Kinokolumne Top Five

Die fünf besten verfilmten Musikerleben

Don Cheadle als Miles Davis in einer Szene des Films "Miles Ahead"
Don Cheadle als Miles Davis in einer Szene des Films "Miles Ahead" © imago / Cinema Publishers Collection
Von Hartwig Tegeler · 21.10.2017
"Django" kommt in die Kinos: Der Film über den Jazz-Gitarristen Django Reinhardt. Wie kann ein Spielfilm eine Musikerbiografie angemessen darstellen, fragte sich deshalb Hartwig Tegeler und hat fünf herausragende Beispiele gefunden - von "Lili Marleen" bis "Miles Ahead".

Platz 5 – "Lili Marleen" von Rainer Werner Fassbinder (1981)

"Dieses Lied ist zu einem ehernen Band zwischen dem Soldaten draußen an der Front und seiner Liebsten in der Heimat geworden." Wenn man die Geschichte eines Liedes erzählt, kann dann ein Bild einer Zeit entstehen lassen? Ja! Und von einer Künstlerin - Lale Andersen, im Film Willie, gespielt von Hanna Schygulla? Das Fassbinder-Melodram geht so: Deutsche Sängerin liebt jüdischen Schweizer Komponisten.
Zeitgeschichte geht dabei so: Flucht, Exil, Kollaboration, Karriere beim Führer, Lieblingssängerin der Nazis. Und das Lied "Lili Marleen" - Soldatendroge. Mit ihrem wirklichen Leben, meinte Lale Andersens letzter Ehemann, habe das wenig zu tun. Ein besseres Kompliment hätte Rainer Werner Fassbinder für sein Biopic, das keines ist, wohl nicht bekommen können.
Hanna Schygulla als Barsängerin Willie bei einem Auftritt in einem Fronttheater. Szene aus dem mit 10 Millionen Mark teuersten deutschen Nachkriegsfilm "Lili Marleen" von Regisseur Rainer Werner Fassbinder. 
Hanna Schygulla als Barsängerin Willie: Szene aus "Lili Marleen" von Regisseur Rainer Werner Fassbinder© picture alliance / dpa / Tobis_Filmkunst

Platz 4 – "The Doors" von Oliver Stone (1990)

Jim Morrison, Doors-Frontmann, geniale Musik, Gesang, Alkohol, Drogen, Sex, besessen vom Tod. Oliver Stone schafft den Klimmzug, aus der Gegenkultur-Ikone Ende der 1960er-Jahre eine amerikanische Legende zu "bauen", die wenig mit dem Leben eines realen Menschen und Musikers, sondern mit den Traum-Obsessionen des Filmemachers über einen Helden seiner Jugend zu tun hat. Genial: Val Kilmer als Doors-Sänger.

Platz 3 – "Selena – Ein Amerikanischer Traum" von Gregory Nava (1997)

Ebenso genial: Jennifer Lopez als Latina-Sängerin Selena. Stationen des Lebens werden erzählt. Wie der Vater die Gesangs-Karriere der Tochter fördert, puscht. Bei ihrem letzten Konzert 1995 in Houston, Texas, spielte sie vor 64.000 Menschen und wurde danach von der Leiterin ihres Fan-Clubs ermordet. "Selena – Ein Amerikanischer Traum" ist ein konventionelles Biopic über eine Musikerin, aber es sprüht vor Energie, Rhythmus und der Power von Jennifer Lopez.

Platz 2 – "I'm Not There" von Todd Haynes (2008)

Ein Bild über Bob Dylan zeichnen, der in "I'm Not There" dargestellt wird von Christian Bale, Marcus Carl Franklin, Richard Gere, Heath Ledger, Ben Whishaw und der "göttlichen" Cate Blanchett. Keine Handlung, keine Chronologie, alle Regeln des konventionellen Biopics vergessend, Segmente eines Lebens. Wunderbarer Trailer, von dem man nur die Schrifttafeln abzuschreiben braucht, denn da steht, was Regisseur Todd Haynes über die Illusion denkt, in einem Biopics in zwei Stunden Kinozeit ein Leben darzustellen: Er hält gar nichts davon.
Am Anfang Zitat von Bob Dylan: "Ich kann nur ich selbst sein. Wer auch immer das ist." Dann die Textzeile: "Inspiriert von wahren, unwahren, authentischen, echten, ausgedachten Geschichten." Dann leiert Cate Blanchett als Bob Dylan: "Oh nein, das ist nicht euer Ernst. Ich kann mir das nicht ansehen." Dann noch zu lesen auf Schrifttafeln im Trailer: "Er ist jeder, er ist keiner." Dann der Titel der Film: "I´m Not There" - Bin nicht da. Was für ein Biopic! Das keines ist!

Platz 1 – "Miles Ahead" von Don Cheadle (2016)

Eine wunderbare, geniale Szene in diesem Miles-Davis-Film. Der Trompeter, der Gigant, Ikone des Jazz. 1980, acht Jahre keine Aufnahmen mehr; Drogen, Alkohol, Arroganz. Am Ende der durchgeknallten Suche nach einer verschwundenen Aufnahme, zwei Tage, in New York: Regisseur Don Cheadle, der Miles Davis spielt, und Ewan McGregor als halbseidener Rolling-Stone-Reporter preschen durch ein Box-Event in einer Riesenhalle.
Auf der Bühne der Boxkampf, Schnitt, unten die Schlägerei um das geklaute Tonband, Schnitt, auf der Bühne Miles Davis mit seinem Quintett aus den 60ern, Schnitt, unten Miles Davis in den 80ern bei der Prügelei, Schnitt, die Szene, wenn seine erste Frau Frances von ihm abhaut. Und dazu Miles-Davis-Musik. Im Boxring live, oder wie auch immer, auch im Off diese betörenden Klänge. Eine Verdichtung, eine Destillation der Energie des Jazz, ... so etwas habe ich noch nicht gesehen vorher. Don Cheadle hat Bilder gefunden – für die Musik.

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