Keine Spur von Politikverdrossenheit

Daniel Zimmermann im Gespräch mit Holger Hettinger · 02.09.2009
Mit 27 Jahren ist Daniel Zimmermann zum jüngsten Bürgermeister der Stadt Monheim gewählt worden. Geholfen haben ihm dabei seine jugendlichen Mitstreiter der Partei PETA, die seit Jahren die Monheimer Kommunalpolitik mit bestimmt. Ihr Vorteil sei, dass sie kontaktfreudiger seien und mit den Akteuren vor Ort zusammenarbeiteten, so Zimmermann.
Holger Hettinger: In Monheim in der Nähe von Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen da ist die Jugend an der Macht. Am vergangenen Sonntag wählten die Monheimer den 27-jährigen Daniel Zimmermann zu ihrem Bürgermeister und damit zum jüngsten Stadtoberhaupt in der Geschichte des Ortes. Doch nicht erst seit Sonntag haben in Monheim junge Leute einigen Einfluss, denn Zimmermann gehört zur Jugendpartei PETO, die seit zehn Jahren die Politik der Stadt aufmischt.
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Schönen guten Morgen, Herr Zimmermann!

Daniel Zimmermann: Hallo, guten Morgen!

Hettinger: Herr Zimmermann, es gibt ein Ritual im politischen Betrieb, und das geht so: Nach der Wahl sagt der erfolgreiche Kandidat: Ich danke meinen Wählern, und jetzt will ich Bürgermeister, Kanzler, was auch immer, für alle die mir anvertrauten Schäfchen sein. Haben Sie das auch gemacht?

Zimmermann: Nee, das hab ich in der Form nicht gesagt, aber es ist natürlich so, dass ich 30 Prozent der Stimmen auf meiner Seite hatte, 70 Prozent haben andere Kandidaten gewählt. Und da wird es auch drum gehen jetzt in der nächsten Zeit, die davon zu überzeugen, einfach durch meine Arbeit, dass ich auch dann tatsächlich ein Bürgermeister für alle bin. Richtig.

Hettinger: Genau darauf wollte ich hinaus. Wie wollen Sie das schaffen, die Monheimer Bevölkerung, die teilweise älter ist, teilweise andere Interessen hat, hier von Ihnen und Ihrem politischen Programm zu überzeugen?

Zimmermann: Also die größten Vorbehalte gibt es da natürlich hinsichtlich meines Alters. Und ja, da haben wir das jetzt schon im Wahlkampf auch so gehandhabt in den letzten Jahren, dass wir sagen, wir sind zwar junge Leute, wir vertreten nicht nur Interessen der Jugendlichen hier im Ort, sondern beziehen auch andere Dinge mit ein. Man hat das ja auch in Ihrem Beitrag gehört, dass es da um Sportstätten, auch um Einkaufsmöglichkeiten geht. Das sind auch Sachen, die ältere Menschen interessieren. Und dann wird es jetzt nur darum gehen, dass ich eben auch zeige, ich hab hier Erfahrung, ich werde auch, denke ich, eine gute Arbeit machen im Rathaus nachher. Und dann hoffe ich doch, dass auch diese Leute überzeugt werden.

Hettinger: Ich hab ein bisschen auf der Website von PETO geschaut, da werden Ihre politischen Mitstreiter auch ein bisschen vorgestellt und porträtiert. Ich muss sagen, ich bin da etwas erschrocken, weil diese Menschen Hobbys machen, von denen ich gar nicht weiß, was das ist, Wakeboarden zum Beispiel. Da merkt man erst mal, dass man mit in meinem Fall 41 Jahren doch schon so ein bisschen auf der anderen Seite des Flusses angekommen ist. Inwieweit ist diese Jugend, dieses Unkonventionelle, inwieweit ist das ein Plus für Sie im kommunalpolitischen Betrieb?

Zimmermann: Das ist natürlich positiv und negativ zugleich. Auf der einen Seite sitzen ältere Leute, die sagen, ja, traut ihr euch das denn überhaupt zu oder kann man euch das zutrauen, und auf der anderen Seite sitzen auch viele Leute, die gerade das auch gut finden. Es gibt viele, die sich eine andere Herangehensweise auch an Politik wünschen, dass man versucht, einen direkten Kontakt - gerade in einem Ort, wie die Monheimer Größe es hier hergibt - zu den Menschen zu halten. Und das versuchen wir eigentlich, also mit jugendlicher Art und Weise, eben dass man sich ganz direkt auch dann über Probleme unterhält, diesen Politikbetrieb hier zu beleben.

