu machen; aber wenn man jetzt im Rückblick nach all dem Aufwand, der da betrieben wurde, vielleicht doch zu dem Schluss gekommen wäre, einer wäre vielleicht besser gewesen?! Weil, so jagen wir uns ja auch gegenseitig die Kundschaft ab.

Enormer Aufwand für die ehrenamtlichen Helfer

Ich hätte es besser gefunden, wenn alle Thüringer nach Erfurt gekommen wären, könnten sich hier an authentischen Luther-Stätten umhertreiben, könnten die Bibel-Arbeit mitmachen, den Konzerten lauschen… Wir haben ja so viel Programm aufgeboten, und das jetzt noch mal in Weimar und in Jena – das ist ein enormer Aufwand für die vielen ehrenamtlichen Leute. Aber ich befürchte ein bisschen, dass die Besucherzahlen sehr optimistisch geschätzt wurden."
Der Beauftragte des Evangelischen Kirchenkreises Erfurt, Jürgen Reifarth, sieht es etwas optimistischer:
"Die Frage der Kirchentage auf dem Weg ist eine Frage, die wir uns schon seit zwei Jahren stellen. Ob dieses Konzept funktioniert, das werden wir ab heute erfahren und erleben. Natürlich gibt es eine kleine Konkurrenzsituation, und es gibt auch Potenzial. Und ich bin gespannt, wie sich das morgen und übermorgen noch durchträgt."
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