Kinokolumne "Top Five"

Filme mit widerständigen Juden

Burghart Klaußner als Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in einer Szene des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer"
Burghart Klaußner als Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in einer Szene des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer" © dpa / Martin Valentin Menke/Alamode Film
Von Hartwig Tegeler · 03.04.2017
Wie ist der Überlebende des Holocaust nach 1945 in Filmen dargestellt? Das Leben der Juden nach der Shoah im Film - das ist das Thema der Top Five, die Hartwig Tegeler zusammengestellt hat.

Platz 5 - EXODUS von Otto Preminger (1960)

Paul Newman in einer Filmszene in dem Film "Exodus" von Otto Preminger.
Paul Newman in einer Filmszene in dem Film "Exodus" von Otto Preminger.© Imago / AD
Dreieinhalb Stunden ist das jüdische Widerstands-Epos nach dem Roman von Leon Uris. Natürlich keine komplexe Geschichtsstunde, sondern eine Erzählung über die Überlebenden des Holocaust, die versuchen, mit dem Schiff "Exodus" nach Palästina zu gelangen, das noch unter britischer Mandatsherrschaft steht. Den Staat Israel gibt es noch nicht.
Der große Paul Newman als Offizier der jüdischen Untergrundarmee. Mit dem 15-jährigen deutsch-jüdischen Mädchen, das seine Eltern verlor, und dem 17-jährigen überlebenden polnischen Juden, der in Auschwitz als Kapo arbeitete und von der SS sexuell missbraucht wurde, beide an Bord des Fluchtschiffes, zeichnet EXODUS am Rande Menschen-Bilder, die das übermächtige Hollywood-Pathos von Premingers Werk immer wieder untergraben und eine Ahnung davon vermitteln, was es bedeutet, trotzdem weiterzuleben.

Platz 4 - INGLOURIOUS BASTERDS von Quentin Tarantino (2009)

Der österreichische Schauspieler Christopher Waltz als Nazi-Oberst Hans Landa in einer Szene des Films "Inglourious Basterds". 
Der österreichische Schauspieler Christopher Waltz als Nazi-Oberst Hans Landa in einer Szene des Films "Inglourious Basterds". © picture alliance / dpa / Francois Duhamel / Universal Studios
Eine Gruppe jüdischer US-Soldaten auf Skalpjagd unter deutschen Nazis kurz vor der Invasion in der Normandie. Eine Nazi-Überwindungs-Geschichte, die mit der Explosion eines Pariser Kinos endet, in dem sich befinden Hitler, Goebbels und die anderen. Georg Seeßlen, der Filmpublizist, sagt, das Tarantino den ersten Film gemacht hat, der sich von der nach-faschistischen Kinogeschichte wirklich gelöst hat. Der die Nazis nicht als Monster oder faszinierende Unholde weiterleben lässt.
Der auch nicht von leidenden, schwachen und chancenlosen Opfern erzählt - die nach dem "Endsieg", so Seeßlen, zweitliebste Phantasie der Nazis. Dagegen macht Quentin Tarantino dies: "Das Kino", schreibt Georg Seeßlen, "rächt sich nicht nur an jenen Personen, die, bevor sie selber sterben mussten, so viel Unheil und Tod brachten. Das Kino rächst sich an der ungerechten Wirklichkeit selber."

Platz 3 - HAROLD UND MAUDE von Hal Ashby (1971)

Filmszene aus "Harold und Maude"aus dem Jahr 1971 von Hal Ashby, mit den Schauspielern Bud Cort (links) und Ruth Gordon.
Filmszene aus "Harold und Maude"aus dem Jahr 1971 von Hal Ashby, mit den Schauspielern Bud Cort (links) und Ruth Gordon. © Imago / United Archives
Harold, zwanzig, Sohn einer reichen Mutter, fingiert immer wieder Selbstmorde. Maude, 70 Jahre alt, ist das pure Gegenteil, ausgeflippt, voller Lebensfreude, Energie. Als sie, mit Harold am Meer sitzend, von den Möwen, vom Leben schwärmt, zeigt die Kamera für einen Moment die KZ-Tätowierung auf ihrem Arm - wie vier Jahrzehnte später bei Christian Petzold in PHOENIX ganz kurz die Zahlen auf dem Unterarm der Auschwitz-Überlebenden Nelly zu sehen sind.
Maudes Lebensenergie in HAROLD UND MAUDE, ihr Weiterleben, ist das trotzige Leben und Lachen einer, die in die Hölle geblickt hat. Der kurze Schwenk auf Maudes Arm ist das Zentrum des Films, macht die Geschichte über Harold und Maude zu mehr als einer läppischen Komödie.

Platz 2 - BLACK BOOK von Paul Verhoeven (2006)

Die Schauspieler Carice van Houten und Sebastian Koch in dem Film "Black Book". 
Die Schauspieler Carice van Houten und Sebastian Koch in dem Film "Black Book". © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Natürlich verbeugt sich Paul Verhoeven mit seiner der Mata Hari anverwandten schönen holländischen Jüdin Rachel, wunderbar gespielt von Carice van Houten, vor all den schönen Spioninnen der (Film)Geschichte. Die einzige Überlebende ihrer Familie soll für den holländischen Widerstand einen SS-Mann verführen.
BLACK BOOK ist spannendes Unterhaltungskino, in dem sich Gut und Böse vollkommen auflösen. Bemerkenswert, wie Verhoeven seine Geschichte als Erinnerung von Rachel erzählt, die Mitte der 1950er Jahre in einem Kibbuz lebt, das gegründet wurde mit dem Gold, das die Nazis den Juden geraubt haben und das Rachel nach Israel rette. Und die Gewalt geht in Palästina weiter.

Platz 1 - DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER von Lars Kraume (2015)

Burghart Klaußner (links) als Fritz Bauer und Ronald Zehrfeld als Karl Angermann in einer Szene des Kinofilms "Der Staat gegen Fritz Bauer"
Burghart Klaußner (links) als Fritz Bauer und Ronald Zehrfeld als Karl Angermann in einer Szene des Kinofilms "Der Staat gegen Fritz Bauer"© Foto: Martin Valentin Menke/ Alamode Film/ dpa
Fritz Bauer, 1903 geboren, Jude, Sozialdemokrat. Vielleicht auch schwul. Und Remigrant. Ein jüdischer Jurist, der zurückkehrte, die Frankfurter Auschwitzprozesse initiierte - was im Parallel-Film zu DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER, in Giulio Ricciarellis IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS erzählt wird. Lars Kraume seinerseits thematisiert den Kampf Bauers, Eichmann aufzuspüren. Dessen Aufenthaltsort verriet er dem israelischen Geheimdienst, weil er davon ausgehen musste, dass ein Prozess in Deutschland verhindert würde.
Im Film sagt Bauer - gespielt von Burghart Klaußner: "Wollen Sie Gerechtigkeit? Oder nur eine neue Küche? Wenn wir etwas für unser Land tun wollen, dann müssen wir es in diesem Fall verraten." Ein großer jüdischer, kämpfender Jurist. Ohne sein Wirken hätte die Studentenbewegung und ihre Aufarbeitung der Gewaltvergangenheit des Landes nicht stattgefunden.
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