Kinokolumne Top Five

Ridley Scott jenseits der Klassiker

Ridley Scott bei den Dreharbeiten zu "Alien: Covenant" (2017)
Ridley Scott bei Dreharbeiten zu "Alien: Covenant" © imago stock&people
Von Hartwig Tegeler  · 25.11.2017
Am 30. November feiert der britische Filmemacher Ridley Scott seinen 80. Geburtstag. Wenn er ein Genre "in die Hand nahm", dann hat er es erneuert. Hartwig Tegeler verbeugt sich vor dem Regisseur mit seinen Top Five jenseits von "Alien", "Blade Runner" und Co.

Platz 5: Ein gutes Jahr (2006)

Einen miesen Börsenmakler aus London verschlägt es zu gutem Wein und erotischer Französin in die Provence. Eine Anhäufung romantischer Frankreich-Klischees, ohne Frage. Was die französischen Kritiker empörte, ebenfalls keine Frage, deren Kritiken Ridley Scott hoffentlich nicht las. Aber es ist wie immer bei Ridley Scott: Wenn wir uns in seine Erzähl-Welten hineinziehen lassen, sind wir ihm ausgeliefert. Suggestivität von Erzählkraft wäre das zu nennen. Na ja, und wenn Russell Crowe und Marion Cotillard sich "kriegen", gut, ich schäme mich... neeh, ich schäme mich nicht, dass ich das so schön finde.

Platz 4 - Die Akte Jane (1997)

Was für einem Verriss erlebte die Geschichte vom weiblichen Marine, die beweisen will, dass sie als Frau erfolgreich die Ausbildung zum Navy Seal durchlaufen kann. Filmische Wehrertüchtigung in Hochglanzbildern, ja, wohl wahr. Doch im Tiefenstrom seines Films erzählt Ridley Scott von der Transformation einer Frau in einen Mann. Insofern ist dieses herausgerufene "Lutsch meinen Schwanz!", das Demi Moore dem sadistischen Ausbilder entgegenwirft, zutreffend, quasi präzise, denn sie hat nun die männliche Macht integriert. Ist das kritisch oder affirmativ erzählt? Ist John Fords Klassiker "The Searchers" eine Analyse des rassistischen, quasi schizophrenen Westerners? Oder interpretieren wir das nur hinein? Die gleiche Frage stellt sich immer wieder bei Ridley Scott.

Platz 3 - Thelma und Louise (1991)

Road-Movie mit zwei wunderbaren Frauenfiguren – Geena Davis und Susan Sarandon –, die einen Vergewaltiger umbringen und nun in der magischen Landschaft des Südwestens der USA auf der Flucht sind. Wenn die beiden am Ende mit ihrem Thunderbird über den Abgrund des Grand Canyon schießen, dann sind die Tränen, die Ridley Scott uns entlockt, bescheuert, aber nicht zu stoppen. Das waren noch Zeiten, als uns Hans Zimmers Score-Klänge nicht aus den Ohren rauskamen.

Platz 2 - The Counselor (2013)

Zum Film geronnener Fatalismus in Ridley Scotts Inszenierung eines Originaldrehbuchs von Cormac McCarthy. Der Anwalt in "The Counselor" – Michael Fassbender spielt ihn – lässt sich auf ein Geschäft ein, das er nicht mehr kontrollieren kann. Den Film umweht die Aura einer Tragödie, die an Sophokles, Aischylos oder die Dramen Shakespeares erinnert. Das Ganze ziemlich weit weg von Hollywood, entsprechend verstört zeigten sich Kritik und Publikum. Hier geht es um Schuld, Sühne und Schicksal, es geht um den Menschen und unhinterfragbare Mächte, denen der Anwalt nichts entgegenzusetzen hat. Und das Schlimme ist, dass nicht er, sondern seine Frau den Tod erleiden wird.

Platz 1 - Königreich der Himmel (2005)

Drei Stunden und neun Minuten lang ist der auf DVD erschienene Director´s Cut. Die Geschichte vom Schmied, der in Zeiten der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert – Beginn der Auseinandersetzungen zwischen der christlichen Welt und dem Islam – zum Retter von Jerusalem wird gegen die Sarazenen. Doch wer gut ist und wer böse – Christ oder Muslim –, das ist in diesem Epos keineswegs ausgemacht. "Königreich der Himmel" ist ein Plädoyer für die friedliche Koexistenz der Religionen. Ein politischer Monumentalfilm, großes Erzählkino, mit dem Ridley Scott uns dazu verleitet, in eine fremde Welt zu reisen, voller Schaudern, voller Lust, voller Angst – und vollkommen glücklich, reisen zu dürfen.
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