Kiel und das Schwimmverbot

Warum in Kiel schlecht planschen ist

Einer von zahlreichen Stegen der Kieler Rudervereine an der Kiellinie, von denen immer wieder Leute ins Wasser springen.
Einer von zahlreichen Stegen der Kieler Rudervereine an der Kiellinie, von denen immer wieder Leute ins Wasser springen. © Deutschlandradio / Johannes Kulms
Von Johannes Kulms · 23.08.2017
In Kiel ist das Baden in der Innenstadt verboten - obwohl die Stadt direkt am Meer liegt. Warum eigentlich ist das Schwimmen in Kiel so reglementiert – wo doch überall in Deutschland Städte versuchen, das Baden wieder in die Stadt zu bringen?
Die Kiellinie zieht sich über mehrere Kilometer entlang der Kieler Förde. Von der Promenade aus können Fußgänger, Jogger und Radfahrer die Ostsee bestaunen.
An diesem sonnigen Augusttag glitzert das Wasser mal wieder besonders verführerisch, findet auch Bianca Hansen. Die 20-Jährige sitzt mit einem Buch auf einem der vielen Stege der Kieler Rudervereine, die nur wenige hundert Meter vom Zentrum entfernt in die Förde hineinragen.
Seit einem Jahr lebt Hansen in Kiel, gebadet hat sie hier noch nicht. Wobei sie durchaus Lust hätte…
Hansen: "Aber es hat sich noch nicht so viel ergeben. Also, jetzt hatte ich gerade `n frisches Tattoo, da darf man ja auch wieder nicht dann war wieder schlechtes Wetter und so weiter. Aber prinzipiell hätte ich da nichts gegen, da mal reinzuspringen."
Schon mehrfach hat sie Leute beobachtet, die von den Stegen in die Ostsee springen. Dass das verboten ist, war ihr bisher nicht bewusst.
Hansen: "Nee, ich dachte, weil halt hier oft abends viele hier sind und hier ja auch Streife gefahren wird und da nichts gesagt wird, deswegen dachte ich, also vielleicht nicht gerne gesehen, aber dass es akzeptiert wird dachte ich dann."

Schiffsverkehr als Verbotsgrund

Genau in diesem Moment springen nacheinander mehrere junge Männer vom Steg. Es sind Flüchtlinge aus Afghanistan…
"Gehen Sie oft baden?"
Saidi: "Ja."
Autor: "Ist es kalt?
Saidi: "Nein. Normal. Nicht kalt, gut."
Auch andere Leute kämen immer wieder zum baden, sagt Saidi. Probleme mit der Polizei habe es noch nie gegeben.
Wir fungieren nicht als Bademeister sondern haben noch andere Aufgaben heißt es von der Polizei auf Nachfrage. Wie oft Leute trotz des Verbots in der Innenstadt baden gingen, ließe sich nicht sagen – auf alle Fälle käme es selten vor.
Bei gutem Wetter zieht es die meisten Kieler nämlich an ihren Hausstrand – den Falkensteiner Strand, rund zehn Kilometer nördlich vom Zentrum. Aber warum ist das Baden im Innenstadtbereich verboten?
Schmidt: "Aus Sicherheitsgründen."
Michael Schmidt ist Hafenkapitän und Leiter des Kieler Hafenamts. Die Einrichtung ist die Hafen-und Verkehrsbehörde der Stadt, vergleichbar mit dem Ordnungsamt an Land.
Schmidts Büro liegt in einem modernen Hochhaus direkt am Ufer der Kieler Förde. Eben gerade hat die mächtige Fähre aus Göteborg vor dem Gebäude festgemacht. Nicht das einzige Schiff, das da vor der Tür entlang fährt.
Schmidt: "Wir haben regen Schiffsverkehr. Und für einen Badenden ist ein Kreuzfahrtschiff von 300 Meter Länge sowieso gefährlich, aber auch kleinere Dampfer wie die Fördedampfer oder `ne Yacht – wir haben hier Sportboothäfen mit weit über 2000 Liegeplätzen…"

Markierte Abschnitte mit Bojen?

