Kieler UNESCO-Lehrstuhl für Meeresgeologie

Wissenschaftler auf Tauchgang

Ein Füsilierenschwarm über einer Seegraswiese unter dem Meer.
Ein Füsilierenschwarm über einer Seegraswiese - Meereswissenschaftler arbeiten vor allem auch unterhalb des Meeresspiegels. © imago/stock&people/blickwinkel
Von Johannes Kulms · 20.07.2017
Die Kieler Meereswissenschaften haben internationales Renommee - auch deshalb hat die UNESCO hier einen Lehrstuhl für Meeresgeologie eingerichtet. In internationalen Projekten untersuchen die Wissenschaftler die Auswirkungen des Klimawandels - kein Beruf für Wasserscheue!
Eine junge Frau und ein junger Mann schieben sich mit ihrer schweren Taucherausrüstung über einen schmalen Steg am Ufer der Kieler Förde. Dann geht es über eine Metallleiter hinab in die Ostsee:
"Taucher sind klar?"- "Ja!"- "Alles klar, Maske auf!"
"So'n Stück hier zur Seite, jetzt drehen… Zurück zur Leiter… und ab ins Wasser."
Auf dem Steg wartet etwa ein Dutzend weiterer junge Leute auf ihren Taucheinsatz - allesamt angehende und bereits aktive Meereswissenschaftler der Kieler Uni. Doch gleichzeitig sind sie auch künftige oder schon fertig ausgebildete Forschungstaucher.

Wissenschaft unter Wasser

Ohne dieses Handwerk gehe es nicht, sagt Roland Friedrich. Friedrich ist am Institut für Geowissenschaften Ausbildungsleiter des Forschungstauchzentrums.
"Das Tauchen ist letztendlich eine Sache, um auf den Arbeitsplatz oder an den Arbeitsplatz zu kommen. Also, eigentlich geht es hier darum, dass die Männer und Frauen lernen, wissenschaftlich unter Wasser zu arbeiten."

So sieht ein Kieler Tauchboot aus:

Ohne Forschungstaucher kommt die Meereswissenschaft nicht voran. Das weiß man gerade in Kiel, das bei der Ozeanforschung längst einen weltweiten Spitzenplatz einnimmt. Und das weiß auch der Meeresgeologe Karl Stattegger, der selbst kein Forschungstaucher ist.
In den letzten Jahren hat er sich um ein Geschenk gekümmert, das die UNESCO 1997 – also vor genau 20 Jahren – der Christian-Albrechts-Universität gemacht hat. Ein Geschenk, das zwar kein zusätzliches Geld einbrachte, wohl aber viel Prestige und wertvolle Kontakte: Kiel erhielt den Unesco-Lehrstuhl für Meeresgeologie und Küstenbewirtschaftung.
Der Lehrstuhl konzentriert sich vor allem auf die Frage, wie der Klimawandel und der Mensch die weltweiten Küsten verändern – zum Beispiel in Flussmündungen oder am Meeresboden.

Auswirkungen des Klimawandels

Die Ziele der Einrichtung liegen sprichwörtlich in weiter Ferne sagt Meeresgeologe Stattegger, der den Lehrstuhl in den letzten Jahren geleitet hat. Es sind die internationalen Beziehungen und die Zusammenarbeit mit sogenannten Entwicklungsländern. Erst vor wenigen Wochen ist er aus Brasilien zurückgekehrt.
Dabei stammt Stattegger aus einem Land, das so gar nicht am Meer liegt – aus Österreich.
"Ja, das war wahrscheinlich ein glücklicher Zufall. Zu meiner Studienzeit in den 70er Jahren hatten wir einen Gastprofessor aus Kiel für ein Jahr in Graz an der Universität, an der ich studierte und das hat mein Interesse an der Meeresforschung geweckt."
Und dieses Interesse hat ihn nach Kiel gelockt. Auch hier sind die Auswirkungen des Klimawandels zu beobachten. Zum Beispiel durch steigende Temperaturen, die auch die Meeresspiegel ansteigen lassen. In Kiel lernen die Studierenden den meeresgeologischen Blick auf dieses Phänomen. Im Rahmen des UNESCO-Lehrstuhls geben sie ihr Wissen weltweit an Nachwuchswissenschaftler weiter.

Projekte weltweit

Schon auf der ganzen Welt haben die Kieler Projekte durchgeführt – zum Beispiel in Malaysia, Marokko, Thailand, Vietnam oder zuletzt wie gehört in Brasilien. Es sind allesamt Länder, an deren Küsten mit wachsenden Meeresspiegel kämpfen genauso mit immer öfters auftretenden Sturmfluten.

Das Kieler Forschungsboot Alkor:

Stattegger erinnert sich noch gut an einen Aufenthalt in Mozambique, wo er auch den Aufbau völlig neuer Studiengänge unterstützt.
"Und wir versuchen auf der anderen Seite natürlich da unsere Forschungseinsätze zu erweitern oder etwa einzubringen. Das heißt, ich persönlich arbeite viel in tropischen Flussmündungssystemen und wir haben uns dann natürlich auch den nächsten Fluss da in der Nähe der Hauptstadt Maputo hergenommen um uns dort ein bisschen dieses Mündungsgebiet anzugucken, in welchem Zustand das ist und wie sich das entwickelt."

Langwierige Aufbauarbeit

Ein solch internationales Netzwerk sei wertvoll – aber es brauche lange, um es aufzubauen, sagt Stattegger. Mancher Kollege sei am Anfang zunächst scheu. Und dann seien da noch die bürokratischen Hürden zu überwinden – zum Beispiel, um Kieler Forschungsgeräte mit für Summerschools ins Ausland zu nehmen
"Und da habe ich eben mehrfach die Erfahrung gemacht, dass es nicht möglich ist, in einem entsprechend kurzen Zeitraum wissenschaftliche Geräte, die nur der Forschung dienen, durch den jeweiligen Zoll zu bringen und sie dann vor allem relativ rasch wieder nach Deutschland zu überführen."

Die Internationalisierung schreitet voran

Schon jetzt ist der UNESCO-Lehrstuhl Teil des Exzellenzclusters "Ozean der Zukunft", das in Kiel rund 250 Meeresforscher vereint. Wegen dieses geballten Know-Hows soll auch der UNESCO-Lehrstuhl breiter aufgestellt und umbenannt werden in UNESCO-Lehrstuhl für Meereswissenschaften, sagt Nancy Smith. Die US-Amerikanerin ist beim Exzellenzcluster für die Internationalisierung zuständig und betont: Der UNESCO sei es wichtig, dass die Lehrstühle mehr die die Nachhaltigkeitsziele der UNO unterstützen.
In wenigen Monaten wird Stattegger in Rente gehen, derzeit wird ein Nachfolger für ihn als Inhaber des UNESCO-Lehrstuhls gesucht. Stattegger freut sich auf den neuen Lebensabschnitt, sagt aber auch:
"Das werden wir sehen, ob es in Ruhestand wird, aber zumindest mal Ende einer interessanten Phase."
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