Kinokolumne "Top Five"

Die aufregendsten Historienfilme

Peter O'Toole als "Lawrence von Arabien" (M) mit Omar Sharif (l) und Anthony Quinn (r).
Peter O'Toole als "Lawrence von Arabien" (M) mit Omar Sharif (l) und Anthony Quinn (r). © dpa
Von Hartwig Tegeler  · 26.06.2017
Diese Woche kommt der Historienfilm "Der Tod Ludwig XIV." in die Kinos. Für uns Anlass genug, Ihnen die fünf besten Streifen über die Vergangenheit vorzustellen.

Platz 5 - "Elizabeth" von Shekhar Kapur (1998)

"Das ist das Dumme an Intrigen, nicht wahr? Vor lauter Geheimnissen kann man sich nie sicher sein, wer auf wessen Seite steht, bis alles endet."
Das ist das Normale, das, was wir erwarten in einem historischen Film, wie hier über Elisabeth I., Königin von England: Machtkämpfe, Intrigen, Verschwörungen, Verräter unter dem Fallbeil. Doch die "zweite" Geschichte, die Shekhar Kapur erzählt, handelt von der Transformation einer jungen Frau in ein anderes Wesen, in die "jungfräuliche Königin". Eine Königin, die ihrem Amt und nur ihm verpflichtet ist.
Die letzte Szene, die 1565 spielt, wenn Cate Blanchett als Elisabeth die Haare geschnitten bekommt, sich weißes Make-up auftragen lässt, die rote Perücke aufsetzt und so die wahrhaftige Metamorphose zur Königin vollzieht, ist ebenso erschütternd wie grandios. Historisches Kino, das viel mehr ist als Ausstattungskino.

Platz 4 - "Barry Lyndon" von Stanley Kubrick (1975)

Die Geschichte eines jungen irischen Abenteurers, der in den Adel aufzusteigen versucht, hat Kubrick als visuelles Fest inszeniert, das sich stark anlehnt an Gemälde aus dem 18. Jahrhundert. Jenseits von einer schmeichelnden Hollywood-Vorstellung vergangener Zeiten geht eine große Kälte und eine Fremdheit und gleichzeitig Schönheit aus vom Abstieg des aufstiegsbesessenen Barry Lyndon.
Und um die Stimmung jener Zeit aufzufangen, drehte Kubrick teilweise bei Kerzenlicht. Ein Film, der einem den Atem raubt und einen staunend zurücklässt mit dem Gefühl: In der Zeit möchte ich nie gelebt haben!

Platz 3 - "Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte" von Michael Haneke (2009)

Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges: Haneke entwirft das Psychogramm einer gepanzerten Gesellschaft und beschreibt die Schöpfung des "autoritären Charakter" als Basis des späteren Faschismus. Menschen-Formung oder besser -Deformierung auch durch sexualfeindliche Körperpolitik des Pastors:
"Also, woher kommen die Veränderung, die diesem Knaben ein so erbärmliches Ende bereiteten? Soll ich dir dein Geständnis ersparen. Nicht wahr, du hast das getan, was jener arme Knabe tat?
– Ja!"
Kalter Alptraum über eine Welt, die dabei ist, die Menschen zu formen, die 1914 den ersten Kreis der Hölle und ab 1933 den zweiten Kreis betraten.

Platz 2 - "Andrej Rubljow" von Andrei Tarkowski (1966)

Ein Künstlerporträt aus dem russischen Mittelalter, dem 14. und 15. Jahrhundert. Der Ikonenmaler Andrei Rubljow zweifelt, ob seine Kunst und sein Glaube dem Chaos dieser Zeit standhalten. Unvergesslich ist hier die Sequenz am Ende, wenn der junge Glockengießer die Glocke gießt, obwohl der gar nicht weiß, wie das Metall zusammengesetzt sein muss. Das Handwerken im Schlamm, das Klopfen auf das Metall, das alles ist von einer solchen Sinnlichkeit und Fremdheit in magischen Bildern: Das ist die unfassbare Kraft des Kinos.

Platz 1 - "Lawrence von Arabien" von David Lean (1962)

"Au, tut ja verflucht weh. Natürlich tut es weh", sagt T. E. Lawrence, der britische Offizier, zu dem anderen, der wie er ein brennendes Streichholz mit den Fingern ausdrücken will.

"Na, was ist denn der Trick dabei?"
"Der Trick ist, sich nichts draus zu machen, dass es weh tut."
Aber irgendwann wird es ihm doch etwas ausmachen. Lawrence versucht im Ersten Weltkrieg, die Beduinen auf der arabischen Halbinsel für den Kampf gegen das Osmanische Reich zu einen. Die andere Geschichte, die tief unten, die eigentliche Geschichte: Ein Mann verliebt sich in die Weite und gibt sich hemmungslos der Obsession der eigenen Größe hin. Doch die Demütigung durch die türkischen Soldaten, vielleicht eine Vergewaltigung, bricht diesen Mann. Und der Dämon des Hasses erscheint, weil er für die eigene Traumatisierung keine Vorstellung hat.
Regisseur David Lean allerdings schon. Das Massaker, das der nun kein bisschen glorreiche Lawrence an den fliehenden Türken vollzieht, ist ein Bild über die Bestie des Krieges. Historisches Kino, das nicht Vergangenes, sondern Gegenwärtiges über den Menschen erzählt.
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