Kennedy-Attentat

Die Schüsse von Dallas

Besprochen von Arno Orzessek · 21.11.2013
Hat ihn der Geheimdienst ermordet, weil er den Pazifismus entdeckte? Oder wurde US-Präsident John F. Kennedy vor 50 Jahren von dem einem verwirrten Einzeltäter namens Lee Harvey Oswald erschossen? Mathias Bröckers glaubt an einen Staatsstreich und liefert viele überzeugende Argumente. Doch beweisen kann er leider nichts.
Wer das Buch "JFK" als Verschwörungstheorie abtut, ist im Prinzip ein willfähriges Opfer infamer CIA-Rhetorik ... - suggeriert Mathias Bröckers. Es soll nämlich der amerikanische Nachrichtendienst gewesen sein, der nach den Schüssen auf John F. Kennedy dafür gesorgt hat, dass die üppig gedeihenden Attentatstheorien ("assassination theories") zu negativ konnotierten Verschwörungstheorien ("conspiracy theories") herabgewürdigt wurden.
Und zwar, wie Bröckers folgert, um die wahre Verschwörung umso besser zu decken: Den Staatsstreich, bei dem CIA, FBI und der "militärisch-industrielle Komplex" paktierten, um den plötzlich friedensbewegten Präsidenten aus dem Weg zu schaffen. Und wozu? Damit, angefangen in Vietnam, die lukrativen Kriege geführt werden konnten, von denen auf Kosten der Steuerzahler und Hunderttausender Toter bis heute jener sinistre Komplex profitiert.
Das Problem: Dieses "Staatsverbrechen gegen die Demokratie" - in der politischen Theorie SCAD genannt -, dem Bröckers auch die Morde an Robert Kennedy und Martin Luther King zurechnet, lässt sich nicht beweisen. Die offizielle Alleintäter-Theorie jedoch, die besagt, dass der verwirrte Lee Harvey Oswald den Präsidenten ohne Zutun von Hintermännern erschoss, lässt sich in zahllosen Punkten erschüttern. Die Anhänger alternativer Theorien - unter denen auch die Sowjetunion, Kuba, die Mafia, selbst Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson als Kandidaten gehandelt werden - haben seit 50 Jahren ein Gebirge von Material zusammengetragen. Bröckers, bestens eingelesen, greift sich zielsicher heraus, was zur Staatsstreich-These passt.
Die Geliebte Mary Pinochet Meyer brachte ihn auf den Friedenstrip
Indessen ist Bröckers ein gewiefter Autor. Er porträtiert zunächst die CIA als "Staat im Staate", erzählt eine kurze Geschichte der Mafia, der kubanischen Revolution und der Kuba-Krise, berichtet vom Aufstieg des dauerkranken, dauerkoitierenden Millionärssöhnchens JFK - und kommt dann auf den Punkt: den Wandel Kennedys vom kalten Krieger zum "Visionär der Menschlichkeit und des globalen Friedens". Laut Bröckers machte ihn dieser Wandel in den Augen der Kriegstreiber todeswürdig. Die in Deutschland kaum bekannte Kennedy-Geliebte Mary Pinochet Meyer - "'Die Götting hinter dem Thron'" -, habe den Präsidenten nicht zuletzt mittels LSD-Experimenten auf den Friedenstrip gebracht.
Für Bröckers war Oswald ein FBI-Agent, der gezielt zum Sündenbock aufgebaut wurde. Tatsächlich hat Oswald nach den Schüssen von Dallas gesagt: "I am a patsy." Dann wurde er selbst erschossen. Wie erstaunlich viele Zeugen, deren Aussagen von der Alleintäterthese abwichen. Bröckers untersucht das erregend komplizierte "Cover-up" (die Vertuschung) des unterstellten Staatsstreichs; auch Hunderte wichtiger Journalisten sollen der CIA hörig gewesen sein. Die Detailfülle ist bemerkenswert, Bröckers´ Stil stets angriffslustig. Gleichzeitig wird klar: Ob man Bröckers´ spektakuläre Staatsstreich-These teilt oder die suspekte Einzeltäterthese - beides bedarf eines starken Glaubens.
Man liest "JFK" gern, weil man während der Lektüre für möglich hält: Der Autor hat recht. Klappt man das spannende Buch am Ende zu, wird jedoch die aufregende Schwarz-Weiß-Welt wieder grau, und das lasche Resümee lautet: Letztlich wissen wir immer noch nicht, warum Kennedy sterben musste.

Mathias Bröckers: JFK - Staatsstreich in Amerika

Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main, 2013

288 Seiten, 19,99 Euro

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