Keine Eskimo-Idylle

Von Peter Kaiser · 23.04.2012
Die Eismeer-Insel Grönland ist ein Synonym für karge Landschaften, kalbende Gletscher und Robbenjagd. Doch Grönland besitzt auch eine höchst eigenständige und lebendige Kulturszene - beim Berliner Filmfestival "Greenland Eyes" wollen die Veranstalter nun dem Klischee des Landes entgegenwirken.
"Als der Platz leer war, machten wir viele Picknicks. Und dann traf ich Amerikaner in Ikateq. Auf dem Flughafen tanzten wir und sangen auf Grönländisch."

Frank: "Und da zeigen wir auch meinen eigenen Film oder zwei von mir. Den einen habe ich 2010 in Ostgrönland gemacht, und das geht um die verlassene amerikanische Radarstation vom Kalten Krieg in Ostgrönland."

"Echoes" ist einer der 17 Filme, die ab Dienstag beim Filmfestival "Greenland Eyes" im Berliner Kino Arsenal gezeigt werden. Den Veranstaltern, wie der Grönländerin Ivalo Frank, geht es sehr darum, den bekannten Grönland-Klischees entgegenzuwirken.

Frank: "Also, die romantische Jagd auf dem Eis. Und es gibt fast kein Porträt von Grönland, die mehr so die Sachen in der Mitte porträtieren. Wie die Leute ganz normal leben und lieben und so weiter. Und genau das wollen wir gerne darstellen."

Auch der Mitveranstalterin Dr. Lill-Ann Körber, Skandinavistin an der Berliner Humboldt-Universität ist es wichtig, dem "Eskimo-Exotismus", wie sie sagt, entgegenzuwirken.

Körber: "Also, wir möchten eigentlich, dass die Leute etwas erfahren über Grönland und die aktuelle Kultur in Grönland. Von der viele wahrscheinlich gar nicht wissen, dass sie existiert. Wir möchten aber auch gerne, dass die Zuschauer etwas erfahren darüber, wie wir uns ein Bild von der Welt machen. Also, welche Bilder sich die Welt bisher gemacht hat von Grönland. Und deshalb haben wir mehrere Schwerpunkte im Festival.

Ein Schwerpunkt ist eine kleine Retrospektive von historischen Filmen über Grönland. Wo es genau darum geht, also die Imaginationen einer menschenleeren Eiswüste beispielsweise, um Imagination authentisch Lebender. Dem möchten wir auf die Spur gehen. Dann haben wir einen zweiten Schwerpunkt: Aktuelle Filmproduktionen aus Grönland, die zum Teil zum ersten Mal überhaupt außerhalb von Grönland gezeigt werden.""

Frank: "Es geht um zwei Brüder, und sie gehen in die Berge rein, um da so ein Jugendwochenende zu haben. Und da passieren halt viele schreckliche Sachen. Sie treffen einen Kiwichob, das ist so ein Halbmensch, Halbtierwesen, die sehr gefährlich sind."

Doch nicht nur der erste Horrorfilm aus Grönland, "Quaggat Alanngui", macht neugierig. "Faith, Hope & Greenland", der zweite Film von von Ivalo Frank, widmet sich der grönländischen Kulturszene.

Frank: "Außerdem haben wir auch drei historische Filme. Zwei davon sind deutsch, und einer ist von Knut Rasmussen, er ist halb Grönländer, halb Dänisch, um so eine historische Perspektive auf Grönland zu haben."

"SOS-Eisberg" etwa, 1933 von Leni Riefenstahl gedreht, ist einer der historischen Filme. Ein anderer ist "Palos Brudefaerd", zu dem der berühmte Polarforscher Rasmussen das Drehbuch schrieb. Doch wichtiger noch sind jene Filme, die das urbane Leben in und um Nuuk, der Hauptstadt Grönlands, behandeln. Plus atemberaubender Landschaften.

Frank: "Es gibt sehr schöne Landschaften bei allen Filmen, weil Grönland ist so, aber es sind bei allen Filmen Menschen dabei, und es sind auch normale Geschichten sozusagen. Also Liebesgeschichten, Horrorgeschichten, wir haben eine Dokumentation über ein Theater, die in Grönland rumgefahren sind, also so ein Road-Movie. Und eine Komödie haben wir auch dabei, so über einen Loser, der am Ende alles schafft und die Liebe seines Lebens findet, also, wie heißt es: universelle Themen sind in allen Filmen. Und so geht’s den Grönländern."

Körber: "”Ja, wobei man da auch ein bisschen aufpassen muss, dass dieses Verhältnis von Kultur und Natur, was macht der Mensch in der Natur, dass das viel auch die Imaginationen über Grönland sind. Wo wir grade versuchen herauszufinden, ist das in Grönland im Moment auch wirklich so ein großes Thema? Und ich meine, es verneinen zu können.

Also, was wir an aktueller Filmproduktion grade sehen, das zeigt urbanes Grönland. Und das ist auch der Focus, den wir vertreten möchten mit diesem Festival. Denn dass es in Grönland auch Urbanität gibt, ist, glaube ich, vielen Menschen nicht so präsent.""

Das urbane Grönland hat die gleichen Probleme mit Sex, Alkohol, Gewalt und Verwahrlosung wie Berlin, London, Paris und andere Städte. Diese Missstände zeigt das Festival aber immer auch mit einem optimistischen Blick.

"Greenland Eyes" hat noch mehr zu bieten. Beim Symposium "Grönland: Film im Kontext" will Lill-Ann Körber die aktuelle Filmszene beleuchten. Wichtige grönländische Künstler wie Makka Kleist werden kommen, die Songwriterin Nieve Nielsen gibt mit ihrer Band "The Deer Children" ein Konzert, Julie Edel Hardenberg zeigt fiktive Filmplakate.

"Manchmal höre ich den Knall von einem herunterfallenden Gletscher. Einfach so. Ich kann ihn eine Weile hören. Das Meer rauscht dazu."

Was immer man auch auf dem Festival wahrnehmen wird: "Greenland Eyes" berührt und beschäftigt. Mit alten Geschichten, neuen Bildern, Musik und Informationen.