Khaled Khalifa: "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft"

Requiem für Syrien

Buchcover Khaled Khalifa: "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft"
Die Reise mit ihrem toten Vater wird für die drei Geschwister zum Albtraum. © Rowohlt / dpa / Samer Bouidani
Von Dina Netz · 26.04.2018
Die Geschwister Bulbul, Hussain und Fatima wollen ihren toten Vater in seinem Heimatdorf begraben. Doch die 300 Kilometer weite Reise mit einem Verstorbenen wird zu einem wahnwitzigen Unterfangen im kriegsgebeutelten Syrien.
Khaled Khalifas Roman ist hier zu Lande schon erwartet worden, denn literarische Zeugnisse aus Syrien sind selten. Viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind vor dem Krieg geflohen, doch Khalifa, Jahrgang 1964, lebt nach wie vor in Damaskus. Und natürlich thematisiert er in "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft", im Original 2016 erschienen, den Krieg, allerdings nicht als zentrales Thema, sondern eher als alles bestimmende Rahmenbedingung.
Khalifa hat eine geradezu groteske Ausgangssituation gewählt, die die Tragik Syriens besonders deutlich macht: Die Geschwister Bulbul, Hussain und Fatima wollen dem letzten Wunsch ihres verstorbenen Vaters nachkommen und ihn in seinem Heimatdorf beisetzen. Die Reise von rund 300 Kilometern wäre in Friedenszeiten eine Kleinigkeit. Im Krieg wird daraus ein Albtraum – Soldaten an Checkpoints lassen die Geschwister endlos warten, fordern Bestechungsgelder, verhaften sogar die Leiche. Die Bestattung eines auf natürliche Weise Verstorbenen ist zudem ein vollkommen wahnwitziges Unterfangen in einem Land, in dem Menschenleben längst ihren Wert und Tote ihre Würde verloren haben. "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft" ist ein Requiem für Syrien, in dem nach jahrelangem Krieg nur noch Gespenster leben und die Angst regiert.

Den Menschen fehlt die Luft zum Atmen

Khalifa erzählt aber nicht nur von der absurden Reise der Geschwister, die dem Leichnam ihres Vaters bei der Verwesung zusehen müssen (der Autor erspart den Lesern die Details nicht). Er erzählt auch die Lebensgeschichten der drei, die sich fremd geworden sind und deren Träume längst zerplatzt sind. Hussain verdingt sich als Minibusfahrer, Fatima erhofft für ihre Kinder ein besseres Leben, und Bulbul, dem das Hauptaugenmerk des Erzählers gilt, verwendet aus Angst seine ganze Energie darauf, dem Regime keine Angriffsfläche zu bieten. Auch von ihrem Vater erzählt Khalifa, der sich wenig für seine Kinder, dafür umso mehr für sich selbst und seinen Nachruhm interessiert hat.
Khalifas Figuren sind schwach und durchschnittlich, aber der Autor stellt sie nicht bloß, sondern ist voller Mitgefühl. Denn sie ringen um Haltung in haltlosen Zuständen, sie sind nicht bloß Opfer ihrer eigenen Schwächen, sondern auch Opfer eines Landes, in dem starre Traditionen und eine korrupte Elite den Bewohnern die Luft zum Atmen und die Mittel zum Leben nehmen. Khalifa leitet den Verfall Syriens von viel weiter her als aus dem aktuellen Krieg. Und für die Zukunft sieht er schwarz. "Niemand könne diese Gewalttätigkeiten vergessen, auch nicht nach tausend Jahren", heißt es einmal im Buch.

Roman mit einer Portion Galgenhumor

"Der Tod ist ein mühseliges Geschäft" ist durchaus geeignet, beim Leser Albträume auszulösen. Eine mühselige Lektüre ist der Roman aber nicht, denn Khalifa erzählt in einer fast beiläufigen Alltagssprache, dann wieder in schönen Reflexionen und nicht zuletzt in einem zum Teil ironischen Tonfall, den man angesichts der beschriebenen Katastrophen nur Galgenhumor nennen kann. Das erste Kapitel, in dem der Transport der Leiche beginnt, ist zum Beispiel überschrieben mit: "Wärst du doch ein Kümmelsack!"

Khaled Khalifa: "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft"
Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich
Rowohlt Verlag 2018
220 Seiten, 20 Euro


Hören Sie hier ein Porträt über Khaled Kalifa (bis zum 24.10.2018):
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