Hettinger: Wenn man so ein bisschen weiterschaut auf der Homepage, Sie sind ja ganz schön viele. Das gehört nicht zum etablierten Parteienspektrum, ist also jetzt keine Jugendorganisation von etablierten CDU, SPD, was auch immer, sondern eine eigens gegründete Partei. Nun nennt man ja Jugend und Politikverdrossenheit oft in einem Atemzug. Was treibt Sie und Ihre politischen Mitstreiter, hier politisch das Heft in die Hand zu nehmen?

Zimmermann: Ich glaube nicht, dass von dieser viel zitierten Politikverdrossenheit bei Jugendlichen viel übrig bleibt, wenn man tatsächlich ernsthaft versucht, auch diese Gruppe anzusprechen. Es ist ja oft so - ich hab irgendwie das Bild noch so im Hinterkopf, Oskar Lafontaine, als er noch bei der SPD war, der dann auch im Anzug sich mal in so 'ne Disko hineinbegeben hat, um da zu tanzen ...

Hettinger: Erbärmliches Gezappel, das sah schlimm aus.

Zimmermann: So was ist unglaubwürdig. Man sollte oder auch ältere Politiker sollten auch einfach so sein, wie sie sind, aber eben die Jugendlichen und jüngeren Leute auch so akzeptieren, wie sie sind. Und wenn es dann da wirklich auch ein Gespräch auf Augenhöhe gibt, dass man sich gegenseitig ernst nimmt, dann, glaube ich, ist also von dieser viel zitierten Politikverdrossenheit bei Jugendlichen nicht mehr zu spüren als auch bei erwachsenen Menschen.

Hettinger: Wie ist denn Ihr Verhältnis zu den anderen politischen Kräften in Monheim, zu den etablierten Vertretern, die teilweise schon Jahrzehnte Kommunalpolitik machen? Blicken die auf Sie herab?

Zimmermann: Also ich würde mal sagen, wer jetzt auch gerade nach diesem Ergebnis uns da nicht mehr ernst nimmt, der ist selber Schuld. Es ist natürlich schon so, dass wir da mit den Jahren hier gewachsen sind, auch argumentativ stärker geworden sind, als wir das in der Anfangszeit waren. Und mittlerweile habe ich eher den Eindruck, dass man uns auch jetzt gerade im Wahlkampf vor der Wahl als Gegner verstärkt betrachtet. Wir sind doch jetzt eine größere Konkurrenz geworden, als wir das in der Anfangszeit sicher gewesen sind. Grundsätzlich haben wir aber immer ein sehr offenes Verhältnis auch gehabt zu den anderen Parteien. Es gab bestimmte Projekte, wo wir eher mit der SPD zusammengearbeitet haben, bei anderen Projekten eher mit der CDU. Das wollen wir eigentlich gerne so fortsetzen jetzt nach der Wahl.

Hettinger: Monheim ist selbst kein reicher Ort, Sie planen aber und fordern recht viel, Einsatz für Probenräume von Bands, die Spielplätze sollen ausgebaut werden, Schülerspeisung, Jugendkulturwettbewerbe, Solaranlagen, Aufwertung der Altstadt ist ein Thema für Sie, Existenzgründersachen. Da kann man natürlich die beliebte Politikerfrage stellen: Kostet ne Menge, wer soll's bezahlen?

Zimmermann: Ja, wobei unser Wahlprogramm, da haben Sie jetzt viele Sachen zitiert, auch kein Wunschkonzert ist, da sind viele Dinge dabei, die nicht viel Geld kosten. Wir haben, Stichwort Proberäume, für ein paar Tausend Euro wirklich mehrere Proberäume von der Stadtverwaltung in Schulkellern einrichten lassen, da waren nur ein paar Umbaumaßnahmen nötig, die Stadtverwaltung hat jetzt noch Schränke da hineingestellt, damit die verschiedenen Bands, die das parallel nutzen, dann auch ihre Instrumente einschließen können und solche Sachen. Also da muss man immer gucken, wie viel Geld kostet so was tatsächlich.

Und auf der anderen Seite gibt es auch Projekte, die mehr Geld kosten in unserem Programm, wo wir dann aber auch Finanzierungsvorschläge machen, wo wir zum Beispiel für die Sanierung eines Sportplatzes auch den Bau eines Kreisverkehrs, der ursprünglich geplant war, in der Finanzplanung zurückstellen wollen, wo wir dann eben auch eigene Prioritäten setzen.

Hettinger: Kommunalpolitik kann aber auch ziemlich trocken Knäckebrot sein. Also auf der Homepage der Stadt Monheim, da ist von einer Initiative "Leitbild 2020" die Rede, da geht's um elf Kernfelder, unter anderem Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur und ähnlich sexy Sachen. Wie ist es, haben Sie schon einen Hals deswegen?

