Kino-Charts

Top 5 des Arthouse-Kinos

Burghart Klaußner als Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in einer Szene des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer"
Burghart Klaußner als Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in einer Szene des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer" © dpa / Martin Valentin Menke/Alamode Film
Von Hartwig Tegeler · 24.10.2015
Mal flapsig-satirisch, mal ernsthaft: Drei Filme aus den Arthouse-Charts beschäftigen sich mit der NS-Geschichte. "Der Staat gegen Fritz Bauer" von Regisseur Lars Kraume leistet ganze Aufklärungsarbeit.
Ich muss vorausschicken, dass die Chronologie heute dem Gedanken leider geopfert werden muss, sonst würde nämlich gar nichts zusammen gehen. Also nicht ordentlich: Platz 5, Platz 4, Platz 3, Platz 2, Platz 1. Nein, sondern wir haken ab zunächst:
Platz 3 - Picknick mit Bären von Ken Kwapis
Alter Schriftsteller macht sich mit altem Kumpel auf Alters-Wanderung über den Appalachian-Trail durch "the big wilderness".
"Ich habe einfach das Gefühl, dass es wichtig ist. Ich will die Natur erkunden. Ich will zurück zu meinen Wurzeln."
Robert Redford und Nick Nolte taumeln durch ironische Gags über Alter, Lebenssinn und dem Bestehen auf dem Eigensinn. Und?
Nun zum Rest. Ausgangspunkt, besser Anstoß der alles andere als systematischen Betrachtung ist ein Nebensatz, den Christian Petzold in einem Gespräch mit Ralf Schenk im "Filmdienst" über Film und 25 Jahre Wiedervereinigung gesagt hat. Inwieweit "untersuchen" Filme, "was mit ihrem Land passiert". Und wenn man einmal schaut auf die vier deutschen Filme in den Arthouse-Charts dieser Woche, ergibt sich ein vielleicht willkürlicher, aber spannender Blick auf die deutschen Lande und die filmische Verarbeitung. Wolfgang Beckers Mediensatire:
Platz 5 - Ich und Kaminski
... erzählt von einem skrupellosen Journalisten - Daniel Brühl -, der alles geben und jeden opfern würde für die Story.So ein Knüller fällt dem TV-Journalisten alias Fabian Busch in David Wnendt Hitler- und gleichfalls Medien-Satire ...
Platz 1 - Er ist wieder da
... vor die Füße. Der Clou: Hitler erwacht etwa da, wo er sich '45 den Schuss gab, und wird auf die deutsche Realität losgelassen, in der sich auch 50 Jahre danach die Demokratie noch nicht wird wirklich verwurzelt hat. Der TV-Journalist, sein Produzent und die zuständige Programm-Dame aus dem Privatkanal werfen die mediale Verwertungsmaschine an. Mediensatire, Klamotte und mediale Selbstentblößung derjenigen, die sozusagen "in echt", sprich dokumentarisch auf diesen "Herrn Hitler" treffen. Bild eines immer noch verführbaren Landes? Ist der Schoß fruchtbar noch, aus dem er kroch? Oder ist die Demokratie, die Akzeptanz des Anderen, des Fremden, des Migranten, inzwischen hier tief verwurzelt? Beide Versionen über dieses Land können wir jeden Tag erleben. Schauen wir also - ich warnte ja, dass wir es heute mit der Chronologie nicht so haben -, schauen wir also auf Filme, die untersuchen, was mit ihrem Land passiert:
Platz 4 - Familienfest von Lars Kraume
Im Mittelpunkt das Monster von einem Vater. Gefeierter Pianist, der seine Söhne und seine Ex- und aktuelle Ehefrau zum Familienfest lädt. Dieser psychopathische Patriarch, ein ehemaliger 68er, der gegen seinen Nazi-Vater rebellierte, verlängert die autoritären Gewaltstrukturen eben dieses bekämpften Vaters. Sascha Westphal hat diese Figur von Lars Kraume in seiner Kritik "Wiedergänger" genannt, so wie David Wnendt Hitler im cultural clash mit dem heutigen Deutschland ein "Wiedergänger" ist, so wie das den düsteren Pol unserer Realität zeigt und benennt.
Lars Kraume mit seinem zweiten Film in den heutigen Charts, auf dem zweiten Platz:
Platz 2 - Der Staat gegen Fritz Bauer
Der Film über den deutschen Jude, Remigranten und Staatsanwalt, der die Frankfurter Auschwitz-Prozesse initiierte. Fritz Bauer verriet Eichmanns Versteck an den israelischen Geheimdienst. - Erst die Geschichte, die erinnert wird, radikal wie mit allem Schmerz, kann vergehen. Das war die Philosophie von Fritz Bauer. Ein filmischer Blick, der ernsthaft untersucht, was mit "unserem Land passiert", kommt um diese Erkenntnis nicht herum. Das ist der andere Pol, der Kontrapunkt zur Dumpfheit. Er nährt die Hoffnung nährt, dass die über Generationen übertragene deutsche Gewaltgeschichte überwunden werden kann. Und dazu gehört auch die Erinnerung an Menschen wie Fritz Bauer und seine - ich weiß, very old fashioned, dieses Wort -, seine Aufklärungsarbeit.
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