Trotz dieser Gefahren ist das Baden in der Innenförde an zwei Stellen explizit gestattet: In der Seebadeanstalt Düsternbrook am Westufer – gegen Eintritt. Und auf dem Ostufer am Strand Hasselfelde. Bloß liegen beide Stellen rund fünf Kilometer vom Kieler Zentrum entfernt.
Wäre es da nicht denkbar, einen weiteren mit Bojen markierten Abschnitt zu schaffen – näher an der Innenstadt, zum Beispiel an einem der Stege der Rudervereine? So könnte sich mancher Büromensch noch ein schnelles Bad nach Feierabend gönnen. Doch Gerwin Stöcken, der Sportdezernent der Stadt Kiel, hält das für keine gute Idee.
Stöcken: "Die Sporthafenflächen und die Flächen, wo die Rudervereine ins Wasser gehen sind insofern gefährliche Bereiche weil auch Freizeitsportler unheimliche Geschwindigkeiten draufhaben, möglicherweise gar nicht sehen, wenn dort ein Schwimmer ist oder jemand, der dort gerade taucht. Und ich hätte da große Sorge, dass das Schwimmen und die Sportbootnutzung nicht verträglich ist."
Der SPD-Politiker hat eine andere Idee, wie sich der Flächenkonflikt lösen ließe. Entstehen könnte es an der Hörn – genau dort, wo die Kieler Förde endet, also mitten im Hafenbecken. Vorbild dafür soll ausgerechnet eine Stadt liefern, die weit weg liegt vom Meer…
Stöcken: "Ich hab‘ in Berlin das Badeschiff, ‚Berlin‘ heißt das glaube ich, gesehen, das sind zwei Schubleichter, also Flussschiffe, die man dort herrichten kann, dann kann man dort Wasser filtern, man kann es chloren, dass wir dort `ne Badewasserqualität haben, die den gesundheitlichen Ansprüchen gerecht wird."
Ein ausgemusterter Schiffskahn, der mit Wasser gefüllt in der Ostsee vertäut liegt und zum Baden einlädt. Bis dahin dürfte es aber noch ziemlich lange dauern. Zunächst einmal wird nur ein paar Schritte von der anvisierten Stelle ein anderes Planschbecken errichtet: Kiels neues Stadtbad, das zum Ende des Jahres fertig gestellt wird.

Keine Angst vor vorbeiziehenden Schiffen

Auto- und Radfahrer können dann bei den Anfahrt über die Gabelenzbrücke einen wunderbaren Blick auf die Förde erhaschen – ehe sie einbiegen auf den Parkplatz – und dann: Ab ins Spaßbad!
Anderen dürften solch neue Bäder egal sein – genauso wie Badeverbote in der Förde. Caspar zum Beispiel, 20 Jahre jung, ein waschechter Kieler, der nach Niedersachsen zum Studium gezogen ist und die Semesterferien zum Baden daheim nutzt – wie so oft…
Casper: "Jedes Jahr meines Lebens eigentlich – bis auf die allerersten. Also, die meisten der geschwänzten Freistunden hat man tatsächlich hier am Steg verbracht."
Casper ist Mitglied in einem der Rudervereine und springt gerne von den Stegen in die Ostsee.
Casper: "Ich sag mal, jeder hat ein Anrecht auf Baden und Abkühlung, wenn es nicht anders geht… Ich meine, man hat halt nicht immer das Geld, zum Strand zu fahren."
Vor den vorbeiziehenden Schiffen hat er keine Angst. Auch nicht vor den Polizisten, die er schon oft vor Ort gesehen hat.
Casper: "Wenn sie kommen, dann geht man halt raus, trocknet sich ab. Wartet, bis sie wieder weg sind, springt wieder rein. Also, da wird einem auch niemand den Kopf für abreißen glaube ich."
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