Zimmermann: Gut, ich hab das jetzt die letzten Jahre hier schon miterlebt, es gibt halt unterschiedlichste Interessengruppen auch im Ort. Da will dann ein Kleingartenverein genauso seine Ideen einbringen wie man das dann aus einer Senioreneinrichtung ??? oder eben auch einem Jugendzentrum hört. Das ist ja durchaus legitim. Wichtig ist einfach, dass man als hier Tätiger dann auch im Rathaus oder im Stadtrat den Blick für das Ganze behält, versucht, so einen gewissen Interessenausgleich auch zu gewährleisten. Und gut, das Alltagsgeschäft, dass man sich mit allen diesen Dingen beschäftigt, das gehört eben dazu.

Hettinger: Stichwort Alltagsgeschäft: Als Chef der Stadtverwaltung sind Sie, ja, Chef von 500 Leuten. Wie ist das, mit welchen Gefühlen gehen Sie an solch eine Aufgabe ran?

Zimmermann: Es ist natürlich eine Herausforderung, auch aufgrund meines Alters. Ich hab Respekt vor dem Job, allerdings keine Angst oder dass ich jetzt irgendwie da von Muffensausen oder so Ähnlichem geprägt wäre. Es ist ja so, dass ich jetzt schon auch über meine Tätigkeit im Stadtrat - ich war Betriebsausschussvorsitzender hier bei den städtischen Betrieben - auch viel schon aus der Verwaltung so mitbekommen habe, dass ich viele Gesichter kenne, auch ungefähr weiß dann, wer in welcher Abteilung für was zuständig ist. Von daher habe ich jetzt keine Angst vor dieser Herausforderung.

Hettinger: Sie klingen wie so ein, ja, richtig gestandener, erfahrener kommunalpolitischer Profi. Machen Sie denn eigentlich was Ungewöhnliches oder was Durchgedrehtes, bekommt jetzt die Warteschleife der Stadtverwaltungstelefonanlage von Monheim jetzt Hip-Hop-Musik aufgespielt oder irgendwie so was?

Zimmermann: Nee, das glaube ich nicht. Also wichtig ist für uns, dass wir wirklich uns das auch bewahren, insgesamt in der Partei, was uns eben auch anders macht, dass wir wirklich versuchen, kontaktfreudiger zu sein, auch mehr Anknüpfungspunkte wirklich zu den Akteuren hier im Ort zu halten, dass wir nicht so unter unserer Käseglocke dann irgendwann verschwinden, das ist ganz wichtig. Aber ich meine, ich bin jetzt eben auch als Bürgermeister gewählt worden, in der Funktion hat man eben auch bestimmte Aufgaben, die mehrheitsfähig sein müssen. Ich kann jetzt hier keine Klientel- oder Spartenpolitik betreiben, will ich auch nicht. Von daher ist das so ein Spagat, auf der einen Seite wirklich dann noch sich dieses Frische zu bewahren und auf der anderen Seite aber eben auch, das Amt hier entsprechend auszufüllen.

Hettinger: Hilft es Ihnen da, wenn Sie jetzt versuchen, die Mitgliederstruktur von PETO in Richtung der Älteren hier etwas zu weiten und mit einer AG 30 plus auf die zu setzen, die jetzt hier dem Jugendalter längst entwachsen sind?

Zimmermann: Ja, das ist ganz wichtig, weil natürlich von unserer Struktur her die PETO eine Jugendpartei ist. Wir haben auch weiterhin das Ziel, das werden wir so beibehalten, dass wir immer wieder junge Leute auch in die Politik bringen wollen. Unser jüngstes Ratsmitglied, das am Sonntag gewählt worden ist, ist 18 Jahre alt, eine Schülerin. Das soll weiter so fortgeführt werden.

Auf der anderen Seite sind wir junge Leute, aber machen eben nicht nur Politik für Junge, sondern hier für den ganzen Ort, das ist zumindest der Anspruch, den wir an uns selbst stellen. Und deshalb haben wir jetzt auch diese AG 30 plus eingerichtet, wo wir nicht nur Eltern haben, sondern auch andere Erwachsene hier aus dem Ort, ältere Leute bis ins Seniorenalter, die sich auf diese Art und Weise eben auch mit ihren Ideen einbringen können sollen.

Hettinger: Schönen Dank. Das war Daniel Zimmermann. Er ist Mitglied der jungen Partei PETO, und er ist der jüngste Bürgermeister, der nun Einzug hält ins Rathaus von Monheim. 27 Jahre ist er alt. Ich danke Ihnen sehr, Herr Zimmermann!

Zimmermann: Danke auch!