Keiner wird es wagen, Hellas den Geldhahn zuzudrehen

Von Ursula Weidenfeld · 25.06.2011
Wieder einmal wird den Griechen geholfen werden, wird dem Krisenland der Europäischen Währungsunion Mitte Juli wohl mit 120 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. Diesmal aber, so beteuerten die Regierungschefs der Geberländer auf dem Brüsseler Gipfel, würde nicht nur Zeit gekauft. Jetzt werde ernst gemacht. Schön wäre es. Aber so wird es nicht kommen.
Zwar hat der griechische Ministerpräsident Papandreou in dieser Woche die Vertrauensabstimmung über den Sparkurs im Parlament gewonnen. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Regierung nun tatsächlich entschlossen in den Krieg gegen die Krise zieht, wie es der neue Finanzminister sagte. Die Griechen wissen: Die EU wird zahlen.

Keiner der europäischen Regierungschefs wird es wagen, den Geldhahn zuzudrehen, auch wenn Griechenland bis Mitte Juli seine Reformen nicht in der gewünschten Eindeutigkeit beschließt. Zu groß ist die Angst, dass der Fall Griechenland dann zum Fall Euro wird. Zu verheerend erscheinen die Aussichten, dass nach Griechenland, Irland und Portugal auch die Kreditwürdigkeit Spaniens und Italiens verloren geht, dass die Währungsunion platzt.

Und: Griechenland ist ein demokratisches Land. Ohne die Zustimmung oder zumindest die Duldung der Wahlbevölkerung wird sich ein dauerhafter Sanierungskurs kaum durchhalten lassen. Der Demokratievorbehalt gilt übrigens auch für die Geberländer. Auch hier müssen die Wahlbürger damit einverstanden sein, dass Steuergeld nach Griechenland fließt. Es gibt also gute Gründe, nicht nur an die Griechen zu appellieren. Auch die deutschen Wähler hätten überzeugendere Argumente zur Rettung Europas verdient als die ewige Leerformel von dem tollen Profit, den der Euro Deutschland bringe.

Griechenland kann nur dann aus dem Teufelskreis von Schulden und Zinsen, Transferabhängigkeit und Bevormundung herauskommen, wenn seine Wirtschaft wieder wächst. Während ein Land wie Irland sich ziemlich entschlossen auf den Weg macht, die Krisentrümmer beiseite zu räumen, die Löhne zu senken, die Investitionsbedingungen zu verbessern und so an die Erfolgsgeschichte des irischen Wirtschaftswunders anzuknüpfen, haben die Griechen solche Aussichten nicht.

Das Land exportiert zu wenig, um seine Leistungsbilanz in Ordnung bringen zu können. So viele Rosinen und Oliven kann man auch als glühender Euro-Anhänger gar nicht essen, wie man kaufen müsste, um Griechenlands Außenhandelsdefizit zu kompensieren. Bis hier die Preise so weit gesunken, die Investitionsbedingungen so verbessert sind, dass der Neustart möglich ist, wird auch im besten Fall lange Zeit vergehen.

Deshalb ist es fahrlässig, nun Wetten auf die Zukunft Griechenlands anzubieten, die einen Aufschub der Zahlungen beinhalten. Nichts anderes aber ist das, was die deutsche Bundesregierung mit der sogenannten sanften Umschuldung betreibt. Für einen Gläubiger lohnt es sich nur dann, einer Verlängerung des Schuldtitels zu geringeren Zinsen zuzustimmen, wenn er davon ausgehen kann, dass der Schuldner in der Zwischenzeit seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit zurückgewinnt.

Für Griechenland ist beides nicht in Sicht. Deshalb ist eine sanfte Umschuldung zwar eine gute Idee, in diesem Fall aber für den falschen Kandidaten. Eine schnelle Umschuldung ist unvermeidlich. Es wird ein harter Schnitt sein – für alle Beteiligen. Nicht nur die Griechen müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass die harten Zeiten nicht etwa schon hinter ihnen, sondern vor ihnen liegen. Die anderen müssen es auch.

Die Griechenlandkrise wird am Ende viel echtes Geld kosten, das, ob freiwillig oder nicht, von den Geberländern, dem IWF, den Banken und den Steuerbürgern aufgebracht werden muss. Die Krise wird Wachstumschancen kosten, sie wird auch Geberländer wie Deutschland in wenigen Jahren wieder auf einen Reformkurs zwingen. Es gibt also überhaupt keinen Grund, sich heute über die griechischen Arbeitszeiten, das Pensionsalter, oder die Höhe der Altersbezüge lustig zu machen. Besser wären die Deutschen beraten, sich das Szenario genau anzusehen - und daraus für das eigene Land zu lernen, anstatt immer nur den Lehrmeister zu spielen.


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